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Als die Helvetische Republik entstand

An der Entstehung der Schweiz ist Napoleon Bonaparte ganz wesentlich beteiligt. Thomas Schuler zeigt in seinem aktuellen Buch «Napoleon und die Schweiz» dessen Werdegang, und wie der grosse Feldherr die Schweiz in seine Herrschaft integrierte.

Ohne Napoleon gäbe es die Schweiz in ihrer heutigen Form nicht. Der Erste Konsul und spätere Kaiser der Franzosen kann zweifellos als eine der wichtigsten Persönlichkeiten in der Geschichte der Schweiz bezeichnet werden. Als junger Feldherr wirkte er massgeblich darauf hin, dass französische Truppen 1798 die alte Eidgenossenschaft besetzten und daraufhin die Helvetische Republik, die Confoederatio Helvetica entstand.

In seinem Vorwort nennt der Autor kurz die historisch wichtigen Schritte, die in der Schweiz zwischen 1798 und 1815 zur Bildung eines modernen, föderalistischen Staatswesens führten. Dann aber beginnt er buchstäblich am Anfang bei der vielleicht ersten Begegnung des damals noch unbekannten 22-Jährigen mit Schweizern, den Leibgardisten des französischen Königs. Sie bewachten den Sitz des Königs, als die rasenden Revolutionsanhänger die Tuilerien stürmten. Die Schweizer wurden überrannt und umgebracht. Dies der furiose Beginn des Buches. Der Autor zitiert Napoleon, der später bemerkte, dass die folgenden Schlachtfelder ihn weniger beeindruckten als die Menge toter Schweizer.

Föderalismus dank Napoleon

Zunächst stand es auf Messers Schneide, ob die Schweiz wie Venedig, Polen und hunderte deutsche Länder unwiederbringlich von der europäischen Landkarte verschwinden sollte. Als Napoleon die alte Eidgenossenschaft 1798 erobern liess, brach diese zusammen. Wir lesen, wie sich der General von Italien her der Schweiz näherte. Schon damals scheint er den Plan gefasst zu haben, eine Helvetische Republik zu schaffen, von der noch kein Schweizer eine Ahnung hatte. Wir folgen dem selbstbewussten Feldherrn nach Genf, wo er prunkvoll empfangen wird, und nach Lausanne, wo man jubelte, weil Napoleon der Waadt versprach, sie von der Berner Herrschaft zu befreien.

Jacques-Louis David (1748-1825), Bonaparte franchissant les Alpes au Grand-Saint-Bernard (entstanden 1805) / commons.wikimedia.org – Jacques Louis David, berühmt als Hofmaler und später als Maler der Französischen Revolution, malte dieses Bild in mehreren Variationen. Nur die Farbe des Umhangs änderte er.

In Bern war Napoleon nicht mehr bei seinem Heer, als dieses wiederum nach blutigen Kämpfen den reichen Goldschatz des Berner Staates konfiszierte und nach Paris transportieren liess. Der Goldraub wurde für Bern ein traumatisches Ereignis. Napoleon war vor allem daran interessiert, wann das Gold in Paris ankommen würde und in welcher Währung. All denen, die sich gegen die alte Ordnung erheben wollten, sicherte er Unterstützung zu. Damit zerfiel die alte Form der Tagsatzung schnell.

Sonderfall Schweiz

Schuler beschreibt den Fortgang der Ereignisse. Wie die neue Ordnung verwirklicht wurde, darüber schreibt er vergleichsweise wenig. Für den Autor bleibt Napoleon die Hauptperson. Auf Verlangen Napoleons entstand mit der Mediationsakte von 1803 ein Staatenbund gleichberechtigter Kantone, der in den französischen Machtbereich eingegliedert wurde. Mit der Gründung von sechs neuen Kantonen verhinderte er einen Bürgerkrieg und schuf gleichzeitig die Grundlage für die moderne Schweiz. Persönlich mischte er sich allerdings wenig ein, im Unterschied zu den italienischen Ländern. Auch wurde der Plan, die Schweiz dem neu geschaffenen Königreich Baden einzuverleiben, nicht realisiert, zum Glück für die Schweizer. Schuler erklärt, wie die folgenden Jahre bis zum Wiener Kongress die Schweiz nachhaltig prägen. Der Autor zitiert Napoleon, den Korsen, der sich als «geborener Bergbewohner» gefühlt habe und sich in den Geist der Schweizer gut einfühlen könne.

