«Gut war der Tag»

Barbara Sutter (1973), Bergbäuerin am Schamserberg in Mittelbünden, bewirtschaftet mit ihrem Mann Werner einen Betrieb mit 35 Hektaren Grasland. Wir sagen uns Du, weil das förmliche Sie hier oben auf gut 1500 Meter über Meer künstlich wäre. Bei Barbara kaufe ich regelmässig Eier, Käse und Fleisch im Hofladen.

Beim Gespräch mit Seniorweb zuhause in der Wohnküche: Bergbäuerin Sutter

Barbara, was kommt dir in den Sinn wenn ich nach dem Sommer frage?

Barbara Sutter: Sommer ist, wenn das Vieh weg ist, und der Stall zuhause leer ist. Sommer heisst auch Heuen und Wärme. Ich mag alle Jahreszeiten. Den Sommer so bald er begonnen hat und wir unsere Arbeit gestartet haben. Wenn ich schon im Frühjahr an den Sommer denke, bin ich auch ein bisschen besorgt, denn die Heuernte bedeutet viel Arbeit. Aber wenn es losgeht, wenn der Sommer da ist, ist es schön.

Wie sieht dein Arbeitstag während der Heuernte aus?

Für mich bedeutet die Arbeit auf den Wiesen vor allem Rechen. Von Hand oder mit der Maschine. Neuerdings habe ich auch angefangen zu zetten, damit Werner länger mähen kann. Zetten bedeutet, mit dem Kreiselheuer die recht kompakte und noch feuchte Mahd so aufzuwirbeln, dass das Gras gut trocknet.

Dichter Nebel verdeckt die Sicht auf die Berge. Aber Barbara Sutter auf dem Kreiselheuer weiss, das ändert bald.

Deshalb fahre ich schon am Vormittag aufs Feld, während ich früher jeweils Mittag kochte fürs Essen auf der Heuwiese, vor allem als die Kinder noch klein waren. Nachmittags geht es dann ums Heu einbringen, Schwaden machen und mit dem Ladewagen aufnehmen, in den Heustall fahren und abladen.

Die schönsten Blumenwiesen werden zu besonders wertvollem Futter für das Vieh.

Ich bin viel auf den Maschinen, neben dem Zetten mache ich die Mähdli, und reche später von Hand, wenn Werner das Heu auflädt.

Heute scheint das Wetter gut, es ist zwar neblig, aber nachmittags wird sich die Sonne zeigen. Trotzdem, wie sieht der Sommer an einem Regentag aus?

Dann kann ich zuhause das erledigen, was liegengeblieben ist oder auch vorbereiten für die nächste Periode mit gutem Wetter. Was ohnehin täglich bleibt, ist die Hennen besorgen, nach den Kälbern schauen, die nicht auf die Alp konnten, weil sie noch zu klein sind. Natürlich gibt es auch einen kleinen Gemüsegarten, Beerenstauden und meine Blumen rund ums Haus.

Zmittag gibt es während der Heuernte auf dem Feld. Diesmal hat Barbara Sutter schon am Vormittag zuhause einen Hörnlisalat zubereitet.

Wenn es regnet nehme ich mir vielleicht auch einfach frei, die letzten zwei oder drei Sonntage haben wir Heu eingebracht, dann wird ein Regentag auch zum Frei-Tag. Manchmal treffe ich mich mit jemandem oder ich gehe meine Eltern besuchen. Sie leben in Jenaz im Prättigau, immer noch dort, wo ich aufgewachsen bin. Der Vater ist stark gealtert, die Mutter hat sich nach schwerer Krankheit wieder gut erholt. Sie kocht für unseren Hofladen die Konfitüren ein und freut sich, noch etwas Sinnvolles tun zu können. Sonst verkaufen wir dort Eier, im Herbst Käse von der Alp, Fleisch und Würste vom Rind und vom Alpschwein.

Kurze Erholungspause unter dem berühmtesten Berg Mittelbündens, dem Piz Beverin.

Der Hofladen läuft recht gut. Viele Leute mit Ferienhäusern kaufen regelmässig bei uns, manche rufen an und bestellen beispielsweise vor Weihnachten ein Fleischpaket. Im Sommer wird oft was kleines gekauft, das scheint trendy, das machen auch wir, wenn wir unterwegs sind.

Wie kommt eine Bauerntochter aus dem Prättigau zu einem Jungbauern vom Schamserberg hinter der Viamala?

Meinen Mann Werner bin ich beim Skifahren begegnet, es war in Splügen, er arbeitete am Lift und ich fuhr damals noch leidenschaftlich gern Ski. Auch heute gehen wir im Winter auf die Pisten. Eine unserer beiden Töchter hat als Kind und Jugendliche im Skiclub richtig trainiert. Das war auch für uns anstrengend und ziemlich teuer, denn ich brachte sie mit dem Auto zum Training, mein Mann jeweils am Wochenende zu den Skirennen. Heute arbeitet sie als Gruppenleiterin in einer Kinderkrippe. Die andere Tochter hat sich nach einer KV-Lehre zur Sachbearbeiterin Immobilien weitergebildet.

