StartseiteMagazinKolumnenUnter welchen Voraussetzungen ist Sterbehilfe erlaubt?

Unter welchen Voraussetzungen ist Sterbehilfe erlaubt?

Ein langjähriger aktiver Kollege, mit dem ich in einer über 300-jährigen Organisation Mitglied bin, in der «Freiheit, Gleichheit, Ethik, Moral, Toleranz und Humanität» eine zentrale Rolle spielen, war sein Weiterleben krankheitsbedingt für sich und seine ihm nahestehenden Menschen in Familie und Freundeskreis in keiner Hinsicht mehr lebendwürdig. Er entschied sich aus 100 Prozent nachvollziehbaren Gründen zum selbstbestimmten Abschied von der irdischen Welt. Es versteht sich, dass ich als langjähriges Mitglied von EXIT moralisch und gedanklich den Entscheid seines Freitodes voll und ganz beipflichten konnte. Für Jung und Alt, insbesondere für Personen mit einer Krankheit die für die betroffene wie auch die Mitmenschen unerträglich wird, ist und wird die Fragestellung zugunsten der Sterbehilfe zu einer permanenten Thematik.

Es bleibt eine Tatsache, dass Diskussionen um das Thema Sterbehilfe in der Regel sehr emotional geführt werden. Die Frage, ob jemand das Recht hat, von seinem bzw. ihrem unheilbaren Leiden «erlöst» zu werden, berührt allemal Grundfragen des Menschseins in existenzieller Weise. Wir alle wollen selbstbestimmt und lange leben. Doch was ist selbstbestimmtes Sterben? Ein selbstbestimmter Tod kann angesichts einer Medizin, die ein Leben um viele Jahre verlängern kann, eine wünschenswerte Option sein. Aber wer entscheidet, welche Leiden ertragbar sind und welche nicht? Wie sieht ein würdevolles Lebensende aus? Und was heißt eigentlich «selbstbestimmt»?

Die Schweiz ist bekannt für ihre liberalen Regelungen zur Suizidhilfe. Was in diesem ethisch heiklen Bereich zulässig sein soll, bedarf durchaus einer sorgfältigen Abwägung. Der Wunsch, das eigene Leben zu beenden, hat vielfach einen komplexen Hintergrund.  So hängt dieser nicht nur von der Erkrankung selbst und der damit zusammenhängend verminderten Lebensqualität ab. Ausgangspunkt und grundlegende Rechtfertigung der Suizidhilfe und der Sterbehilfe ist das Recht auf persönliche Freiheit und Selbstbestimmung. Dieses ist in der Schweizerischen Bundesverfassung und der Rechtsprechung zur Europäischen Menschenrechtskonvention garantiert. Es umfasst neben dem Recht, über das eigene Leben zu bestimmen, auch das Recht, dieses freiwillig zu beenden. Niemand kann dazu gezwungen werden, gegen seinen freien Willen weiterzuleben. Jedes Individuum soll in Freiheit seinen Entscheid fällen können und jene Hilfe suchen, die er bei noch voller Zurechnungsfähigkeit braucht.

Um ein würdevolles Lebensende zu gewährleisten, entschliessen sich Patientinnen und Patienten mitunter dazu, Dienstleistungen von Sterbehilfeorganisationen in Anspruch zu nehmen. Diese bieten neben Beratung und Begleitung für sterbewillige Personen und Angehörige auch einen Rahmen für den sogenannten «medizinisch assistierten Suizid». Dabei handelt es sich um die Abgabe eines ärztlich verordneten Sterbemittels (in der Regel Natrium-Pentobarbital), das durch die sterbewillige Person selbst einzunehmen ist. Im Vergleich mit anderen Suizidhandlungen zeichnet sich dieses Verfahren durch seine hohe Sicherheit, Schmerzlosigkeit und strenge Kontrollmassnahmen aus.

In wohl nahezu allen Fällen wirken auch Sterbehilfeorganisationen am assistierten Suizid mit. Die bekanntesten Organisationen in der Schweiz sind EXIT und DIGNITAS. Dabei handelt es sich um zwei gemeinnützige Vereine. Sie bezwecken, ihren Mitgliedern und anderen Personen ein menschenwürdiges Leben sowie auch Sterben zu ermöglichen. Dazu bieten sie in enger Zusammenarbeit mit Ärzten, medizinischen Fachpersonen, Kliniken und Spitälern Beratung zu Fragen rund um das Lebensende, Patientenrechte und Suizidprävention an. Zudem treten sie im rechtspolitischen Diskurs prominent für liberale Positionen zum Thema Suizidhilfe auf.

