StartseiteMagazinGesellschaftPfadi-Erinnerungen erklingen noch heute

Pfadi-Erinnerungen erklingen noch heute

Die Pfadfinder sind zurzeit in ihrem Bundeslager im Goms. Und in den Medien. Über ihre unvergesslichen Erlebnisse berichten vier Seniorweb-Redaktorinnen und -Redaktoren.

Der Ehrenplatz in diesem Nostalgie-Album gehört Eva Caflisch (Cello). Sie begegnete beim Bundeslager 1957, damals ebenfalls im Goms, Lady Baden-Powell. Nach dem Handschlag mit der Gattin des Gründers der Scouting-Bewegung, wusch sie die Hände nicht mehr. Cello versichert, dass sie die üblichen hygienischen Voraussetzungen längst wieder erfüllt.

Peter Steiger verleugnete lange seine Pfadi-Vergangenheit. Dies, weil die ehemaligen Kameraden mit einem unmöglichen Namen seinen Pfadfinder-Ruf beschädigt hatten. Hier in diesem Artikel lüftet er das Geheimnis. Beerli, Beat Steiger, erlebte dank Harndrang den Zauber der Natur. Keinen Pfadi-Namen hat Bernadette Reichlin. Trotzdem gebührt ihr als Mutter von vier engagierten Pfadfinder-Kindern eine Ehrenkrawatte und eine ganze Kollektion von Pfadi-Stickern.


Cello gab Lady Baden-Powell die Hand

Vier Weltlager gab es 1957 zum Gedenken an «100 Jahre Bipi», an den Gründervater der Pfadfinderbewegung Lord Baden-Powell. Eins war in der Schweiz, das grösste von allen und erst noch ein Pfadfinderinnen-Camp.

6’700 Pfadfinderinnen aus 35 Ländern versammelten sich in 10 Lagerdörfern im Goms, um den 100. Geburtstag von Lord Baden-Powell zu feiern. Als frischgetaufte Pfadfinderin mit dem Pfadinamen Cello war ich dabei. Hunderte von blau uniformierten Pfadfinderinnen übten sich im Lagerleben, im Bergwandern und im Austausch mit den ins Goms eingeladenen Kolleginnen aus näheren oder auch ferneren Ländern.

Unser Standort war Ernen, damals ein verschlafenes Nest mit riesigem Dorfbrunnen. Darin mussten wir täglich Dutzende Salatköpfe waschen. Erstens mochte ich Salat gar nicht und zweitens war das Wasser so kalt, dass wir jeweils mit klammen Fingern zurück zur Lagerküche kamen.

Die Gäste der Abteilung Wallisellen-Dübendorf stammten aus den Philippinen, einem Land, von dem ich noch nie etwas gehört hatte. Sie waren schwarzhaarig, mit brauner Haut und schrägen Augen. Sprechen war nicht möglich, aber irgendwie verständigten wir uns. Und vor allem liebten wir es, wenn sie ihre heimischen Festkleider anzogen und uns den traditionellen Stocktanz vorführten.

Zwölfstünder aufs Eggihorn

Höhepunkte des Lagers waren die Besteigung des Eggishorns ob Visp (schrecklich am Ende der mehr als zwölfstündigen Bergtour der Aufstieg vom Rhonetal nach Ernen), sowie das Jambouree am 28. Juli, bei dem Lady Baden-Powell eine Ansprache hielt. Auch mich begrüsste sie mit Handschlag, wonach wir unsere linke Hand nie mehr waschen wollten – jedenfalls klappte das bis zum nächsten Salatderby am Brunnen.

Am 28.Juli 1957 sprach Lady Baden-Powell am Bundeslager im Goms.

Wie wichtig die Meitlipfadi waren, ging mir erst später auf: Sie war eine Art frühe Management-Ausbildung, denn als Gruppenleiterin schon lernten wir Verantwortung übernehmen, organisieren, Nachmittage für die Gruppe planen, ohne dass auch nur ein Mann oder Bub etwas mitzubestimmen hatte. Auch deshalb blieb viel Freiheit für Abenteuer und Unsinn bei den Gruppenübungen im Wald. Eva Caflisch


Stumpe war froh, dass es noch keine Meitli gab

Von wegen jeden Tag eine gute Tat. Sie nannten mich Stumpe. Mit so was wird man nie ein stolzer Rover.