Auch nach dem Grasschnitt ist eine Heuwiese voller Leben.

Wieviele Helferinnen und Helfer habt ihr auf dem Feld?

Bei der Heuernte arbeiten wir zu dritt, Werners Vater, der Tat, kommt immer mit, er wird 86 Jahre alt, aber er könnte gar nicht zuhause sein, wenn Heuernte ist. Die Kinder sind erwachsen und berufstätig. Aber wenn wir sie fragen, kommen sie. Der Sohn wird eines Tages den Hof übernehmen, er hat die landwirtschaftliche Schule hinter sich, danach noch Zimmermann gelernt und arbeitet jetzt vollzeitlich.

Skabiosen, Johanniskraut, Federnelken, Wiesenknopf – über 60 Blumenarten wurden auf Sutters Wiesen gezählt.

Man hat heute viele Maschinen, daher braucht es nicht mehr so viele Arbeitskräfte beim Heuen. Freilich sind manche Maschinen nicht so angenehm für die anderen, beispielsweise wenn man mit dem Laubbläser das Heu ein steiles Bord hinunterbringt oder aufwärts bläst statt es mühsam mit dem Handrechen zu tun. Dazu tragen wir natürlich einen Gehörschutz, wobei ich jeweils gern Hörbücher konsumiere.

Bücher hören unterm Gehörschutz – der Lärm des Bläsers stört nicht, und fürs Bücher lesen zuhause fehlt im Sommer die Zeit.

Heute kann man auch schneller arbeiten, weil das Heu dank der Heutrocknungsanlage auf dem Heustock nicht mehr ganz so dürr sein muss wie einst. Kurz – die Maschinen sind grösser, es geht alles schneller. Auch die Klimaerwärmung nützt uns vorerst. Es ist wärmer hier oben, es wächst besser, das Gras ist früher reif. Wasser ist vorerst noch kein Thema hier. Hier bei uns oben ist die Klimaerwärmung so lange kein Problem, so lange noch das Wasser kommt, aber je tiefer man geht, denke ich, dass man das nicht mehr in den Griff bekommt, wenn man so weiterfährt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Kühe mit ihrem Methanausstoss das grosse Problem sind, wenn ich sehe, wie alle ständig mit dem Flugzeug verreisen und alles auf der Welt gesehen haben müssen. Das, denke ich mir, ist das grössere Problem, nämlich dass jeder alles haben muss.

Welche Tätigkeit ist dir die liebste, wenn du beim Heuen bist? Zvieri essen?

(Lacht) Zvieri essen ist für mich gar nicht wichtig, ich setze mich nicht gern hin, weil ich dann kaum mehr weiterarbeiten mag. Auch wenn zuviele Leute helfen, mag ich es nicht so sehr, weil es dann immer wieder Pausen gibt, bis der Ladewagen wieder da ist. Wir versuchen, das letzte Fuder etwa um sechs in den Heustall zu bringen, die Fahrt auf und ab und das Abladen dazwischen dauert jeweils eine Stunde, während der wir versuchen, die nächste Ladung vorzubereiten.

Das perfekt eingespielte Dreierteam von links: Werner Sutter beim Laden, Barbara Sutter beim Schwaden machen, der Tat oder Grossvater Sutter bei der Feinarbeit mit dem Handrechen.

Am liebsten arbeite ich in unserem Team mit Werner und dem Tat. Da weiss jeder, was zu tun ist und man arbeitet vorwärts bis am Abend und gut war der Tag.

Bist du mit deinem Leben als Bergbauernfrau zufrieden?

Ich wüsste gar nicht, was anders sein sollte. Den Mann und den Hof zu verlassen, wie es manchmal vorkommt, ist nicht in meinen Genen. Für mich ist es richtig, wie es ist. Aufs Büro könnte ich nicht. Ich habe Fleischverkäuferin gelernt, das kommt mir zugute, wenn ich Direktvermarktung mache. Ohne die Tiere um mich wäre ich unglücklich. Ich mag es auch nicht, wenn die Arbeit eintönig wird, hier auf dem Hof ist es daher ziemlich ideal. Zehn Kühe haben wir, wir machen Aufzucht und Mast, im Winter, wenn die Kühe gekalbt haben, sind es schon gut 50 Tiere. Wenn sie da sind, bin ich mit Werner täglich fünf bis sechs Stunden im Stall.

Auf der Kälberweide mit dem geliebten Geburtstagsgeschenk auf vier Beinen.

Jetzt sind vier Kälbchen da, darunter mein Blüem, das ich zum Geburtstag bekommen habe. Weil wir noch nie so eins hatten und mir das so gut gefällt, schenkte die Familie mir eins. Blüem nennt man eine Rasse, welche auf dem Rücken weisses Fell hat. Es heisst, ein Blüem bringe Glück im Stall. Mein Kälbchen macht mir ganz besonders Freude.

Fotos: © E. Caflisch

Mit einem Klick zu den publizierten Beiträgen der Sommer-Serie «7 Fragen zum Sommer»:
Ruth Vuilleumier: Der Heitiförster von Spreitenbach

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