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Mit Händen malen

Die Ausstellung im Museum Langmatt in Baden ist der Malerei von Mark Wallinger gewidmet. Erstmals wird dieser bedeutende britische Gegenwartskünstler in der Schweiz gezeigt.

Mark Wallinger (*1959 in Chigwell) lebt in London und sorgt in den 1990er Jahren mit gesellschaftlich engagierten Arbeiten für Aufsehen, etwa mit einer Protestinstallation gegen den Irakkrieg. 2001 vertritt er Grossbritannien an der Biennale Venedig, 2007 erhält er den Turner Preis, den weltweit wichtigsten Preis für Gegenwartskunst.

Blick in die Ausstellung. Foto: © 2022, Museum Langmatt, Baden

Zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn in den frühen 1980er-Jahren malt er fotorealistische Bilder. Heute ist er Action Painter. Das Museum Langmatt zeigt auf zwei Stockwerken grossformatige Action Paintings aus dem Jahr 2017 sowie polychrome Proteus Paintings (seit 2021) in kleinen Formaten. Beide Werkserien sind mit den Händen gemalt und weisen einen intensiven Körperbezug auf.

Mark Wallinger im Künstlergespräch im Museum Langmatt. Foto: rv

Betritt man die Gemäldegalerie sieht man zuerst einmal grossformatige schwarze Leinwände, darauf, krude silbrig-leuchtende Malereien, die den Blick der Besucherin magisch auf sich ziehen. Nähert man sich einem Bild und vertieft sich in das Liniengewirr, erscheinen plötzlich Szenen, Landschaften, Tiere, Blumen, Seidenbänder, Rokokogirlanden, Chinoiserien auf Bildinseln. Die Fantasie beginnt ihr Spiel, man geht auf innere Entdeckungsreisen und ist fasziniert von der Fülle an Formen. Auch die visuelle Wahrnehmung der Silberfarbe wandelt sich je nach Blickwinkel: Sie kann pastellfarbig changieren, reflektieren oder im Streiflicht matt wirken.

Action Painting 12, 2017, Acryl auf Leinwand, 180 x 360. Foto: Damian Griffith, © ProLitteris, Zürich. Im Doppelformat entstehen zwei Gemälde nebeneinander.

Ein Gemälde entsteht in einem Guss und ist nicht grösser als 180 Zentimeter, denn soweit reichen die Arme des Künstlers. Mit beiden Armen, Händen, Fingern und Ellbogen trägt er synchron die silbrige Acrylfarbe auf den schwarzen Grund auf. Es ist ein physischer Akt, eben Action Painting. Bei genauem Hinsehen entdeckt man Spuren seiner Fingerkuppen oder Handballen in der Malerei. Eine weitere Eigenheit ist, dass Wallinger in einem Zug alla prima in die noch nicht getrocknete Farbe Nass-in-Nass hineinmalt, und sich so der silbrige Auftrag mit der schwarzen Farbe des Grundes mischt.

Bildausschnitt, Action Painting 16, 2017. Foto: rv

Die zweite Serie Proteus Painting entsteht im Pandemiejahr 2021. Der Künstler, an sein Atelier gebunden, vermisst die Natur und sucht nach neuen Herausforderungen. Er entdeckt das Plastilin, die Knetmasse, mit der Kinder Figuren formen. Doch um damit zweidimensional arbeiten zu können, muss er die Modelliermasse weichkneten und mit etwas Flüssigkeit verdünnen. Auch hier benutzt er keine Pinsel, sondern drückt die bearbeitete Plastilinmasse mit dem Spachtel und den Händen direkt auf die mit Molton bespannte Holzfaserplatte, die auf dem Tisch aufliegt. Ein ziemlich aufwendiger Arbeitsprozess. Betrachtet man die Bildoberfläche aus der Nähe, erkennt man den trockenen, reliefartigen Auftrag des Farbmaterials.

Bildausschnitt, «Proteus Painting» 19, 2021. Foto: rv

Der Name Proteus bezieht sich auf den Gott des Meeres der griechischen Mythologie. Proteus verfügt nicht nur über prophetisches Wissen, sondern kann auch seine Gestalt spontan verändern. Da er sein Wissen nicht gerne preisgibt, wird er zum Meister der Verwandlung, der jede beliebige Gestalt annehmen kann, selbst die des Wassers, des Feuers oder eines wilden Tieres.

«Proteus Painting» 10, 2021. Foto: Damian Griffith, © ProLitteris, Zürich

Die Proteus Paintings strahlen in unterschiedlichen Farbkombinationen. Die Bilder wandeln sich je nach Sichtweise zu bunten Blumenwiesen, Gartenlandschaften, zu textilen Mustern oder Geweben. Der Gott der Verwandlung spielt hier scheinbar mit den Elementen und lockt unsere Fantasie.

Proteus ist aber auch eine Referenz an das gleichnamige Kapitel von James Joyces «Ulysses», wo der Protagonist mit dem Gedankenstrom zwischen Realem und Gedachtem spielt und den Leser gerne im Unklaren lässt.

Wie fügt sich nun Mark Wallingers Malerei in die hochkarätige Impressionisten Sammlung sowie in die historischen Räume ein? Man darf sich überraschen lassen. Denn auf den Blumentapeten aus den 1920er-Jahren kommen die buntgefleckten und -gemusterten Plastilinmalereien harmonisch und atmosphärisch lebhaft zur Geltung.

Blick in die Ausstellung im Obergeschoss. Foto: © 2022, Museum Langmatt, Baden

Schon die Impressionisten interessierten sich für Licht, Farbe und Bewegung, die sie in der Natur beobachteten, wahrnahmen und künstlerisch umsetzten. Ihre Visionen drückten sie eigenwillig aus, sie blieben von den Zeitgenossen unverstanden. Es brauchte mutige Sammler im frühen zwanzigsten Jahrhundert, wie die Familie Brown in der Villa Langmatt, die erstmals in der Schweiz einen Cézanne oder einen Gauguin erwarben. Dies motiviert noch heute, den alten Meistern junge Künstler zur Seite zu stellen.

Bis 11. Dezember 2022
«Mark Wallinger» im Museum Langmatt in Baden
Ausstellungskatalog, Hrsg. Markus Stegmann, Museum Langmatt, Baden 2022. CHF 38.00

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