Napoleon hatte am 12. Dezember 1802 an den Ausschuss der helvetischen Konsulta geschrieben, die in Paris die Mediationsakte vorbereiten sollte: «Glückliche Ereignisse haben mich an die Spitze der französischen Regierung berufen, und doch würde ich mich für unfähig halten, die Schweizer zu regieren.» – Es war eine taktisch kluge Bemerkung des grossen Franzosen, den Unterhändlern unter französischer Leitung eine Regierungsform zu unterbreiten, der die Schweizer zustimmen konnten.

Die Schweiz sei keinem anderen Land ähnlich, weder im Geschichtsverlauf noch hinsichtlich der geografischen und topografischen Lage, der verschiedenen Sprachen, Konfessionen und Sitten. Das alles fördere eine föderalistische Ordnung für die Schweiz.

Erste Gesamtdarstellung zu Napoleons Wirken in der Schweiz

Dieses Buch ist die erste Gesamtdarstellung zu Napoleons Wirken in der Schweiz. Gestützt auf Archiv- und Literaturrecherchen und Besuche an historischen Schauplätzen legt Thomas Schuler dar, wie bedeutend Napoleon für die Schweiz war und wie viel aus dieser Zeit bis heute wirksam ist.

Die Erzählung von Napoleons Zügen durch die Schweiz und Europa bildet den roten Faden des Buches. Dabei ist Napoleon nicht immer selbst beteiligt. Das Massaker von Stans fand statt, als Napoleon sich in Kairo aufhielt. Es ist jedoch ein wichtiges Momentum der Geschichte um die Entstehung der Helvetischen Republik.

Auch die tragischen Ereignisse 1799 um die russische Armee unter Suworow gehören in diesen Zusammenhang. Damals konnte sich die Schweiz, ohne Kriegspartei zu sein, dem Krieg der «alten», absolutistischen Mächte gegen Napoleon nicht entziehen. Desgleichen gehört Napoleons Überquerung der Alpen über den Grossen St. Bernhard zu den Geschehnissen, über die man in der Schweiz bestens Bescheid weiss. Napoleon selbst setzte sich dort in Szene in der Absicht, sich auf die gleiche Stufe wie andere Herrscher zu stellen. Zahlreiche Darstellungen zeugen davon.

Adolph Northen (1828-1876), Napoleons Rückzug von Moskau / commons.wikimedia.org

Schliesslich wurde der Kaiser auf seinem Zug nach Russland von Schweizer Soldaten begleitet, die freiwillig oder gezwungenermassen in den Krieg zogen und das Debakel im russischen Winter erlebten. Das Beresina-Lied, das wohl bekannteste Lied aus jener Zeit, zeugt davon.

Ein Detail übertrifft noch die Nähe von Schweizern zu Napoleon: Als dieser auf die Insel St. Helena verbannt war, war ein Schweizer Diener, ein Walliser, bei Napoleons Tod anwesend. Aus Treue zu seinem Dienstherrn nahm er eine Stirnlocke als Erinnerung mit, die zwei Jahrhunderte später dazu beitrug, Napoleons Todesursache genauer zu definieren.

Der Autor: Thomas Schuler, 1970 in Ulm geboren, gilt als einer der führenden Napoleon-Experten. Er studierte Mittlere und Neuere Geschichte, Alte Geschichte und Politikwissenschaften. Seit 2003 arbeitet er als freiberuflicher Historiker mit dem Schwerpunkt Napoleon Bonaparte. Er schrieb für zahlreiche deutsche, österreichische und italienische Zeitungen und Zeitschriften zum Thema.

Thomas Schuler: Napoleon und die Schweiz. NZZ Libro, Basel, 2022.
296 Seiten, gebunden; ISBN 978-3-907291-85-6

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