StartseiteMagazinLebensartDen Kopf bei der Sache, den Rotstift zur Hand

Den Kopf bei der Sache, den Rotstift zur Hand

Seit vielen Jahren korrigiert Beat Koch (75) Zeitungen und Zeitschriften. Dass er einer aussterbenden Berufsgattung angehört, ist dem Zürcher bewusst. – Ein Besuch bei einem, der von Berufs wegen pingelig sein muss.

«In der Mathematik und den Naturwissenschaften bin ich eine totale Pumpe», entgegnet Beat Koch auf die Feststellung, er sei ein richtiges Sprachgenie. Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch versteht er gut und auch von Portugiesisch, Italienisch und Russisch hat er sehr solide Kenntnisse. Doch Bescheidenheit ist typisch für Beat Koch, den Korrektor.

Er sei halt früher immer wieder in andere Länder gereist und habe sich so die jeweilige Sprache angeeignet. So habe er drei Monate in Russland und in den USA zugebracht. Länger noch, nämlich 15 und 18 Monate, studierte und arbeitete er in England und Spanien. Beim Aneignen einer Sprache habe ihm oft geholfen, dass er in der Schule einst Griechisch und Latein habe lernen müssen, sagt Koch.

Vom Lehrer zum Korrektor

Beat Koch erblickt als Sonntagskind am 23. Januar 1949 das Licht der Welt – in einem «stockkatholischen Elternhaus», wie er berichtet. Seine Schulzeit beendet er am altsprachlichen Klostergymnasium im bündnerischen Disentis. Nach dem Erwerb des Sonderschul-Lehrerdiploms an der Universität Freiburg arbeitet er als Primar- und Hilfsschullehrer im Umkreis von Luzern.

Obwohl ihm der Beruf als Lehrer gut gefallen habe, sei er «vermutlich kein wirklich guter Lehrer gewesen», meint Koch (und stellt damit sein Licht wohl erneut unter den Scheffel). So habe es ihn gereizt, etwas anderes zu machen. Weil Sprachen seine Welt sind, studiert er an der Dolmetscherschule in Zürich Deutsch, Englisch und Spanisch.

Der mit dem Rotstift: Beat Koch.                       Bild Robert Bösiger

Als freischaffender Übersetzer und Lehrer an der Sprach- und Handelsschule Bénédict sowie an einer Handelsschule in Oerlikon geniesst er viele Freiheiten und tut in seiner Freizeit, was er besonders liebt: er reist. Zum Beispiel in einen israelischen Kibbuz. An diesen Aufenthalt erinnert er sich gerne. «Besonders war, dass wir etwa zehn Burschen waren und zirka fünfzig Frauen…» Interessant waren auch die Workcamps in Polen, in London und vor allem in Nicaragua. Dort, in Mittelamerika, half er als Handlanger beim Bau von Wohnungen für einheimische Lehrkräfte.

Gut in Erinnerung ist ihm auch ein Aufenthalt in Brasilien. In einer Stadt namens Nova Friburgo lernt er Portugiesisch – «auch, weil ich eine dort ansässige Lehrerin näher kennengelernt habe.» Ja, er sei ziemlich herumgekommen in der Welt, sagt Beat Koch. «Andere haben eine Familie. Ich bin halt oft gereist.»

In Diensten der «Alten Dame»

1990 sticht Beat Koch eine Stellenanzeige der Neuen Zürcher Zeitung ins Auge. Gesucht ist ein Korrektor. Er bewirbt sich und hat so die Möglichkeit, in die vielfältige Welt der NZZ einzutauchen. Berufsbegleitend absolviert er einen zweijährigen Korrektoren-Fernkurs der Zentralkommission Graphische Berufe (heute Viscom).

Die betriebsinterne Ausbildung sei vorbildlich gewesen, rühmt Koch. «Einmal wöchentlich ist eine Manöverkritik abgehalten worden, wobei der Chefkorrektor auch die Fehlersammlung der vergangenen Tage präsentiert hat.» Allerdings sei die Arbeit unter den etwa 30 Mitarbeitenden der Abteilung sehr hierarchisch organisiert gewesen. Und: «In den oberen Stockwerken logierten die unantastbaren Redaktoren – die Halbgötter – und du bist als Korrektor halt zuunterst.»

Sparen beim Korrekturlesen

Als Korrektor könne man schon Vorschläge einbringen, wie etwas stilistisch besser formuliert werden könnte, erklärt Beat Koch. «Aber zumindest in der NZZ war dies ziemlich tabu.» Damals wurden die NZZ-Texte sogar noch zweimal gelesen. Bei etlichen Medien ist es heute schon viel, wenn die Texte wenigstens einmal korrekturgelesen werden.

