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Kunst am Bau und im öffentlichen Raum

Ein zentrales Tätigkeitsfeld des verstorbenen Künstlerehepaars Susi und Ueli Berger war «Kunst am Bau und im öffentlichen Raum». Mit rund 120 Entwürfen und 70 realisierten Arbeiten prägten sie diesen Bereich in der Schweiz während vier Jahrzehnten. Zu den bekanntesten zählen der «Chribel» (1986), die «Hommage an das Milchgässli» (1982), der «Sternbrunnen» (1987) und  Spielskulpturen (1971). Das Kunsthaus Langenthal zeigt das dokumentarische Material.

Möglich wurde die Ausstellung dank der Aufarbeitung des Nachlasses durch den Verein «U+S Berger Design/Kunst». Erhalten sind Skizzen auf Notizpapier, detaillierte Konstruktionspläne, Collagen, Mappen und Modelle für Projekteingaben. Aus dem planerischen und dokumentarischen Material entstanden zudem eigenständige künstlerische Werke, oft als Lithografien in Kleinauflagen ausgeführt. Die fotografische Dokumentation von Herstellung, Aufbau und fertigen Arbeiten übernahmen die Bergers oft selbst. Im Archiv finden sich unzählige Dias, Schwarz-Weiss- oder Farbnegative, Farbabzüge und Polaroids.

Susi und Ueli Berger (Fotos privat).

Über die gesamte Schaffenszeit der beiden gibt es sowohl Werke, die von Susi oder von Ueli Berger allein unterzeichnet sind, als auch Arbeiten, die beide gemeinsam unterzeichnet haben. Die Lebens- und Arbeitsgemeinschaft der Bergers war von einem permanenten Austausch geprägt. Im Bereich des Möbeldesigns vereinbarte das Paar bereits in den 1970er-Jahren, alle Entwürfe gemeinsam zu zeichnen. Die Zeitleiste in der Langenthaler Ausstellung hält sich an die öffentlich gemachten bzw. aus dem Archiv klar ersichtlichen Zuschreibungen.

Dass Ueli Bergers Name unter mehr Arbeiten steht, dass Susi Berger als feministische Frau für die Anerkennung ihres (zumindest geistigen) Anteils zeitlebens kämpfte, dass es dabei ein stetes Neuverhandeln und keine abschliessende Lösung gab, dass zur Lebensgemeinschaft auch die Familienarbeit gehörte – all dies ist Teil der Lebenswelt und der Diskussionen der Generation der Bergers.

Informativ in der Ausstellung ist ein Video, das Ueli Bergers Credo zur «Kunst im öffentlichen Raum» zeigt. Der nachgesprochene Text stammt von einem Vortrag des Künstlers, den er am 29. März 1995 vor der Mitgliederversammlung der Berner Sektion des Schweizerischer Ingenieur- und Architektenvereins (SIA) hielt. Berger plädiert darin für ein gleichberechtigtes Miteinander von Architekten und Künstlern bei Bauten mit integrierten Kunstwerken. Sein Anliegen, dass Künstler von Anfang an in die Projektarbeiten miteinbezogen werden, war zu der damaligen Zeit noch keineswegs erfüllt.

Motiv «Chribel» in Bern

Der «Chribel» (Gekritzel) (1986), ein 16 Meter hohes, rotes Stahlrohrgebilde vor dem Hauptsitz der Mobiliar Versicherung in Bern, ist das bekannteste erhaltene Werk Ueli Bergers im öffentlichen Raum. Die Arbeit ging als Siegerprojekt aus einem «Kunst am Bau»-Wettbewerb hervor. Sie bildet einen schwungvollen Kontrast zur strengen Gliederung der Fassade des Verwaltungsgebäudes. Im erläuternden Text verweist Berger auf das Zusammenspiel zwischen den roten Geranien und dem grauen Sandstein, das zum historischen Stadtbild Berns gehört. Das Motiv des «Chribel» ist in Bergers Werk unzählige Male vorhanden. Die Handschrift des Meisters taucht schon 1978 in «Kunst am Bau»-Entwürfen auf, so etwa für die Nationalbank «1983» und die EPFL «1984). Unter einer Projektskizze steht «für Susi gchriblet».

Ueli Bergers schwarz-weiss Fotos vom «Hommage an das Milchgässli».

1977 wurde Ueli Berger als neues Mitglied der städtischen Kunstkommission mit dem ungelösten Problem an der verkehrstechnisch und stadtplanerisch schwierigen Lage des Bahnhofplatzes konfrontiert und entwickelt gemeinsam mit Freunden ein Konzept: «Kunst fürs Fussvolk, an Stelle einer zentralistischen Grossplastik», wie er es formuliert. Sein eigener Beitrag ist die «Hommage an das Milchgässli» (1983), das er selber mehrfach fotografierte (siehe Abbildung oben).

Die Plastik aus Milchkannen bezog sich auf die Geschichte des Ortes – zwischen Burgerspital und dem alten Bahnhof –, dem ehemaligen Umschlagplatz für die städtische Milchversorgung. Zwanzig Jahre später waren mit der Planung und Umsetzung des Neuen Bahnhofplatzes Bern (2003–2006) die künstlerischen Interventionen der 1980er Jahre in Frage gestellt. Die Stadt Bern klärt 2004 mit Ueli Berger und den anderen Kunstschaffenden ab, ob die Werke versetzt oder entfernt werden. Eine Umplatzierung der «Hommage» scheiterte, eines der prägnantesten Werke der Bergers im öffentlichen Raum, verschwand, was in Bern noch heute sehr bedauert wird.

