Poesie und Politik. Recht und Gerechtigkeit. Ein Rechtsanwalt und ein Journalist. Wir trafen uns in Bad Schinznach bei der Kur, wie man sich bei Kuraufenthalten so trifft, zufällig wohl.
Beide an Stöcken, erinnerten wir uns an den Fichen-Skandal 1989. Damals trafen wir uns in seiner Rechtsanwaltskanzlei, die er mit Moritz Leuenberger als brillanter Advokat betrieb und nach der Wahl von Moritz Leuenberger zum Bundesrat nach wie vor betreibt.
Moritz Leuenberger hatte als PUK-Präsident aufzuklären, wen die Bundespolizei zu Recht oder zu Unrecht überwachte, was sie so alles über so viele Leute sammelte, auch über mich. Und ich hatte darüber zu berichten, Fernsehsendungen zu produzieren und dazu mit Moritz Leuenberger in der Kanzlei Vorgespräche zu führen. Als ich später meine Fiche erhielt, gab es darin gar einen Hinweis auf meine Tochter, die als ganz junge Frau durch Osteuropa reiste. Das alles bleibt hängen, ohne zu verblassen.
Seiher hatten wir uns nicht mehr gesehen: Kurt Meier (76, Bild)* und ich (79). Und zur Überraschung begegnete ich jetzt nicht nur dem Rechtsanwalt wieder, sondern auch einem Mann der Poesie, der trotz seiner Krankheit nicht hadert, sondern auftritt und begeistert. Letzte Woche lud er zur Vernissage seines dritten Gedichtbandes „gedanken sind wie schwalben“. Die Kulturstätte „Lebewohl-Fabrik“ Im Zürcher Seefeld platzte aus allen Nähten, als er las:
sprechblase
er holte luft
und sprach
und sprach
und merkte nicht
dass sprechen
gar nicht
denken ist
Entwicklungshilfe
wenn
die reichen
den armen
die arme
reichen
können beide
viel erreichen
tröstlich
auch aus
einem
einsamen
samen
wächst
eine ganze
pflanze
sch(m)erz
ich glaube
meine seele
ist eine schraube
die wenn immer
es geht
in meinem innern
sich dreht
manchmal im bauch
dann aber auch
oben im kopf
dann abwärts
zum herz…
doch vielleicht
ist der glaube
von der schraube
in mir nur ein scherz
eröffnung des neuen Kunsthaus zürich mit cervalats, prominenz und bührle
ich frage
mich geradeaus
wie komme ich
zu saal und gunst
im neuen haus der kunst
mit kanonen bauen
bilder klauen
waffen schieben
faschos lieben
eifrig deren lieder singen
andere zur arbeit zwingen
das scheint sinnvoll investiert
damit die kunstwelt dir hofiert
einfach nur erschossen werden
diente nie zu grossem ruhm auf erden
Kurt Meier: Ab 2000 hast Du neben Deiner Anwaltstätigkeit mit einem poetischen Tagebuch begonnen. Was hat Dich dazu motiviert?
Wahrscheinlich hatte ich nach meinen ersten 25 Jahren Anwaltstätigkeit das Bedürfnis, endlich einmal etwas Sinnvolles zu tun. Nein, im Ernst, ich habe nebenbei immer etwas für mich geschrieben, inspiriert vor allem von den realen Geschichten, die ich als Anwalt erlebte. Dann liebte ich es, einen Gedanken möglichst kurz und prägnant zu fassen. Dazu eignen sich Gedichte besonders.
Es sind immer wieder Juristen, wie E.T.A.Hoffmann, Ferdinand von Schirach, Bernhard Schlick, die als Literaten Furore machen. Ist der Beruf zu einseitig auf das Recht, auf die Juristerei ausgerichtet?
Der berühmteste ist wohl E.T.A. Hoffmann. Ich denke, die Juristerei hat viel mit Sprache zu tun, fast noch mehr als mit Gesetzen. Ein sprachlich brillantes Plädoyer bringt oft mehr als lange rechtliche Recherchen. Von daher ist es nicht mehr weit zur Literatur. Eine gewisse Eitelkeit der Juristen mag da auch mitspielen.
Wann entstehen die Gedichte, bei der Arbeit, im stillen Kämmerlein? Was inspiriert Dich besonders?
Spontan, wenn mir zum Beispiel ein Wortspiel einfällt, dann ist es wieder ein Gedanke aus der Lektüre eines Buches oder eine Idee überfällt mich im Traum oder während einer langweiligen Gerichtsverhandlung.
Bisher sind drei Gedichtbände erschienen (fugen dichten 2007, jahressaiten 2015 und gedanken sind wie schwalben 2023). Wann erscheint der nächste Band?
Gedichte wären noch genügend vorhanden für einen weiteren Band. Aber man soll es ja auch nicht übertreiben.
(Die Gedichtbände sind im Wolfsberg Verlag erschienen: ISBN 978-4-85997-068-7, Bestellungen sind auch direkt möglich per E-Mail an: gedichte.kurtmeier@gmail.com)
* Kurt Meier, geb. 27.1.1947. Aufgewachsen in Heiden (AR) und Brugg (AG) als Sohn einer Pfarrfamilie. Nach dem Lizentiat 1971 Tätigkeit als Gerichtsschreiber am Bezirksgericht Lenzburg und Erwerb des Anwaltspatents. 1974 Eintritt in das Anwaltsbüro von Moritz Leuenberger, das er nach seinem Abgang in die Politik bis heute weiterführt mit den Schwerpunkten Arbeitsrecht und Medizinhaftpflichtrecht. Nebenberuflich Mitglied des Kassationsgerichts des Kantons Zürich. Ausserberuflich war er Gründungsmitglied des Sozialwerkes Arche Zürich (Drogentherapie, Eingliederung und Prävention) und dessen erster Präsident. Verheiratet in zweiter Ehe mit Irene Forster. Zwei Söhne aus erster Ehe und eine Tochter aus der ersten Ehe von Irene Forster.