Seit 15 Jahren zeigen Schweizer Karikaturistinnen und Karikaturisten ihre Werke jährlich in einer gemeinsamen Ausstellung. Noch bis zum 25. Februar 2024 sind im Berner Museum für Kommunikation (mfk) rund 200 Pressezeichnungen aus dem vergangenen Jahr zu sehen.
Die Kunst der gezeichneten Satire besteht darin, eine aktuelle politische oder gesellschaftliche Pointe mit nur wenigen Strichen auf den Punkt zu bringen. 54 Zeichnerinnen und Zeichner aus der ganzen Schweiz verstehen sich in diesem Metier und zeigen im 2. Untergeschoss des mfk je fünf ihrer Werke in einem begehbaren Jahresrückblick. Die Karikaturistinnen und Karikaturisten, Cartoonistinnen und Cartoonisten arbeiten teils festangestellt, teils frei für in- und ausländische Druck- und Online-Medien.
Verliehen wurde Ende 2023 erstmals der «Swiss Cartoon Award». Er ging an Alexander Ballamann (ALEX) von La Liberté, an Caroline Rutz (CARO), die für Le Matin Dimanche und Vigousse zeichnet, und an Bénédicte Sambo von 24heures. Kriterien für die Preisvergabe waren die Aktualität sowie die visuelle Umsetzung des gewählten Themas. Gezeichnete Satire hält dem Betrachter einen Spiegel vor, kritisiert, schockiert, provoziert und unterhält.
Preisgekrönt: « L’aide humanitaire arrive gentiment à Gaza », gezeichnet von Alexander Ballamann.
Der Fribourger Alex Ballamann erhielt den mit 1000 Franken dotierten ersten Preis für seinen Cartoon «L’aide humanitaire arrive gentiment à Gaza», der am 24. Oktober 2023 in La Liberté publiziert worden ist. Medienprofessor Guido Keel begründet den Entscheid der Jury anlässlich der Preisverleihung so: «Es ist die Kombination von Relevanz, schnell auf den Punkt bringen und von Kritik üben mit einem sehr einfachen Gegensatz.»
Der zweite Platz des «Swiss Cartoon Award» ging an die Zeichnerin CARO für das Bild «La Pointe de l’Iceberg» zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche. Platz drei belegte Bénédicte Sambo mit ihrem Cartoon zur Übernahme der Crédit Suisse durch die UBS. Die drei prämierten Cartoons zeichnet vor allem etwas aus, wie Jury-Mitglied Jacqueline Strauss ausführt: «Der Text ist eher im Hintergrund, die Geschichte wird über die Zeichnung erzählt, genau das ist im Kern die grosse Stärke der Pressezeichnung.»
«Rechtsrutsch. Die Schweiz hat gewählt», von Max Spring.
Beim Betrachten der Zeichnungen werden Unterschiede zwischen der Romandie und der Deutschschweiz deutlich. Gemäss dem Organisationskomitee der Ausstellung sind die Westschweizer allgemein mutiger, wenn es darum geht, das aktuelle Geschehen anzuprangern. Nachfolgend ein paar zufällig ausgewählte Beispiele: Max Spring beschäftigte sich 2023 mit dem Resultat der Nationalrats- und Ständeratswahlen. In seiner Zeichnung wird Mutter Helvetia von einem Mann im Edelweisshemd an den Rand des rechten Abgrunds gedrängt. Zwei Mitbürgern droht der Absturz.
«10-Millionen-Schweiz», von Gilbert Kammermann.
Das SVP-Thema «Überbevölkerung» setzte Gilbert Kammermann in einer bissigen Karikatur um. Nicht in einem vollen Boot, sondern in einer vollen Sardinenbüchse drängen sich die Schweizerinnen und Schweizer. Bei näherem Betrachten sind auch ein paar Ausländer auszumachen.
«Abgang», von Felix Schaad.
Die diversen Untersuchungen und Medienberichte über sexuelle Missbräuche durch Vertreter der Kirche wurden gleich von mehreren Karikaturisten thematisiert. In Felix Schaads Bild ist Jesus vom Kreuz heruntergestiegen, aus Wut, Scham oder Protest, man weiss es nicht. Zurück bleiben vor dem Altar ein verblüffter Priester und sein Ministrant.
«Too big to sail», von Ruedi Widmer.
Auch das Ende der Grossbank Crédit Suisse war ein dankbares Satire-Thema. Ruedi Widmer zeichnete ein untergegangenes Segelschiff, von dem nur noch der Schweizer Wimpel aus dem Wasser ragt. Den staatspolitischen Leitsatz «Too big to fail» wandelte der Karikaturist in «Too big to sail» ab.
«Der mit dem Wolf tanzt», von Carlo Schneider.
Kontrovers diskutiert wurde in den letzten zwölf Monaten auch die Abschussbewilligung von Wölfen, ausgesprochen von Albert Röstis Wald- und Umweltdepartement. Kevin Costners Filmtitel «Der mit dem Wolf tanzt» lieferte das Leitmotiv für Carlo Schneiders Karikatur, in welcher der Bundesrat höchstpersönlich zum Jäger mutiert.
«Spieler», von Orlando Eigenmann.
Viel zu reden gab auch das letzte Amtsjahr von Bundesrat Alain Berset als Bundespräsident. Orlando Eigenmann fiel auf, dass Berset unterschiedliche Hüte trug und – zwischen den unterschiedlichen Interessen hin und hergerissen – zuweilen auch als Hütchenspieler agierte.
«Flugangst», von Heinz Pfister.
Der Berner Karikaturist «Pfuschi «ist bekannt für seinen trockenen Humor. Auf dem ausgewählten Bild fragt der Flughelfer der Rega einen abgestürzten Kletterer in der Not, ob er unter Flugangst leide. Wie wenn der Verunfallte die Wahl hätte, die Rettung durch den Rega-Heli abzulehnen.
«KI und die menschlichen Werte», von Bruno Fauser.
Bruno Fauser stellt sich vor, wie Künstliche Intelligenz (KI) das «Daten» beeinflussen könnte. Hintergedanke der Zeichnung ist die berechtigte Frage, ob ein Computer Emotionen haben und menschliche Werte leben kann.
«Hodler revisited 2023», von Caspar Frei.
In die Zukunft blickt Caspar Frei: Auf seiner Zeichnung wird aus der Eidgenossenschaft die PRIDEgenossenschaft, und Hodlers Willhelm Tell setzt sich als TransGender-Wesen in Szene. Neben viel Nachdenklichem bringt die Karikaturenausstellung auch viele lustige Einfälle ans Tageslicht.
Titelbild: Viele Besuchende, grosses Interesse an der Karikaturenausstellung 2023 im Berner Museum für Kommunikation. Foto PS
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Aktuelle Ausstellungen – Museum für Kommunikation Bern (mfk.ch)
Zum Schmunzeln und Tränen lachen! Danke für den Bericht und die Auswahl der Zeichnungen.
Aus dem «Wilhelm Tell» von Caspar Frei sollte man unbedingt ein Denkmal kreieren. Ich könnte mir ihn/sie/es gut im Berner Hauptbahnhof als übergrosse Aufblasfigur an der Decke hängend vorstellen. Zürich hat ja im HB als Beschützerin der Reisenden die «Nana» von Niki de Saint Phalle und Bern hätte dann eben seinen in der Neuzeit angekommenen Tell. Oder als neues Logo der SVP, wäre auch schön….oder?