Der Berufsstand hat spürbar an Bedeutung verloren. Das weiss auch Beat Koch: «Wenn von Verlagen irgendwo eingespart werden muss, dann an der Korrektur.» Koch glaubt auch, dass viele Verlage die sinkende Qualität beim Verzicht aufs Korrekturlesen in Kauf nehmen. «Heute muss es immer rasch gehen.» Aus Kostengründen verlasse man sich zudem gerne auch auf die automatischen Korrekturprogramme, «obwohl ein solches Programm vieles nicht erkennen kann». Kochs Verdikt ist klar: «Die Qualität der Medien bezogen auf die Fehlerquoten hat abgenommen.»

Ist der Korrektorenberuf also eine aussterbende Berufsgattung? Koch macht sich keine Illusionen und nickt. So gesehen würde er heute davon abraten, sich ausschliesslich auf diesen Beruf zu konzentrieren.

Worauf achten Sie beim Korrekturlesen eines Textes?

Ich mache den Faktencheck. Schaue auf Sachfehler (Namen, Daten usw.), Tippfehler und Redundanzen, aber auch auf Satzstellungen und auf einheitliche Schreibweise (Beispiel: entweder zu Hause oder zuhause, aber nicht beides im gleichen Text). Ich achte auch auf die Sprachlogik (Beispiel: «der vierköpfige Familienvater…»), auf Wortabstände und selbstverständlich auf korrekte Satzzeichen.

Welche Eigenschaften braucht ein Korrektor?

Ein Stück weit muss er pedantisch, pingelig sein. Und man sollte den Kopf bei der Sache haben. So ist mir zum Beispiel mal etwas durchgerutscht, das nicht hätte passieren sollen. Es hiess: «Und die Marionetten tanzten durch die Bahnhofstrasse». Es hätte aber heissen sollen: «Und die Majoretten tanzten …» Als Korrektor muss man alles hinterfragen.

Wird von den Medien tatsächlich in Kauf genommen, dass in den Texten ab und zu «ein Bock» unerkannt bleibt?

Ich meine schon. Als 2004 bei der NZZ auch im Korrektorat abgebaut wurde, hiess es, ein Fehler mehr in der Zeitung bringe dem Haus nicht weniger Abonnenten. Wahrscheinlich stimmt dies auch bis zu einem gewissen Grad.

Wie haben sich die Arbeitsbedingungen in Ihrer Berufsgattung in den vergangenen Jahren verändert?

Der Zeitdruck ist grösser geworden. Früher wurde ein Text zwei Mal gelesen, heute im besten Fall noch ein Mal. Und: Heute führen die Korrektoren die Korrekturen am Bild- schirm meist selber aus, früher waren das die Layouter.

Wie halten Sie sich zurück, um nicht selber zu formulieren?

Ich versuche es, indem ich Verbesserungsvorschläge unterbreite. Ich tue dies, weil ich aus Erfahrung weiss, dass die Kunden dies durchaus schätzen.

Heute spricht man viel von geschlechtsneutraler Schreibe. Hand aufs Herz: Wie geht der Korrektor, die Korrektorin mit dieser Forderung nach Gendern um?

Huch! Das ist lästig! Ich bin mir aber bewusst, dass ich hierin zum alten Eisen gehöre … Meine Haltung: Lieber generelle, geschlechtsneutrale Begriffe verwenden (wie Schreibende, Mitarbeitende …) oder dann beide Begriffe (Autorinnen und Autoren). Sternchen und dergleichen hemmen den Lesefluss.

Alles ein bisschen salopper

Nach den Erkenntnissen von Beat Koch ist das Deutsch in den vergangenen zwei, drei Jahrzehnten salopper geworden – freilich je nach Sparte in unterschiedlicher Art. Am liebsten korrigiert er die beiden Sprachen Deutsch und Französisch, wobei ihm die Muttersprache am nächsten liegt. «Im Französischen würde ich nie wagen, Stiländerungen vorzuschlagen.»

Selber hat es Beat Koch – im Gegensatz zu seinem Bruder, dem Reporter Erwin Koch – nie gereizt, sich als Autor zu versuchen. Viel lieber liest er. Jüngst habe er sich in «Frieden oder Krieg». Russland und der Westen – Eine Annäherung» (Pleitgen/Schischkin) vertieft. Auch habe er wieder einmal den Klassiker «Steppenwolf» von Hesse zur Hand genommen.

Ansonsten geht der 75-Jährige gern spazieren und wandern. Oder er besucht das Kino, macht einen Konzertbesuch (er mag vor allem die klassische Musik) oder ist im Fitnesscenter und in der Sauna anzutreffen. Mit 50 Jahren hat Beat Koch damit begonnen, Schwyzerörgeli zu spielen. Auch heute widmet er sich diesem Instrument noch hie und da.

Und ja, da wäre natürlich noch das Reisen als grosse Leidenschaft. So bereicherte/beschenkte er sich in den letzten Jahren mit einer Rundreise durch Griechenland, Sardinien und letzten November vor allem Georgien im Kaukasus. Und – wer weiss – vielleicht schafft es Beat Koch endlich auch einmal nach Äthiopien.

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