StartseiteMagazinLebensartKunst oder Kitsch? Keramik auf Schloss Thun

Kunst oder Kitsch? Keramik auf Schloss Thun

In seiner neuen Sonderausstellung zeigt das Museumsschloss Thun wunderschöne Keramik-Objekte aus seiner eigenen Sammlung. Die Kunstwerke aus Heimberger und Steffisburger Keramikwerkstätten werden bis 2025 von der Ceramica Stiftung im Schweizerischen Keramikinventar öffentlich zugänglich gemacht.

Das Museumsschloss Thun beherbergt eine der grössten Keramiksammlungen des Kantons Bern, darunter die bedeutende Sammlung zur «Thuner Majolika» sowie besondere Stücke von Keramikern wie Johann Wanzenried, Friedrich Ernst Frank, Cäsar und Hans Schmalz sowie der Kunsttöpferei Desa. Die Keramikgattung wurzelt in der lokalen Keramikproduktion der Region Heimberg-Steffisburg und ist ein Produkt des Historismus im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.

«Majolika» ist wie die «Fayence» eine «Irdenware» mit deckender Blei-Zinnglasur. Sie repräsentiert in den Niederlanden und in Deutschland einen älteren Abschnitt der Produktion dieser Keramikart. Dabei trägt die Schauseite eine deckende Fayenceglasur (oft mit Inglasurmalerei), während die Rückseite nur mit einer Bleiglasur versehen wurde. Bei Keramik, die als «Fayence» bezeichnet werden soll, tragen beide Keramikseiten eine deckende Fayenceglasur.

Amphoren mit Blumenmotiven. Manufaktur Johann Wanzenried ohne Datum. Inv.Nr. 13106

Oberländer Keramik-Manufakturen bezeichneten ihre oft mit Renaissancedekor bemalten, bleiglasierten Objekte fälschlicherweise als «Majolika». Die Thuner «Majolika» ist keine einseitig mit Blei-Zinn-Glasur versehene Keramik, sondern eine eigenständige Form der «Irdenware». Sie verwendete historische Formen und Verzierungen. Die Gegenstände wurden zu einem grossen Teil für Touristen hergestellt und an diese verkauft.

Ferienandenken für Touristen

Anders als heute war Thun im ausgehenden 19. Jahrhundert der grosse Tourismusmagnet im Berner Oberland. In den Nobelhotels genoss die internationale «Haute Volée» die Sommerfrische am See oder reiste per Schiff oder Zug zu den schneebedeckten Viertausendern. Den Feriengästen von damals erging es nicht anders als uns heute: Sie wollten Andenken mit nach Hause nehmen. Die Nachfrage nach exotischer Volkskunst stieg rasch an.

Figur eines Hahns. H. Schmaltz, um 1935. Inv.Nr. SST 13703.125

Was gut klingt, verkauft sich gut, dachten sich wohl auch die regionalen Hafner und erfanden für ihre Tonware flugs den wohlklingenden Begriff “Thuner Majolika”. Prompt verkaufte sich die Irdenware wie warme Brötchen. Die lokalen Werkstätten folgten dem Trend nach immer exotischeren Kombinationen und Formen ihrer bunt verzierten Gefässe und Teller. Die Bandbreite von Neuschöpfungen wurde immer erstaunlicher.

Die Hafner liessen sich gar von exotischen Vorlagen der orientalischen Welt und des Fernen Ostens inspirieren. Selbst die damals sensationellen archäologischen Gefässformen aus Troja dienten als Vorlage: natürlich verziert mit Alpenrosen und Edelweiss.

Bedeutende Epoche der Keramik-Kunst

Bernischer Dragoneroffizier zu Pferd. DESA AG Kunsttöpferei Steffisburg. 1937. Invent.Nr. SST 14134

Zu den bekanntesten Stilblüten gehörten die Vedutenteller. Hier vereinigten sich keramisches Erzeugnis und klassische Vedutenmalerei. Zu den Vedutenmalern gehörten auch später weltbekannte Künstler wie Ferdinand Hodler. Die Wandteller wurden auch nach individuellen Kundenwünschen bemalt.

Geometrische und florale Randmuster mit Edelweisssujets trafen auf die in Ölmalerei hinzugefügte Tellskapelle mit Alpenpanorama oder auf romantisch verklärtes Hirtenleben im wilden Rosenlaui-Tal. Auch dank der erfolgreichen Teilnahme an der Weltausstellung 1878 in Paris erlebte die Keramikgattung einen rasanten Aufschwung.

Der spezielle Thuner Stil konnte jedoch mit dem Wandel bezüglich Geschmack und den neuen Ansprüchen nicht mithalten. Der Historismus-Stil überlebte den Ersten Weltkrieg nicht, und die Manufaktur Wanzenried wurde 1918 verkauft. Dennoch bleibt die «Thuner Majolika» ein interessantes Kapitel in der Geschichte der Schweizer Keramikkunst.

«Bewahrte Schätze»

Vase mit Hirtin und Schafen. Invent. Nr. SST-06868

Anlässlich der Ausstellungseröffnung zeigte sich Museumsleiterin Yvonne Wirth glücklich, dass die verborgenen Schätze der Sammlung nun für ein Jahr ans Tageslicht und an die Öffentlichkeit geholt werden. In ihrem Grusswort erläuterte die oberste Schlossherrin die Struktur der Ausstellung, die in sechs Kapitel gegliedert ist.

Als Vertreter der «Ceramica Stiftung» Basel bestätigte Andreas Heege, dass die Thuner Keramik-Sammlung schweizweit qualitativ wie quantitativ von grosser Bedeutung ist. Heege ist derzeit damit beschäftigt, den gesamten Keramik-Bestand zu inventarisieren, zu dokumentieren und die Daten online zu stellen. Das Projekt soll im Jahr 2025 abgeschlossen werden.

Kunst oder Kitsch?

Bereits 2017 hatte das Schloss Thun in einer Sonderausstellung einen Teil seiner Keramik-Sammlung gezeigt. Damals hiess es, die Veranstalterin gehe «hart an die Grenze des guten Geschmacks.» Damalige Kritiker stellten mit einem Augenzwinkern die Frage, ob es sich bei den Objekten um Kitsch oder doch um Kunst handle.

Die Keramik-Ausstellung auf Schloss Thun ist in sechs Kapitel gegliedert. Foto PS.

Dieselbe Frage war bei der Vernissage vergangene Woche nicht mehr zu hören, obwohl einige der ausgestellten Objekte bereits vor sieben Jahren auf dem Schloss öffentlich zu sehen waren. Stolz ist man in Thun nämlich, dass die Objekte der Sammlung von einem Keramikexperten der Basler «Ceramica Stiftung»  wissenschaftlich untersucht werden, der auch die neue Ausstellung fachlich begleitet und diese ins Schweizerische Keramikinventar  aufnimmt.

Titelbild: Vedutenteller. Sign. L. Ritschard, um 1885. Fotos: Andreas Heege / Ceramica Stiftung und Schloss Thun.

Die Sonderausstellung «Bewahrte Schätze – Einblicke in die Keramiksammlung der Stiftung Schloss Thun» ist noch bis zum 17. März 2025 zu sehen.

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