StartseiteMagazinLebensartZu Besuch in der Alten Taverne

Zu Besuch in der Alten Taverne

Die <Alte Taverne> in Adelboden war einst das Speise- und Unterhaltungslokal des abgebrannten Hotels <Nevada-Palace>. Das Ahnenholz des Gebäudes ist vielfältigen Ursprungs und Teil einer Familiengeschichte.

Seit Jahren hatte sich Mary Zimmerman danach gesehnt, ihre Wurzeln im Berner Oberland zu finden. Vor ein paar Tagen stand sie in Adelboden vor der <Alten Taverne> an der Dorfstrasse 53 und strich mit der Hand über das Holz der Nordfassade. «Dieses Gebäude bedeutet mir sehr viel», erzählte sie mir. Dank Recherchen im Familienarchiv wusste die im Bundesstaat Wisconsin wohnhafter Amerikanerin, dass ihr Grossvater den Schwendistadel in Habkern bewohnt hatte. Von dort war der Bauer vor rund hundert Jahren in die USA ausgewandert.

Der Schwendistadel in Habkern in den fünfziger Jahren, vor dem Abriss.

Nach Angaben des Gemeindeschreibers von Habkern war der Schwendistadel zu Beginn der fünfziger Jahre abgerissen worden. Ein Teil des alten Holzes wurde 1957/58 beim Bau der <Alten Taverne> in Adelboden wiederverwendet. Der spezielle Bau entstand auf Betreiber der damaligen Hoteliersfamilie Oestreich-Grass.

«Die Tür stand offen und zum ersten Mal betrat ich das Restaurant. Ich schaute mich verzaubert um und musste in jedem Raum anhalten. Ich spürte ein warmes Kribbeln in meinem Körper. Mein Herz war voller Freude, plötzlich hatte ich Hühnerhaut. Endlich war ich angekommen,» beschrieb Mary Zimmermann ihre Gefühle, als sie Anfang Oktober zusammen mit ihren zwei Schwestern das Restaurant zum ersten Mal betrat.

Die drei Schwestern Zimmerman anlässlich ihrer kürzlichen Schweiz-Reise.

Postkäthis Zuhause

«Wo seit Beginn des 16. Jahrhunderts ein altes Bauernhaus gestanden ist, erhebt sich heute neben dem <Nevada-Palace-Hotel> in Adelboden die <Alte Taverne>. An das ehemalige Haus erinnert der Postschlitten beim Eingang, denn früher wohnte die erste Posthalterin des Ortes, das Postkäthi, hier», schrieb am 19. Dezember 1958 das Oberländer Tagblatt. In dem Bericht über die Eröffnung des neuen Restaurants schrieb die Zeitung weiter:  «Jetzt aber soll frohe Unterhaltung einziehen. Architekt Gustav Ritschard aus Interlaken hat in oft mühevoller Arbeit ein neues altes Oberländerhaus an die Stelle des abbruchreifen gestellt.»

Das Rubihaus in Interlaken vor dem Brand.

«Es ist aus sechs verschiedenen andern Oberländer Häusern zusammengesetzt, darunter das teilweise abgebrannte Rubi-Haus aus Interlaken und ein uraltes Berghaus aus Habkern. Die Fassaden sind trotz der verschiedenen Stilarten glücklich gefügt worden, und die grinsenden Fratzen der ehemaligen Rubihaus-Fassade werden nun auf muntere Feriengäste herunterblicken», schrieb die Zeitung weiter. Die Nebenfirst innen stammt gemäss den Inschriften wohl vom alten Schulerhaus (Hans Bircher). Das Gebäude stand früher unterhalb der Taverne.

Handwerkskunst von früher

In der Morgenausgabe des <Berner Bund> vom 22. Dezember 1958 stand: «Die <Alte Taverne> knüpft beim alten, im Jahr 1628 eröffneten Gasthaus <Zum Bär> an und erinnert mit ihren baulichen Elementen an das mit der Vergangenheit eng verbundene Adelboden. Grundsätzlich ist ein zentrales Gesellschaftsetablissement geschaffen worden, das in Adelboden den <Kursaal> oder ähnliche Betriebe ersetzen soll. Es stehen rund 200 Innen- und 150 Terrassenplätze zur Verfügung, mit Blick über die Eis- und Curlingbahn nach der nahen Bergwelt.»

Die Taverne im Winter 1960, Südfassade. Foto Klopfenstein, Adelboden.

Zum Äusseren war im <Bund> zu lesen: «Die beiden Fassaden, als deren verbindendes Stück ein Heidenkreuz aus dem 15. Jahrhundert, konnten kombiniert werden. Sie blicken mit ihren sonnengebräunten Fronten in das Land hinaus. Ähnlich wie die Fassaden, ist auch das Innere des Hauses aus baulichen Fragmenten alter Häuser aus den Jahren 1650 bis 1780 komponiert worden. Reich sind die Balken an Inschriften, an Würfel- und Rautenfriesen, profilierten Pfosten, Kerb- und Friesschnitzereien usw. und zeugen von der handwerklichen Kunst früherer Jahrhunderte.»

Bezug zum Freilichtmuseum Ballenberg

Der Interlakner Architekt Gustav Ritschard war ein Spezialist im Wiederverwenden von altem Chaletholz. Auch engagierte er sich bei der Gründung des Freilichtmuseum Ballenberg. Nach Angaben des Adelbodners Martin Hari, Mitglied des Dorfarchivs und Inschriftenexperte, setzte sich Richard Ende der sechziger Jahre für den Kauf des Adelbodnerhauses und dessen Versetzung auf den Ballenberg ein. Das Gebäude war das erste fremde Haus, das auf dem Ballenberg aufgebaut wurde.

Die Wiederverwendung von altem Bauholz für Neubauten wurde ab dem 16. Jahrhundert praktiziert. Beispiele sind nicht nur im Oberland, sondern auch im Oberaargau und im Emmental bekannt.

Martin Hari hat die Inschriften von (fast) allen Gebäuden in der Gemeinde Adelboden abgelesen, auch die von der <Alten Taverne>. Auf der Vorderseite Richtung Süden steht: < JAKOB UND NINA OESTREICH- GRASS HABEN DIESE TAVERNE JM JAHRE 1958 DURCH GUSTAV  RITSCHARD WIEDER ERRICHTEN LASSEN. EINST STAND ICH DEM UNBILL DES WETTERS ZUM TRUTZ + HEUT IN DER ZEIT DES NEUEN BIETE ICH DEM ALTEN SCHUTZ>

Die Nordfassade der Alten Taverne heute.

Eine Inschrift ziert auch die Nordfassade: <Trubst (triebst) im Gasthus Laster und Spot so bischt nid höy agseh bi Gott>. <IM 1740 Jahr Durch Gottes Hÿlff Es Beschhen Doch wil Jch nur Ein Knecht drin sein der HÖrr der wirt stäts ….>

Auch heute, nach zahlreichen Renovationen und Pächterwechseln, gilt die <Alte Taverne> als gediegenes Speise- und Musiklokal. Den ganzen Sommer über erfreuen sich Gäste aus Nah und Fern auf der Terrasse und in der Gaststube an den offerierten Leckerbissen und edlen Tropfen. Unter ihnen waren auch die drei Zimmerman-Schwestern aus Übersee, die nun zu Hause erzählen werden, immerhin das Holz ihrer Schweizer Wurzeln gefunden zu haben.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitung «Frutigländer».

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Alte Taverne Adelboden

Titelbild: Die Amerika-Schweizerin Mary Zimmermann war begeistert vom Adelbodner Traditionslokal in Adelboden. Fotos PS / ZVG

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