StartseiteMagazinKulturMit Hanfschnüren die Welt zusammenhalten

Mit Hanfschnüren die Welt zusammenhalten

Die Lokremise, eine Dependance des Kunstmuseum St. Gallen, ist in eine mystisch-magische Landschaft verwandelt. Die Ausstellung «Arthur Simms. Chair with my Hair» umfasst über sechzig Arbeiten aus drei Jahrzehnten.

In seinen eindrucksvollen Skulpturen und monumentalen Papierarbeiten thematisiert der Künstler seine eigene Biografie. Obwohl er an internationalen Ausstellungen, unter anderem an der Biennale in Venedig teilgenommen hat, wurde sein Werk in Museen kaum gezeigt. Mit dieser bisher grössten Einzelausstellung würdigt das Kunstmuseum St.Gallen das vierzigjährige Schaffen des Künstlers.

Center Earth, 2023. Erdmittelpunkt

Arthur Simms (*1961) interpretiert in seinen Werken seine karibische Abstammung und seine Identität als Afroamerikaner, der in den Vereinigten Staaten lebt. Er webt Einflüsse aus der Kunstgeschichte und aus schamanistischen Vorstellungen in seine Werke ein. In dem Sinne, dass er die Welt als ein lebendiges Ganzes sieht, das er in seinem Werk skulptural und zeichnerisch umsetzt.

Crown, 2023.Traumfänger

In enger Zusammenarbeit verzauberten der Künstler und der Kurator Gianni Jetzer den Ausstellungsraum mit seiner speziellen Präsenz als ehemaliges Lokomotiven-Depot in eine schamanistisch besetzte Landschaft. Schon bei der monumentalen Figur am Eingang zur Ausstellung stellt sich diese Assoziation ein.

Blick in die Ausstellung: Objekte mit Hanfschnüren und Collagen, im Hintergrund eine Hommage an Franz Kafka. Foto: © Stefan Altenburger

Ein übergrosser Kokon, von einer Haut aus Hanfschnüren zusammengehalten, birgt Fundstücke wie Getränkedosen, Räder, grün bemaltes Metall. Das Objekt winkt einen zur näheren Besichtigung gleichsam heran, bleibt aber geheimnisvoll und darin liegt auch seine Kraft. Hanfseile seien eine Hommage an die Lastenträger und ihre harte Arbeit beim Beladen der Schiffe zwischen Afrika und Amerika, so der Kurator bei einer Führung.

Ruin, 2023. Ein Snowboard als Träger von verschiedenen Mitteln zur Fortbewegung (Rad, Rollerblade) – Assoziationen zum Hintergrundthema Migration.

Ein wichtiger Zugang zur Kunst Arthur Simms’ kommt aus seiner Biographie. Die Familie verliess Jamaika als er sieben Jahre alt war. Traumatisch war der ungeklärte Weggang der Mutter aus der Familie. Die Familie war arm und der kleine Junge bastelte sein Spielzeug selber. Die Verwendung von gefundenen Objekten, der Einsatz von hybriden Elementen seiner bikulturellen Identität, Reminiszenzen aus der Kindheit und Bezüge aus der Kunstgeschichte sind im Verlauf seiner Laufbahn zentrale Elemente für den heute 62-Jährigen geworden.

X-Ray Dreaming, 2022. Zeichnungen

Collagen auf schwarzem Fond weisen wiederkehrende Motive und Stilelemente auf – eine Kollektion von Kunstpostkarten (z.B.Caravaggio). Bunte Knöpfe, kleine Rückstrahlleuchten und eingebundene Haarbüschel gehören zu seinem schamanistischen Vokabular.

Neptune, 2023

Aus Simms’  Objektbeschrieb: Das Objekt mit der Mistgabel erinnerte mich an den Meeresgott mit seinem Dreizack. Der Transport von Waren mit der Schubkarre verbindet sich mit den Tagen meiner Kindheit in Jamaika – zum Teil wurden auch Karretten mit kaputten Reifen oder eckigen Rädern verwendet.

Icema and Chester, 1989 – 1992.  Die Eltern des Künstlers – ein Portrait der Familie

Aus Simms  Notizen: Es ist eine meiner ersten Figuren, eine rohe Arbeit, beeinflusst von Nkisi-Nagel-Fetischen aus dem früheren Kongo bei denen von einem Schamanen Nägel eingeschlagen wurden, um eine magische Kraft zu entfalten. Das Hanfseil hält Dinge mit ganz unterschiedlicher Herkunft zusammen. Es umgibt sie wie eine Haut.

Chair With My Hair, 2000. Das titelgebende Objekt der Ausstellung

Auf dem ausgedienten Schülerstuhl liegt ein Büschel eigenes Haar. In viele Objekte sucht Simms seine Spuren zu legen – in einer Art der Selbstvergewisserung. Der Stuhl steht auf zwei Holzklötzen und einem Davoser Schlitten, einem typischen Schweizer Kulturgut. Dieses Gefährt mit Tradition ist hier funktionslos als Transportmittel – doch Träger für Assoziationen. Parallel seitlich sind zwei grosse Kuben aus gepressten Alubüchsen angeordnet. Dieser Bezug gilt seinem Vater, der nach langer Zeit einen Job in einer Coca-Cola-Fabrik fand.

La Barca, 2023.

Simms  Anmerkungen: Da ich kein reales Boot auffinden konnte, stellte ich metaphorisch Materialien zusammen, welche ein Boot ausmachen wie als Beispiel eine Bank, Stöcke, Steine und Segel. Und wiederum ein Bezug zur langen Geschichte der kolonialistischen Eroberungen und zu den drei Millionen Afrikanern, die in die USA verfrachtet wurden. So viele starben, wurden über Bord geworfen und das geht nun so weiter – in Europa.

Shark, 2023

Für die Ausstellung in Cremona schuf Simms ein Objekt als Hinweis auf den berühmtesten Bürger, auf den Geigenbauer Stradivari. Die weissen Steine halten mit ihrer Spannung durch den Bambus die ganze Figur.

Piume, 2023. Für die Kirche in Cremona, Italien

Auch andere Objekte dieser Ausstellung sind in Cremona entstanden. Luftige Federn, die zerbrechlich sind – in viele Kulturen ein religiöses Symbol.

Francesca’s Horse, 2023

Aus Simms  Anmerkungen: Die Skulptur sieht wie ein Fahrzeug aus, aber man kann sie nicht schieben – es geht um eine angedeutete Bewegung. Damit verweise ich auf die afrikanische Diaspora, auf die weltweite Migration von Afrikanern Ich bin ja auch ein Migrant.

Electric Chair, 1995

Aus Simms  Gedanken zu diesem Objekt: aggressiv und gleichzeitig ästhetisch. Ich denke auch an Andy Warhol und seine ikonische Gemäldegalerie. Und es könnte auch eine Anspielung sein auf die Tatsache, dass die Wahrscheinlichkeit für Afroamerikaner im Vergleich zu einem weissen US-Bürger um ein Vielfaches grösser ist, durch einen elektrischen Stuhl zu sterben.

Das Künstlergespräch mit Arthur Simms und Kurator Gianni Netzer zum Nachhören

Titelbild: Arthur Simms, *1961 in St. Andrews, Jamaika, lebt und arbeitet in Staten Island, New York
Fotos: © Justin Koller

Bis 7. Juli 2024
Informationen für Ihren Besuch der Ausstellung

 

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