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Tanzende Leitplanken

Das Zürcher Haus Konstruktiv präsentiert in der Einzelausstellung «Bettina Pousttchi. Progressions» Skulpturen aus Stahl und Keramik sowie Fotoarbeiten. Die Exponate sind mehrheitlich für diese Schau entstanden.

Bekannt wurde die deutsch-iranische Künstlerin Bettina Pousttchi (geboren 1971 in Mainz) durch ihre monumentalen Fassadeninstallationen im öffentlichen Raum. 2014 liess sie das Schloss Wolfsburg während der Renovationsarbeiten mit Fassadenbildern The City hinter einer Skyline verschwinden. In Berlin bedeckte sie 2009/2010 die Aussenwände der Temporären Kunsthalle Berlin mit der Fotoinstallation Echo und erinnerte an den kurz zuvor abgerissenen Palast der Republik aus der DDR-Zeit.

Ausstellungsansicht «Horizons», 2024

Die Werkserie Horizons, 2024, im Haus Konstruktiv geht auf die Fotoinstallation Echo in Berlin zurück. Sie ist eine Kombination aus Fotografie und Malerei: Die Leinwände sind in hellen Blau-, Gelb- und Violetttönen mit dem Pinsel grundiert und anschliessend im Siebdruckverfahren bedruckt worden. Die Motive stammen aus den Postern mit Fotomontagen von Echo, nachdem diese ein halbes Jahr der Witterung ausgesetzt waren. Die Künstlerin fotografierte diese digital erzeugten Papierposter mit allen Verwitterungsspuren. «So sind die Fotografien auf mehreren Ebenen Spuren des Realen sowie Speicher von Zeitlichkeit und Erinnerung», schreibt die Kuratorin Sabine Schaschl, ein zentrales Thema im Werk von Bettina Pousttchi.

Bettina Pousttchi. Foto: © Norman Konrad

Seit einigen Jahren beschäftigt sich die Künstlerin mit Objekten, die den öffentlichen Raum strukturieren etwa Leitplanken, Absperrgitter, Fahrrad- und Baumschutzbügel. Durch Umformung und Neugestaltung löst sie diese aus ihrer ursprünglichen Funktion und erschafft Werke, die in Serien verwendet konzeptuell der Minimal Art nahekommen.

Im Erdgeschoss bilden Leitplanken die Basis von Vertical Highways, 2023, eine Serie von raumgreifenden Skulpturen. Die kräftigen Farben der aufgerichteten Bündel aus leichtem Stahl erinnern an die Signalfarben von Verkehrsschildern. Die einzelnen Leitplanken sind verschieden gross und wurden von der Künstlerin mechanisch verbogen, gepresst, gestaucht, ineinander verkeilt und verschweisst und zu einer Skulptur gruppiert. Die ursprünglichen Löcher im Metall wirken wie spielerische Gestaltungselemente und verleihen den abstrakten Formen zusätzlichen Schwung und Leichtigkeit. Es scheint, als ob die übergrossen Figuren im grossen Raum tanzen.

Ausstellungsansicht «Vertical Highways», 2023

Einige dieser Objekte tragen zusätzliche Titel wie A28 oder A33 und weisen auf den Standort des Materials auf deutschen Autobahnen hin. Eine Weiterentwicklung dieser Serie sind die Skulpturen Progressions, die erstmals in einem Museum präsentiert werden und den Ausstellungstitel geben. Die unterschiedlich hohen Leitplanken sind linear aufsteigend angeordnet. Das Farbenspektrum des pulverbeschichteten Stahls reicht von kräftigem Rot und Gelb bis zu neutraleren Tönen wie Anthrazit und Elfenbein.

«Double Monuments for Flavin and Tatlin», 2010-2014; im Vordergrund «Felix», 2018, Fahrradbügel aus Edelstahl poliert.

Eine weitere Werkgruppe aus den frühen 2010er-Jahren ist eine Hommage an zwei Ikonen der Kunstgeschichte Double Monuments for Flavin and Tatlin. Die drei hohen Türme bestehen aus weiss beschichteten hochgestapelten Absperrgittern mit Leuchtstoffröhren im Inneren. Das durchscheinende weisse Licht lässt die Türme als filigrane Strukturen erscheinen. Der Werktitel bezieht sich zum einen auf das utopische Architekturmodell Monument für die Dritte Internationale des russischen Konstruktivisten Vladimir Tatlin von 1920 und zum anderen auf die Lichtinstallationen des amerikanischen Künstlers Dan Flavin aus den 1960er-Jahren. Flavin hatte dem Konstruktivisten mit seiner Serie Monuments for V. Tatlin bereits einmal ein Denkmal gesetzt, das Pousttchi aufgreift und weiterführt.

«John», «Marie» und «David», Baumschutzbügel, 2018-2019. An der Wand «Earthwork V», Glasierte Keramik, 2023.

Ergänzt werden die Double Monuments durch weitere Objekte aus Strassenbauteilen. Drei sind aus verformten, sich in dynamischer Bewegung umschlingenden Baumschutzbügeln gefertigt. Ihre Formen sind weich und fliessend, die Farbgebung in fein nuancierten Grüntönen. Auch sie wirken wie tanzende Figuren, zudem beziehen sich die Titel auf die Vornamen John, Marie und David. Eine weitere Skulptur Felix besteht aus verkeilten Fahrradbügeln aus hochpoliertem Edelstahl. In den glänzenden Bügelformen spiegelt sich der Umraum, auch eine Reflexion über den urbanen Wandel.

«Earthwork IV», 2023, silberglasierte handgefertigte Keramik 23,5 x 80 x 12 cm als modular angeordnetes Wandrelief. Foto: rv

Die Skulpturen aus Strassenbauteilen werden an den Wänden mit einer Reihe glasierter Keramikarbeiten Earthworks abgeschlossen. Die handgefertigten Module aus gebranntem Ton erinnern an Baukeramik, eines der ältesten natürlichen Baumaterialien der Geschichte. Pousttchi kombiniert jeweils zwei der länglich-konvexen Gebilde, die silbern und blau glasiert sind, und reiht sie in Gruppen als Wandrelief nebeneinander.

«Directions 09», 2021, Stahl pulverbeschichtet. Foto: rv

Die Serie der Directions zeigt, wie sich die Künstlerin mit Ordnungsstrukturen im öffentlichen Raum auseinandersetzt. Sie entwickelte dafür Bildvorlagen, die sie aus Stahl schneiden und farbig beschichten lässt. Die scharfkantigen Cut-outs von Strassenpfeilen erscheinen wie Wegweiser. Die Objekte oszillieren zwischen Kunst und Signaletik, ein Orientierungsdesign, das in verschiedene Richtungen deutet, aber nicht auf ein Ziel.

Titelbild: Ausstellungsansicht, Foto: rv,
Fotos: Stefan Altenburger, vom Museum zur Verfügung gestellt und rv

Bis 5. Mai 2024
«Bettina Pousttchi, Progressions» im Museum Haus Konstruktiv, Zürich

 

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