Was erwartet man bei einem solchen Namen? Einen leichtfüssigen Knaben oder einen zu kurz geratenen dicklichen Bub? Eben. Die Langzeitfolge: Wenn Pfadi-Veteranen diskutierten, schwieg ich meist. Denn unweigerlich wollte man wissen, wie ich hiess. Schmunzeln war jeweils die mildeste Reaktion. Unterdessen stehe ich zu meiner Pfadi-Identität. Häja, der kleine Dicke kann immerhin auftrumpfen, dass er immer noch fast alle Knoten beherrscht, sogar den doppelten Achter.

Mostbummel mit Abgängen

Einmal im Jahr, im Herbst, war Mostbummel. Mit dem Velo fuhren wir zu einem vorgewarnten Bauern ins Reppischtal. Es war zwar nicht so geplant, entwickelte sich aber so – zu einem kompetitiven Erlebnis. Nämlich: Wer am meisten Apfelsaft vertrug, holte in der informellen Hierarchie wenigstens vorübergehend Punkte.

Most-Schluckspechte wissen es: Der Saft aus Birrli und Öpfel wirkt harntreibend. So taten die Pfader im Laufe des Nachmittags, was sie eben so tun: Sie verschwanden im Wald und im Gebüsch. Allerdings nicht um Fährten zu lesen oder Seilbahnen zu bauen, sondern um… na eben. Die Abteilungen waren in den Fünfziger- und Sechzigerjahren noch geschlechtergetrennt. Das war gut so. Peter Steiger


Beerli bodigte Wienerli mit einem Innerbrienzer

Da in meinem Quartier alle in die Pfadi gingen, war auch ich bald als Wölfli, dann als Pfadibub, Venner, Stammführer und Rover dabei. Aus den unzähligen Erinnerungen drei Anekdoten aus dieser Zeit.

«Bislen» mitten in der Nacht: Wegen des Wasserlösens schlich ich gelegentlich in aller Stille, um ja niemanden zu wecken, aus dem Achterzelt und entfernte mich ein paar Schritte barfuss vom Zelt weg. Es war gar nicht ganz dunkel! Über mir nicht selten ein Sternenhimmel mit Milchstrasse, um mich herum schemenhaft Bäume, Berge, unter mir Pflanzen, Steine. Und dann das erlösende Bislen in der freien Natur mit undefinierbaren leisen Geräuschen rings um – da wurde ich andächtig: So klein und so wunderbar geborgen in der Natur … und doch ängstlich… Ameisen?

An einer Lagerolympiade sollten sich die beiden Stämme, Wartensee und Tannenfels, in verschiedenen Disziplinen gegeneinander messen. Eine Disziplin war Schwingen mit echten Zwilchhosen. Aus mir nicht erklärbaren Gründen landete ich bei diesem nach dem Cupsystem ausgetragenen Kräftemessen schliesslich im Final. Da musste ich gegen «Wienerli» antreten und wusste, dass ich da eine lächerliche Figur abgeben würde. Und es kam, wie es kommen musste. Er hob mich vom Boden, tanzte mit mir rum wie mit einem Besen … und schliesslich landete «Wienerli» auf dem Rücken, weil ich ihn mit einem Innerbrienzer gebodigt haben soll. Dabei weiss ich bis heute nicht, was ein Innerbrienzer ist … und ging «Wienerli» ein paar Tage aus dem Weg, weil ich dachte, er könnte sich wegen der erlittenen Schmach rächen – was er glücklicherweise nicht tat.

Lumpi lernt Ordnung

Als Venner wollte ich, dass mein Fähnli «Steinbock» bei den Inspektionen der Lagerleitung, in denen es um die Überprüfung der Ordnung in und ausserhalb des Zeltes ging, top war – aber: Dreimal machte Lumpi einen Strich durch die Rechnung. Er hielt seinen Schlafplatz trotz unüberhörbaren Aufforderungen nicht in perfekter Ordnung. Also gab es Abzüge. Da das Fähnli ihn als unverbesserlich erachtete, beschlossen wir, ihn zu fesseln, in einen Sack zu stecken und Sack und Pack an einem Baum aufzuhängen. Nach kurzer Zeit war die Lagerleitung vor Ort und setzte dem Treiben ein Ende. Die Strafaktion gegen Lumpi war trotzdem erfolgreich. In den weiteren Inspektionen gab es keine Abzüge mehr… und wir wurden als das Fähnli mit der besten Ordnung ausgezeichnet. Beat Steiger


Bernadette, namenlos, ist eine Ehren-Ehemalige

Ich kam erst spät, als Mutter, mit der Pfadi in Kontakt, dann aber ziemlich intensiv. Meine vier Kinder waren von der Bienli/Wölfli-Stufe bis zum Abteilungsleiter voll eingebunden in der Jugendbewegung.

