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Skifahren als Lebensgefühl

Historische Aufnahmen der beiden Fotopioniere Emmanuel Gyger und Arnold Klopfenstein sind derzeit im Alpinen Museum in Bern zu sehen. Sie vermitteln die Botschaft: «Skifahren war in den dreissiger Jahren mehr als Sport, Skifahren war ein Lebensgefühl.»

Eines der wichtigsten Werke der frühen Skifotografie, eine fotohistorische Trouvaille, wird, fast hundert Jahre nach der Entstehung, erstmals in der Schweiz in einer Ausstellung gewürdigt. Die spektakulären Bilder des Adelbodner Fotografenduos Emanuel Gyger (1886– 1951) und Arnold Klopfenstein (1896–1961) sind derzeit in Bern zu sehen. Gyger und Klopfenstein hinterliessen über 10`000 Landschaftsfotografien mit einem Schwerpunkt auf alpine Schnee- und Winterwelten. Die Schau steht unter dem Titel «Das Skivirus. Eine Spurensicherung».

Schussfahrt im Pulverschnee.

Auf ihren Expeditionen durch das Berner Oberland entstanden dabei rund 250 Skifotografien, die zu  Lebzeiten der Fotografen ein Nebenwerk darstellten, aber rückblickend als ihr künstlerisches Hauptwerk zu betrachten sind. In den zwanziger und dreissiger Jahren perfektionierten Gyger & Klopfenstein mit der Skifotografie ein damals noch junges Genre.

Die beiden entwickelten eine markante fotografische Handschrift, die den Betrachter bis heute in ihren Bann zieht. Ihre Schwarz-Weiss-Aufnahmen zeichnen sich aus durch Kontrastreichtum, das virtuose Spiel mit Licht und Schatten sowie einen radikalen Einsatz von Gegenlichteffekten. Weitere Merkmale sind die Stringenz der Bildkomposition und die meisterhaft in Szene gesetzten Landschaftskulissen. Vor allem aber entwickelte das Fotografenduo Techniken und Stilmittel, um hochdynamische Bewegungen festzuhalten und im Bild sichtbar zu machen, z.B. durch vom Sonnenlicht ausgeleuchtete Pulverschneewolken. Ihr Werk deckt das gesamte Spektrum der Skifotografie (Abfahrt, Sprung, Schwungtechniken, Skispuren) ab. So setzten Gyger & Klopfenstein Standards im Bereich der Wintersportfotografie, die bis heute kaum übertroffen wurden.

Im Gräteschritt bergauf.

Vor einigen Jahren stiess der deutsche Sammler Daniel Müller-Jentsch auf eine seltene Skifotografie von Gyger & Klopfenstein und war fasziniert von deren kraftvoller Ästhetik. Mit detektivischer Akribie begann er eine Sammlung zusammenzutragen, die nach Umfang und Qualität ihresgleichen sucht. Sie umfasst neben einer grossen Zahl an Originalfotos auch umfangreiche Bestände an Gebrauchsgrafik, Fotopostkarten, Fachliteratur und anderen kontextualisierenden Materialien. Nach einer Ausstellung in Berlin vor zwei Jahren sind die Bilder noch bis zum 1. Mai 2022 im Alpinen Museum in Bern zu sehen.

An der Ausstellungsvernissage anwesend waren am vergangenen Freitag zwei Nachfahren der Skifotografen, Jürg Gyger und Peter Klopfenstein. Letzterer ist Agroingenieur sowie Mitinhaber des bekannten Adelbodner Fotogeschäfts. Er kennt seinen berühmten Grossvater nur vom Hörensagen. Speziell an den Aufnahmen sei das Gegenlicht und die Tatsache, dass sich die beiden Fotopioniere mit ihrer schweren Ausrüstung perfekt im Gelände auskannten. Die Arbeit mit Glasnegativen sei harte Arbeit gewesen, die Sprünge nicht in voller Fahrt, sondern praktisch aus dem Stand heraus fotografiert worden, erzählte Klopfenstein.

Die Ausstellung wurde mit einem Podiumsgespräch über das Skifahren damals und heute eröffnet. Foto PS.

Als Vertreter der Wissenschaft sprach der österreichische Kulturwissenschaftler und Ethnologe, Bernhard Tschoven. Die Fotos von Gyger & Klopfenstein seien wichtige zeitgeschichtliche Dokumente. Skifahren in den dreissiger Jahren sei so etwas wie «die Jugendbewegung des Alpinismus» gewesen. Im Gegensatz zu China heute, wo Skifahren nur einer reichen Oberschicht vorbehalten bleibe, habe der Skisport zwischen den Weltkriegen demokratisch das ganze Volk, namentlich auch die Arbeiterbewegung, erfasst. So gesehen sei Skifahren in den dreissiger Jahren mehr als Sport, sondern Ausdruck eines grossartigen Lebensgefühls gewesen. Dies komme in den Fotos und Filmen von damals sehr gut zum Ausdruck, betonte der Zürcher Professor an der Vernissage.

Alles fährt Ski: Skifahren war vor 100 Jahren eine demokratische Tätigkeit.

Die Berner Ausstellung schlägt den Bogen zu einer Indoor-Skianlage in einer Shopping-Mall der chinesischen Grossstadt Shanghai. Skifahren ist in China – 100 Jahre nach der Pionierzeit in den Alpen – das Vergnügen einer finanzkräftigen, städtischen Oberschicht. Die interviewten Chinesinnen und Chinesen geben als Wunschtraum an, eines Tages in den Alpen skifahren zu wollen. Als Gastgeberland der Olympischen Spiele habe China die Entwicklung einer eigenen Skiinfrastruktur in den letzten Jahren enorm vorangetrieben, heisst es. Laut dem Alpinen Museum liegt das Land weltweit auf Platz 8 im Ranking der Skigebiete und gar auf Platz 1 bei den Indoor-Skianlagen. Offenbar haben die Alpen als Ursprungsland des «Skivirus» ihre Faszination bis heute nicht verloren.

Das Alpine Museum Bern am Helvetiaplatz.

Buchtipp

Anlässlich der Berliner Ausstellung erschien vor zwei Jahren ein Buch mit den Fotos von Gyger & Klopfenstein: Daniel Müller-Jentsch (Hrsg.), Emanuel Gyger und Arnold Klopfenstein – Pioniere der Skifotografie. Regenbrecht Verlag, Berlin, 2020.
ISBN 978-3-948741-04-4

Titelbild: Die Fotografen betteten die Ästhetik und Athletik der Skifahrer in die Landschaft ein. Alle SW-Fotos: Emanuel Gyger und Arnold Klopfenstein © Daniel Müller-Jentsch

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Alpines Museum Bern

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2 Kommentare

  1. Im Grätschritt Bergauf
    Man sieht diesem Bild an, wie schweisstreibend das Skifahren in früheren Zeiten war. Der Sportler ist offenbar in Eile auf dem Heimweg (lange Schatten), sonst hätte er die Felle montiert. Er stürmt hier ohne Pullover (Hosenträger sichtbar) den Hang hoch. Gleitschritte sind im Tiefschnee nicht möglich, beim «tännele» findet er den Halt dank grossen Tellern am Skistock. Es lebt die Erinnerung!

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