Fakt ist, dass die Person mit dem Wunsch und zum Entscheid des assistierten Suizids in jedem Falle urteilsfähig sein müssen. Falls ein Zustand vorliegt, der häufig mit fehlender Urteilsfähigkeit verbunden ist (Beispiel Demenzerkrankung), ist dieser durch einen Facharzt zu evaluieren. Da es sich beim Freitod um eine besonders folgenschwere Entscheidung handelt, ist an die Urteilsfähigkeit sowie deren Dokumentation ein höherer Massstab anzulegen als bei einfachen, alltäglichen Belangen.

Praktizieren Freitodbegleitungen über EXIT & Co.

Seit Jahrzehnten setzt sich beispielsweise EXIT für die Eigenverantwortung in der letzten Phase des Lebens und für leidende Menschen ein. Mit über 145 000 Mitgliedern ist sie eine der grössten Vereinigungen der Schweiz. EXIT schützt seine Mitglieder bei Krankheit und Unfall vor Behandlungswillkür, ist in schwierigen Lebenssituationen für sie da und unterstützt sie, sollten sie dereinst Ihr Selbstbestimmungsrecht ausüben. Wir stellten der ehemaligen National- und Ständerätin Anita Fetz und Vorstandsmitglied von EXIT Schweiz Fragen zur Freitodbegleitung.

Frau Fetz, ist die Begleitung eines Sterbewilligen grundsätzlich nicht legal, sondern lediglich «straffrei»?

Anita Fetz: Fakt ist: Das Recht, Art und Zeitpunkt des eigenen Sterbens zu bestimmen, kommt grundsätzlich allen Menschen in der Schweiz zu. Strafbar macht sich allein, wer jemandem nur deshalb beim Suizid hilft, weil er vom Tod profitiert. Im Laufe der Jahre kamen weitere anwendbare Gesetze und Entscheide dazu. Die mitmenschliche Begleitung eines Sterbewilligen ist damit seit Jahrzehnten in der der ganzen Schweiz legal.

Besteht nicht eine Gefahr, dass ältere Menschen von den Angehörigen entsorgt werden?

Die Sterbewilligen müssen normalerweise zuerst die Angehörigen überzeugen, sie sterben zu lassen. Zudem gehört es zur seriösen Abklärung vor einer Freitodbegleitung festzustellen, dass ein Sterbewunsch ohne äusseren Druck durch einen freien Entscheid zustande gekommen ist».

Der politische Einsatz für den «Altersfreitod» – erleichterter Zugang zum selbstbestimmten Sterben für sehr alte Menschen – setzt doch ein falsches Zeichen und signalisiert Hochbetagten, sie sollten sich selbst «entsorgen»?

EXIT engagiert sich dafür, dass betagte Menschen mit Sterbewunsch einen einfacheren Abklärungsprozess durchlaufen müssen als etwa eine 40-jährige sterbewillige Person. Solche Erleichterungen signalisieren keinesfalls, dass das Leben im Alter nicht lebenswert ist und führen auch nicht zu mehr Freitodbegleitungen – sie führen aber zu einem menschlicheren Ablauf für Hochbetagte, die sich nicht vorschreiben lassen wollen, wie sie zu sterben haben und wieviel Leid sie vorher noch ertragen müssen. Das Selbstbestimmungsrecht über Leben und Tod des Menschen gehört zu unserem ethischen Grundsatz.

Als Randbemerkung: Am kommenden 27. November 2022 entscheidet sogar der Souverän des katholischen Wallis an der Urne über ein Gesetz (GPCBSIE) vom 10.03.2022 über die Palliative Care und die Rahmenbedingungen für Beihilfe zum Suizid in Institutionen und Einrichtungen:  Ein Gesetz also, das den Respekt der Selbstbestimmung für den Zugang zu assistiertem Suizid ermöglicht. Die Beihilfe zum Suizid gestattet es Menschen am Lebensende oder Menschen, die an einer schweren unheilbaren Krankheit oder Unfallfolgen leiden, ihr Leben zu einem selbstgewählten Zeitpunkt mit Hilfe von Personen zu beenden, die diese Art von Hilfe anbieten.

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