Ende Februar geht der stellvertretende Staatssekretär, langjährige Diplomat und erfahrene Krisenmanager Johannes Matyassy in Pension. Im Gespräch mit Seniorweb blickt der Berner zurück auf seine Karriere und in die Zukunft.
Dass er im Amt eines stellvertretenden Staatssekretärs im Eidgenössischen Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) in Rente gehen darf, erfüllt ihn mit grosser Genugtuung. Damit hätte er nie gerechnet, verrät Johannes Matyassy. Doch als sich im Januar 2021 die Gelegenheit bot, zögerte er nicht. So fiel es ihm auch nicht schwer, über seinen 65. Geburtstag hinaus zu arbeiten und das ganze Präsidialjahr 2022 seines Chefs, Bundesrat Ignazio Cassis, mit zu erleben.
Johannes Matyassy studierte an der Universität Bern Volkswirtschaft und schloss das Studium 1984 als lic.rer.pol ab. 1985 trat er in die Bundesverwaltung ein, wo er zuerst im Integrationsbüro EDA/EDV und später im Bundesamt für Aussenwirtschaft (BAWI) erste Erfahrungen sammelte. 1987 bis 1990 leitete er die Wirtschafts- und Handelsabteilung der Schweizer Botschaft in Argentinien. 1995 berief ihn der damalige FDP-Bundesrat Jean-Pascal Delamuraz zu seinem persönlichen Mitarbeiter. Diese 2,5 Jahre prägten ihn sehr, wie er sich erinnert: «Meine Vorgesetzten waren für mich immer auch Vorbilder.»
FDP und dann PRS
Von 1997 bis 2000 war Matyassy als Generalsekretär der Freisinnig-Demokratische Partei tätig. 1996-2004 war er Mitglied des Grossen Gemeinderates von Muri, den er 2002 präsidierte. Mehrere Jahre wirkte er zudem als Fraktionschef. 2004 – 2010 war er Präsident der FDP des Kantons Bern.
«Die Organisation «Präsenz Schweiz» bringt alle Organisationen an einen Tisch, die für das Image der Schweiz im Ausland besorgt sind.» Foto Wikipedia.
Im Jahr 2000 wurde er zum ersten Direktor von «Präsenz Schweiz» (PRS) ernannt. Diese Aufgabe erfüllte er mit grosser Überzeugung: Als Teil des EDA ist die PRS für den Auftritt der Schweiz im Ausland zuständig und setzt dabei die Strategie des Bundesrats für die Landeskommunikation um. «Sie bringt alle Organisationen an einen Tisch, die für das Image der Schweiz im Ausland besorgt sind. Für die Schweizer Botschaften im Ausland ist die PRS eine geschätzte finanzielle, und materielle Unterstützung. So organisiert sie regelmässig die «Houses of Switzerland», erläutert Matyassy deren Mehrwert.
2011 löste der Diplomat Carla Del Ponte als Botschafter in Argentinien ab und hielt diese Funktion bis Ende 2014 inne. Nach seiner Rückkehr leitete er bis 2018 die Abteilung Asien und Pazifik des EDA und amtierte anschliessend als Direktor der konsularischen Direktion. Im Januar 2021 wurde er zum stellvertretenden Staatssekretär des Staatssekretariats im EDA ernannt.
«Gute Dienste» der Schweiz
Dass die Schweiz seit Beginn dieses Jahres als eine von fünfzehn Nationen dem UNO-Sicherheitsrat angehört, hat für ihn nicht nur symbolischen Wert. «Wir können in diesem Gremium unsere grosse Erfahrung, unsere Unabhängigkeit, Glaubwürdigkeit und unser Netzwerk einbringen.» Matyassy ist überzeugt, dass die Schweiz mit ihrer jahrzehntelangen Erfahrung als «unabhängige Vermittlerin», mit ihrem Angebot der «Guten Dienste», von der internationalen Gemeinschaft ebenso geschätzt wie respektiert wird.
Die grössten Herausforderungen für unser Land sieht der Diplomat im Verhältnis der Schweiz zur Europäischen Union sowie in der Bewältigung der globalen Krisenthemen Ernährung, Klimawandel, Ukraine-Krieg und weiterer Bürgerkriege. «Die Arbeit wird dem EDA auch nach meiner Pensionierung nicht ausgehen», sagt er mit einem Schmunzeln.
Krisenmanager während der Corona-Pandemie
Bereits während der Corona-Epidemie hatte er alle Hände voll zu tun. Bei Ausbruch von COVID-19 befanden sich zehntausende Schweizerinnen und Schweizer im Ausland auf Reisen. In einer ersten Phase forderte das EDA sie auf, selbständig ihre Rückreise zu organisieren und dabei kommerzielle Reisemöglichkeiten zu nutzen. Als dies aufgrund der Reisebeschränkungen in vielen Ländern nicht mehr möglich war, organisierte das EDA Rückholflüge von den Gebieten, in denen sich besonders viele Schweizer Reisende aufhielten. Zuständig hierfür war die von Matyassy geleitete Konsularische Direktion. Dazu gehört auch die Helpline EDA, die im Zusammenhang mit der Coronavirus-Krise zehntausende Anrufe und E-Mails von Schweizerinnen und Schweizern zu bearbeiten hatte.
Der Ex-Diplomat will auch in der Pension viel reisen. Foto ES VICIS Foundation
Für Matyassy hat sich die Organisation bewährt: «Die Krise zeigte in meinen Augen eindrücklich, welches der Wert unseres Vertretungsnetzes mit rund 170 Auslandvertretungen und 210 Honorarvertretungen ist: Nur durch diese breite, fast weltweite Präsenz war es uns möglich, rasch und auf die lokalen Gegebenheiten abgestufte Massnahmen zu ergreifen und unkomplizierte, effektive Unterstützung zu leisten, wo dies erforderlich war.» Zusätzlich zu den Schweizer Touristen im Ausland beriet Matyassys Direktion auch viele der 700 000 Auslandschweizerinnen und Auslandschweizer, die in ihren Ländern von Corona ebenso überrascht wurden.
Reisen und Familienarchiv
In Zukunft will Matyassy ruhiger treten, sich aber nicht ganz aufs Altenteil zurückziehen. Als erfahrener Krisenmanager steht er dem EDA weiterhin in einem Pool für punktuelle Sonderaufgaben zur Verfügung. Zudem will er privat reisen: Seit 2014 war er nie mehr in Argentinien. Ausserdem locken Länder in Asien, und er plant verlängerte Städtereisen innerhalb von Europa. «Ich strebe eine gute Balance zwischen Verpflichtungen und Freiraum an», sagte er im Gespräch mit Seniorweb. Dazu gehört auch die Aufarbeitung des Familienarchivs, das seit dem Tod seines Vaters vor 25 Jahren nicht mehr regelmässig gepflegt wurde.
Institutionell bleibt Matyassy Vorstandsmitglied der «ES VICIS Foundation», einer Stiftung, welche die weltweit grassierende Landflucht bremsen und das Leben ausserhalb der grossen Städte aufwerten möchte. Der bernischen FDP bleibt der Neo-Pensionär vorerst in beratender Funktion erhalten.
Titelbild: Johannes Matyassy vor der Kirche Muri (BE). Foto PS.
Mit diesem interessanten Ex-Diplomat und Kenner des EDA würde ich gerne bei einem lockeren Zvieri über die Schweiz der Zukunft reden. Ich würde gerne erfahren was er über Europa, die UNO und unsere Neutralität denkt. Leider bin ich nur ein unbedeutender Schreiberling, ohne UNI-Abschluss, und werde deshalb diese Idee schnell wieder vergessen.