Ich wusch nach den Pfingstlagern Schlafsäcke, die innen und aussen gleichermassen vor Dreck starrten, flickte zerrissene Pfadihemden, schrieb mal ein Theaterstück und war immer wieder als Chauffeuse gefragt. Beim Kerzeneinsammeln zum Beispiel. Denn in unserer Gemeinde gibt es einen ganz besonderen Pfadianlass: 1963 verlor ein 15-jähriger Pfadi Vater und Mutter. Am Heiligabend besuchte er ihre Gräber und stellte fest, dass nur auf einzelnen Grabstellen eine Kerze brannte. Unterschiede selbst noch im Tod? Das durfte nicht sein.

Weihnachtsbrauch als Andenken

Mit Hilfe der ganzen Pfadiabteilung wurden im Jahr darauf Kerzen gesammelt, in den Geschäften, bei Privaten. Dieser Brauch hat sich bis heute erhalten. Die gespendeten Kerzen werden im Dezember in der Werkstatt des Friedhofgärtners «angedrahtet», auf dass sie gut in den Schnee oder in die Erde gesteckt werden können. An Heiligabend um 18 Uhr zünden die Pfadis die Kerzen an – und das halbe Dorf ist auf den Beinen und nimmt teil an diesem stillen Auftakt zum Weihnachtsfest.

Übrigens: Unsere Gemeinde hat rund 10’000 Einwohner, ist also kein kleines Nest. Ja, und ich bin auch noch Mitglied der Pfadibewegung geworden: Ohne entsprechende «Vorbildung» wurde ich in den «Club der Ehemaligen» VeFö (Verein zur Förderung des Pfadfinderwesens Wald-Bauma) aufgenommen. Bernadette Reichlin


Fotos aus sechs Jahrzehnten Schweizer Pfadfinder

Burschen am Hebel, Meitli am Schpöiz-Chnebel

Rover an der Draisine in den Siebzigerjahren, Standort unbekannt.
Pfadi-Meitli an den Flöten 1957 im Bundeslager im Goms.

Bildnachweise: Pfadiswiss, Freepik, Pixabay

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2 Kommentare

  1. Ja, bei einer Jugendbewegung dabei gewesen zu sein – bei mir war es die Jungwacht – ist eine Bereicherung. Nicht nur die Anektoden gehören dazu, es können sich Beziehungen entwickeln, die lebenslang bestehen. Obwohl wir, alle ehemaligen Gruppenleiter, schon lange pensioniert sind, treffen wir uns regelmässig. Wenn alle dabei sind, sind wir eine Guppe von etwa 30 Ehemaligen. Untereinander rasch wieder vertraut zu sein und zwangslos über viele Themen diskutieren zu können, empfinde ich als einen grossen Gewinn.

  2. Auch ich war seit 1953 begeistert bei den Wölfen, Pfadern und Rovern, bis ich schliesslich im APV Zürileu Mitglied wurde. Und auch ich habe das BuLa 2022, das mova, im Goms besucht und so einige Vergleiche zu «meinem» damaligen BuLa 1956 in den Freibergen angestellt: Die seinerzeit paar wenigen Tausend Pfadi sind in diesen Tagen 30’000 und 5’000 Helfenden gewichen. Die recht militärischen Formationen, Anweisungen und Uniformen haben einer lockeren Schar junger Leute aller Geschlechter Platz gemacht, die sich weniger um Einheitlichkeit als vielmehr um Vielfalt kümmern und dabei vielleicht noch etwas mehr Spass haben und Freundschaften pflegen als uns das seinerzeit gelungen ist. Und dass die Pfadi – nach einer Baisse in den 70er und 80er Jahren – wieder zu einer weit verbreiteten Jugendbewegung geworden ist, erfreut mich als Altpfadi ganz besonders.

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