Seit dem 3. März 2023 ist die Wanderausstellung «Auf der Suche nach der Wahrheit» des Vereins «Journalistory» im Polit-Forum Bern und im Kulturmuseum St.Gallen zu sehen. Bis 2025 wird sie in zehn weiteren Städten gezeigt.
Die Digitalisierung hat die Medienlandschaft und damit die Art und Weise, wie wir uns informieren, nachhaltig verändert. Es sind nicht mehr nur die «medialen Leuchttürme» wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk, grosse Mainstream-Medien wie NZZ, Tagesanzeiger, Der Bund, Blick, oder kleine Lokalzeitungen wie der Frutigländer oder der Saanenländer, die Informationen und Meinungen transportieren.
Heute kann jeder und jede Verleger, Verlegerin, Publizist, Publizistin oder Redaktor, Redaktorin spielen: Auf einem privaten Blog, in den sozialen Medien, auf YouTube oder gar via einen eigenen Streaming-Kanal. Was früher redigierte Leserbriefe waren, sind heute Online-Kommentare, in denen mehr oder weniger hitzig gestritten wird.
Durch diese Entwicklung begünstigt wird die Verbreitung von Fakenews durch Regierungen, bezahlte «Trolls», aber auch durch Institutionen sowie Privatpersonen. Gewiss: Auch im analogen Zeitalter gab es schon Versuche, der Öffentlichkeit gezielt Falschinformationen unterzujubeln. Dank der Redaktionspflicht von Journalistinnen und Journalisten wurde die Publikation von falschen Tatsachen jedoch häufiger unterbunden, als dies heute geschieht.
Videointerviews mit Medienschaffenden geben Einblick in das journalistische Handwerk.
Die Strukturkrise der Schweizer Medien, die finanziellen Herausforderungen der Verlage und die rasante Ausbreitung von Fakenews sind eine Bedrohung für den demokratischen Meinungsbildungsprozess. Informiert zu sein, die Fakten zu kennen, ist zentral für eine offene Gesellschaft. Zutreffende, vielfältige Informationen sind die wichtigste Voraussetzung für faire politische und gesellschaftliche Debatten, für die Entscheidungsfindung der Bürger und Bürgerinnen. Die öffentliche Diskussion – ermöglicht, vermittelt und moderiert durch Journalistinnen sowie Journalisten – ist unverzichtbar für eine funktionierende Demokratie. Gleichzeitig brauchen wir Informationen, um unser Leben zu organisieren und uns in der Gesellschaft zu orientieren.
Die Digitalisierung hat neue Fragen auf den Tisch gebracht: Wem kann der Zeitungsleser, die Leserin, der Online-Nutzer, die Nutzerin noch glauben? Welche Regeln zeichnen einen seriösen Journalismus aus? Wie kann ein ungeschulter Laie heimtückische Fakenews erkennen? Ist es möglich, durch gezielte Falschinformtionen eine Volksabstimmung zu manipulieren? Mit diesen und anderen Fragestellungen beschäftigt sich die Wanderausstellung «Auf der Suche nach der Wahrheit». Seniorweb hat die Schau im Polit-Forum Bern besucht und die interaktiven Angebote getestet.
Ein Presseausweis fürs private Fotoalbum sowie die Rangliste der letzten Spielerinnen und Spieler sind Teil der Schau.
Positiv ist, dass die Ausstellung spielerisch sowie partizipativ der Frage nachgeht, wie Informationen «gemacht» werden und wie wichtig sie für unsere Meinungsbildung und unser Leben sind. Im Team testen die Besucherinnen und Besucher ihre Medienkompetenz, sammeln Punkte, recherchieren gemeinsam eine journalistische Story und publizieren diese als Artikel. Wer den Parcours bis zum Ende mitmacht und besteht, kann sich einen Presseausweis ausdrucken. Ein journalistischer Wettbewerb rundet das Ganze ab.
Strukturiert ist die Medienausstellung in drei Kapitel: «Wer ist dabei?» «Wie kommen Themen auf den Tisch.» «Wie entscheiden wir gemeinsam?»