Modell der «Elipse» in der Berner Staatskanzlei.

Die Gliederung der Ausstellung orientiert sich an der Tatsache, dass verwandte Motive und Ansätze im Werk der Bergers meist wiederholt auftauchen. Eines dieser Motive ist der Kreis. Zu diesem Motiv entstand 1995 eines der aufwändigsten Werke zum Thema «Kunst am Bau», die «Ellipse» in der Staatskanzlei Bern. Drei in Grundriss und Volumen eigenständige Altstadthäuser wurden aus betrieblichen Gründen zusammengeschlossen. Die Aufgabe der «Kunst am Bau» war es, dies auch visuell sichtbar zu machen. Ueli Berger zog in einer leicht schrägen Ebene eine Ellipse durch die drei Gebäudeteile. Sie durchbricht dabei einen Eingangsbereich, den Treppenhof, zwei Lichthöfe, eine grosse Fensterfläche und verläuft ein Stück weit im Freien. Ein faszinierendes Werk.

Foto der Jura-Hügel vor dem Bieler Gymnasium.

Dreidimensionale Elemente, meist einfache Raumkörper, werden zerlegt, nachbearbeitet und umgewandelt, um dann in anderer Gestalt oder in neuen zweidimensionalen Formzusammenhängen in Erscheinung zu treten. So etwa in «Jura» (1980) beim Gymnasium Biel. Zwölf Elemente aus Jurakalkstein nehmen das Motiv des nahen Jurasüdfusses auf. Diese an- und abschwellenden Profilschnitte in modifizierter Dreiecksform sind in regelmässigen Abständen und in einer leichten Krümmung auf dem Schulhausplatz platziert und gleichen in ihrer Form einer Bergkette oder auch einem Rückgrat. Eine verwandte Reihung wurde bei Rückgrat, 1988, für die Psychiatrische Klinik Waldau realisiert, die aus unterschiedlich grossen Findlingen besteht.

Der «Sternbrunnen» in Langenthal.

Beim «Sternbrunnen» (1987) zwischen dem Jura-Park und der Ersparniskasse Langenthal zeichnen die fallenden Tropfen einen Stern auf die Wasseroberfläche. Das Projekt umfasst auch die dazugehörenden Sitzbänke. Das Sternmotiv, das aus dem Dialog zwischen Ueli Berger und dem Architekten des Gebäudes, Hermann Ernst, hervorgegangen ist, findet sich auch im Oberlicht und Boden im Inneren wieder.

Die «Umkehrtreppe» als Modell.

Die «Umkehrtreppe» ist seit den frühen 1970er-Jahren ein kontinuierliches Motiv, das sich zunächst in Bergers Zeichnungen und Grafiken manifestiert, in den 1980er Jahren schliesslich in verschiedenen plastischen Ausführungen aus Holz für temporäre Ausstellungen. Die letzte und grösste Umkehrtreppe wird 1992 in Thun als bleibende Kunst am Bau in Beton realisiert. Anders als bei einem stufenförmigen Podest ist die Umkehrtreppe so angelegt, dass die aufsteigenden Stufen zum Scheitelpunkt hin kippen und sich danach in absteigende Stufen verwandeln – eine Herausforderung für unsere gewohnte (Körper-)Wahrnehmung. Für die Ausstellung wurde eine hölzerne Umkehrtreppe rekonstruiert, die vor dem Kunsthaus steht.

Die blaue Spielskulptur in Gümligen.

Das früheste realisierte «Kunst am Bau»-Projekt der Bergers ist die Spielskulptur vor dem Melchenbühl-Schulhaus in Gümligen (1971). Die blaue Beton-Skulptur konnte vor zwanzig Jahren durch die persönliche Intervention von Susi und Ueli Berger und befreundeten Fachleuten vor der drohenden Entfernung bewahrt werden, wie ein Briefwechsel in der Ausstellung zeigt. Das Kunstwerk erfreut noch heute Jung und Alt in dem Berner Prominentenvorort.

Titelfoto: Ausstellung mit Modellen und Projektszizzen: Vorarbeiten für den «Chribel». Alle Fotos PS. Textauszüge aus der Ausstellungsdokumentation.

Die Langenthaler Ausstellung wurde kuratiert von Raffael Dörig, Mirjam Fischer und Anna Niederhäuser in Zusammenarbeit mit Dan Reusser und Simon Stalder. Schrift und Gestaltung Timeline: Fabian Harb und Dan Solbach. Alle Objekte und Dokumente stammen aus dem Nachlass von Susi und Ueli Berger, Courtesy Verein U+S Berger Kunst/Design.

LINK  Kunsthaus Langenthal

Die Ausstellung im Kunsthaus Langenthal dauert noch bis am 13. November 2022.

Publikation: Susi+Ueli Berger. Kunst am Bau und im öffentlichen Raum 1968–2008. Hrsg. von Raffael Dörig, Mirjam Fischer und Anna Niederhäuser. Verlag Scheidegger & Spiess, 2022. 338 S., ca. 40 Franken. Erhältlich ab Mitte Oktober.

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