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Wir müssen über die Freiheit nachdenken

Die Zeit der Pandemie hat einmal mehr aufgezeigt, dass wir Menschen unter Freiheit völlig unterschiedliche Vorstellungen besitzen. Wer von Freiheit spricht, die den Anderen oder die Anderen nicht mitbedenkt, huldigt einem egoistischen Freiheitsbegriff. Wir haben in unserer Kindheit die Geschichte von Robinson bewundert, der allein an einer Insel gestrandet ist. Nach langer Zeit spürt er Sehnsucht nach einem Menschen, mit dem er reden und zusammen sein kann. Er findet ihn in Freitag und fortan muss Robinson seine Freiheit mit ihm teilen. Treffen sie beide später auf mehrere Menschen, müssen sie auf diese Anderen Rücksicht nehmen. «Wenn mehr Menschen frei sind, dann endet für alle die eigene Freiheit an viel mehr Stellen, als das früher der Fall war, als Freiheiten das Privileg einer Minderheit waren.»* In einer Diktatur gibt es diese freien Stellen nicht, denn es bleibt bei der Freiheit, die das Regime duldet.

Besitzen etwa die Feiheitstrychler eine spezielle, individuelle Freiheit? Nein, natürlich nicht. Sie müssen sie ja unter den Mitgliedern ihrer Gruppe teilen. Also gilt auch für sie, dass sie die Freiheit nicht ohne die Anderen denken können. Unter weiteren Anderen ausserhalb dieser Gruppe gab es während der Pandemie Menschen, die sich ängstigten vor einer Ansteckung durch das Virus. Sie verlangten nach Schutz. Und nur der Staat war in der Lage, diesen durch Schutzmassnahmen zu gewähren. Der -Staat sorgte dafür, dass die Leute sich impfen konnten, wenn sie wollten.  Er verordnete zugleich die Maskenpflicht und Distanz, beschränkte die Gruppenkontakte und erreichte damit eine Reduktion der Ansteckungen.

Die Freiheitstrychler hätten kaum gewusst, wie Menschen vor der schrecklichen Krankheit zu schützen wären. Auch in den Gebieten, aus denen sie sich rekrutierten, gab es Menschen, die sich schützen wollten. Ältere und Gebrechliche, die noch gerne lebten, verlangten nach Schutz und es brauchte eine Autorität, die ihn vorschrieb. Die Verfassung gibt dem Staat in der besonderen Situation einer Pandemie den Auftrag, alles zu tun, um die Übersterblichkeit zu beschränken. Das gelang; und heute, nach dem aktuellen Beschluss des Bundesrates, ist jeder Einwohner angehalten, sich und andere selbstverantwortlich zu schützen.

Friedrich Dürrenmatt sagte einmal: «Dass so wenige rot werden, wenn sie von der Freiheit reden, ist kein gutes Zeichen.» So war es in der Pandemie. Plötzlich schienen Gruppen und einzelne Menschen sich einer robinsonhafte Freiheit zu erfreuen und die Massnahmen des Bundes abzulehnen, und dies mit viel Lärm, Streit und Hass auf Andersdenkende. Wer Freiheit sagt und nicht an Andere denkt, gefällt sich subjektiv in dem, was er glaubt. So kam es dazu, dass Verschwörungstheorien kursierten und abstruse Meinungen, die zu Glaubenssätzen wurden, über die man nicht diskutieren konnte. Hier die grosse Mehrheit, dort die Minderheiten, die rebellierten. Von einer Spaltung des Landes war die Rede, die sich vielmehr als Zersplitterung in unterschiedlichen Minderheiten darstellte.

Nun, nachdem der Bundesrat seine Massnahmen zurückgenommen hat, und niemand mehr sagen kann, Bern handle diktatorisch, sind wir angewiesen, darüber nachzudenken, nach welchem Freiheitsbegriff wir urteilen oder verurteilen. Wir leben in einem Land, dessen Verfassung die Freiheit garantiert. Wenn wir unaufgeregt über den zentralen Begriff der Freiheit nachdenken, werden wir konstatieren, dass der Bundesrat mit seinen Einschränkungen vernünftig handelte. Dass wir auch in der Demokratie nicht frei sind, weiss jeder, der mit seinen Impulsen an gegebene Regeln stösst. Robinson hat in der komplexen Gesellschaft längst jede Legitimation verloren. Der Bundesrat stützte sich bei seinen Anordnungen auf einen Freiheitsbergriff, der den Anderen, das heisst das Volk, mitdenkt.

*Aladin El-Mafaalani. In Magazin Philosophie.

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4 Kommentare

  1. yes, Freedom.. No other term is as important for Switzerland`s identity as freedom, but what is freedom? Freedom refers to a state of independence where you can do what you like without any restriction by anyone.. Freedom is a psychological concept.. Everyone has a different opinion about freedom.. Freedom also means liberalization from oppression..
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    I am also free to vaccinate/test certificate to be among people..I worked 20 years long at the airport, was daily in contact with gems from all over the world and the natural immunity which I have… nobody is interested.. I live in a free democracy…it depends on me, to have or not to have.. smile…

  2. In diesen Tag, wo unsere Freiheit, Demokratie und das Recht auf Selbstbestimmung eines souveränen Staates durch imperialistische Grossmachtphantasien eines autoritären Regimes mit dem Überfall auf die Ukraine, in ihren Grundfesten erschüttert wird, erscheint diese Debatte über angebliche Freiheitseinschränkungen in einer globalen Pandemie geradezu paradox. Das war nichts im Vergleich auf das was auf uns zukommt! Ein böses Erwachen für Europa, dessen Appeasement Politik mit Putin Russland krachend gescheitert ist und die Verteidigung vielerorts im argen liegt. Quasi über Nacht geht ein Ruck durch Deutschland, das seine Politik um 180 Grad wendet und allein für dieses Jahr 100 Mrd. mehr für die Bundeswehr spricht. Europa und die Nato Staaten werden sich nicht mehr darauf verlassen können, dass die USA auf Dauer ihre und unsere Freiheit in Europa verteidigt. Diesen Ruck und die Realisierung, dass wir von autoritären Grossmächten Russland und China effektiv bedroht sind, vermisse ich in der Schweiz noch. Spontane, kurzfristige Betroffenheit und mit Kerzen an Demos gehen und dann gleichzeitig Unterschriften für ein Referendum gegen eine Luftraumüberwachung sammeln, sind Realitätsverweigerung, verantwortungslos und zynisch. Die Sanktionen werden auch uns wehtun und ob es uns passt oder nicht, wir werden deutlich mehr für unsere Verteidigung und Sicherheit ausgeben müssen. Jetzt wird die Schweiz beweisen müssen, wieviel sie bereit ist für die Freiheit, Demokratie und Souveränität Europas mitzutragen und wie solidarisch wir sind und zusammenstehen.

  3. danke andreas iten für ihren aufsatz. mich beelendet, dass die svp, frau läckmerli und andere milliardäre die querdenker-szene untersützt hat. bitte nicht vergessen.

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