Die späte Einführung des Frauenstimmrechts, die EWR-Abstimmung (Ohrfeige für die Elite), der Fall von Bundesrätin Elisabeth Kopp, die Jagd nach dem Scoop im Fall von Botschafter Jagmetti, die Enthüllung der Panama-Papers, die Falschinformationen während der Corona-Pandemie und das Massaker in der ukrainischen Stadt Butscha (Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine) dienen als anschauliche Beispiele, wie Informationen zu politischen Zwecken ungeprüft verbreitet werden. Eine Stärke der Ausstellung ist es, ganz persönliche Erfahrungen auf der Suche nach der Wahrheit zu machen. Die Tafeln, Videos und das interaktive Spiel vermitteln Wissen sowie Instrumente, um sich selbst besser orientieren zu können im Wildwuchs von Information und Desinformation.
Blick in den «Escape Room»: Simulierte Recherchen im Fall Kopp.
Ein besonderes Erlebnis bietet der Newsroom, eine Art «Escape Room». Hier können Besucherinnen und Besucher als Team eine journalistische Geschichte (den Fall Kopp) recherchieren und am Schluss einen Artikel publizieren. Aber Vorsicht: Bereits der Einstieg, das Login in den Computer des federführenden Reporters, zwingt zu kreativer Denkarbeit. Begleitet werden die Spielerinnen und Spieler auf dem TV-Monitor durch eine fingierte Chefredaktorin und einen weiteren Redaktionskollegen. Wer mit journalistischer Sachkenntnis und der nötigen Portion Neugier Schritt für Schritt den Tatsachen auf den Grund geht, auf die Publikation von zweifelhaften Informationen verzichtet und unbekannte Quellen doppelt prüft, kommt nach 25 Minuten ans Ziel. Wer scheitert und einen Fehler begeht, wird von der Chefredaktorin entlassen.
Im obersten Stock des «Demokratieturms» erzählen Medienschaffende in Videobeiträgen von ihren Erfahrungen und reflektieren die Herausforderungen und den Reiz ihres Berufs. Ein wichtiges Zielpublikum der Ausstellung sind Schulklassen der Oberstufe. Eine minimale Medienkompetenz durch gute Vorbereitung ist gerade für jüngere Besuchende unabdingbar. Sonst wird das Herumdrücken an den Displays zum «Try-and-Error»-Experiment, das zwar lustig, aber nicht zielführend ist. Die Rahmenbedingungen der Quizes und des «Escape Rooms» sind komplex und erfordern Vorwissen sowie ein hohes Mass an Konzentration. Ohne Begleitung und Instruktion sind Schülerinnen und Schüler verloren.
Das Logo der Ausstellung
Nichtsdestotrotz ist die Ausstellung wertvoll für die staatskundliche, medientechnische und demokratiepolitische Sensibilisierung der Jugend. Auch Erwachsene werden mit den Chancen und Risiken neuer, journalistischer Entwicklungen konfrontiert. Die Schau wird begleitet von einer Veranstaltungsreihe zum Thema.
Partner bei der Konzeption waren u.a. das <Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft> der Universität Zürich (fög), das Medieninstitut, die Agentur Keystone SDA / ATS und das Archiv für Zeitgeschichte der ETH Zürich.
Titelbild: Lukas Hüpfer, Geschäftsleiter des Polit-Forum Bern: «Wir kratzen an der Oberfläche und schauen dorthin, wo man gewöhnlich betriebsblind vorbeiläuft und verfolgen so die Entwicklungen der Demokratie mit ihren Visionen und Konflikten.» Fotos PS
LINK
Webseite zur Ausstellung «Auf der Suche nach der Wahrheit»
Aktuelle Ausstellungsorte:
- Polit-Forum Bern März bis 24. Juni 2023.
- Kulturmuseum St. Gallen März bis 2. Juli 2023
Die nächsten Ausstellungen
- Médiathèque Martigny, Juli bis 29. Oktober 2023
- Museum Schaffen Winterthur, Juli bis 29. Oktober 2023
Die Qualität und die Wichtigkeit der Wahrheit von Informationen der Journalistinnen und Journalisten weltweit verbreiten, bekommen jetzt eine ganz neue Dimension, wenn wir an KI (künstliche Intelligenz) und das Neuste, ChatGPT (Generative Pre-trained Transformer), denken. Letzteres ist ein Chatbot, der künstliche Intelligenz einsetzt, um mit Nutzern über textbasierte Nachrichten zu kommunizieren.
Gott bewahre uns vor den Abgründen dieser Technologie-Geister, die wachgerufen wurden!