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Zu Besuch beim Computer-Künstler Christoph Marti

Als Musiklehrer hat Christoph Marti (71) Hunderte von Berner Gymnasiast:innen fürs Chorsingen begeistert. Als Dirigent leitete er zahllose Konzerte mit Berufs- und Amateurmusiker:innen. Seit 2018 in Pension, hat er sich der digitalen Kunst zugewandt: An seinem Computer lässt er auf verschiedenen Bildebenen einzigartige Gestaltungen entstehen und ergänzt diese mit Anagrammen über Bach und Mozart.

Zu Besuch bin ich heute in einer Berner Altstadtwohnung. Im Wohnzimmer steht an der linken Wand ein Klavier, daneben ein Notenständer und ein Geigenkasten. In der Mitte des Raums: ein schlichtes Sofa, ein Stuhl, dazwischen ein runder Tisch, daneben ein schmales Büchergestell. An der rechten Wand erkenne ich einen schmucken Sekretär, der dem Hausherrn offenbar als Stehpult dient. Der Gastgeber serviert Wasser und «Berner Bräzeli».

Christoph Marti wurde 1953 in Grossaffoltern geboren, wo er in einer musikalischen Familie aufwuchs. Früh lernte er das Geigenspiel. Als Jugendlicher besuchte er in der Stadt Bern das Gymnasium Neufeld und erwarb anschliessend am «Konservatorium für Musik» das Lehrdiplom für Violine sowie an der Universität Bern das Diplom als Musiklehrer an Höheren Mittelschulen. Nach seiner Ausbildung bewarb er sich für die Stelle eines Musiklehrers an «seinem» Gymnasium, neben dem legendären «Döfe» Burkhardt (1936-2002), der ganze Generationen musikbegeisterter Gymnasiastinnen und Gymnasiasten geprägt hat.

41 Jahre lang war Marti ab 1977 als Musiklehrer am Gymnasium Neufeld tätig, unterrichtete an ein und derselben Institution ­– dort, wo er selber zur Schule gegangen war: eine absolute Ausnahmeerscheinung und ein Glücksfall für Bern. Seine Hingabe zur Musik und seine pädagogischen Kompetenzen waren einzigartig: Marti schaffte es, Teenager für die Chormusik zu begeistern, die sie im Elternhaus nie zu hören bekamen.

Christoph Marti war fast fünf Jahrzehnte lang Musiklehrer und Chorleiter.

Sein Ziel: Er forderte seine Schülerinnen und Schüler heraus, indem er mit ihnen anspruchsvolle Chorwerke einübte, die vielen fremd in den Ohren klangen. Der Weg dahin war nicht selten lang und steinig. Doch der Aufwand lohnte sich (fast) immer. Zahllose Chorkonzerte mit stolzen Mittelschüler:innen sind der Beweis. Dabei ist sich der Pensionär durchaus bewusst, dass er durch seine (zu) hohen Ansprüche wohl auch einigen Jugendlichen die Freude an der Musik verdarb.

Bach, Mozart und Zeitgenossen

Martis Lieblingskomponisten sind Bach und Mozart. Doch auch moderne sowie zeitgenössische Kompositionen schätzt er sehr. Sein Motto: «Man muss sich den Zugang zur Musik zuerst erarbeiten, bevor man sie geniessen kann.» Eine besondere Bedeutung hat für ihn das französische Chanson «Les Champs-Elysées» von Joe Dassin: «Die Melodie beflügelt mich bis heute, da sie mich an jenes Schulskilager zurückerinnert, in dem ich mich zum ersten Mal so recht verliebte.»

Neben seiner Haupttätigkeit als Musiklehrer leitete Marti über hundert Konzerte mit verschiedenen Chören und Orchestern, mit und ohne Solist:innen, mit Berufsmusiker:innen sowie mit Laien. 2005 war er an der Erarbeitung des Berichts «Musikalische Bildung in der Schweiz», herausgegeben vom Bundesamt für Kultur, beteiligt. Zehn Jahre lang dirigierte er den «Berner Gemischten Chor», dessen Wurzeln bis 1901 zurückgehen. Im Herbst 2014 gab er mit dem «Gemischten Chor» sein Abschiedskonzert. Auf dem Programm standen auch drei Bach-Kantaten.

Obwohl seit 2018 pensioniert, ist Marti noch immer stark mit der Musik verbunden: Jeden Morgen übt er eine halbe Stunde auf seiner Violine. Mit seiner Tochter Alya, die ebenfalls Violine spielt, pflegt er einen herzlichen Kontakt. Mit viel Freude und Stolz begleitet er ihre musikalische Aus- und Weiterbildung und bereitet sie auf wichtige Konzerte vor. «Alya spielt bereits heute besser Violine als ich zu meinen besten Zeiten», findet der Vater.

Aareschwimmer und Computer-Künstler

Anagramme über Bach und Mozart zieren seine digitalen Montagen.

In ein Loch gefallen ist der Musiklehrer nicht, als er den Dirigentenstab für immer niederlegte. Seit ein paar Jahren geht er regelmässig Aareschwimmen, im Winter als Mitglied des Berner «Gfrörli-Clubs». Ausserdem ist er regelmässiger Kinogänger, vor allem von sogenannten «Studio-Filmen» im Kino «Rex». Geblieben ist seine tiefe Besorgnis angesichts von Krieg(en), Elend, Ungerechtigkeit: «Wer mit der Welt zufrieden ist, wie sie ist, hat alle mit auf dem Gewissen, die Grund haben, damit unzufrieden zu sein», schreibt Marti auf seiner Homepage.

Auf sein inzwischen wichtigstes Hobby kam der Skeptiker auch gegenüber einer zunehmend digitalen Welt eher zufällig. Marti trieb die Frage um, weshalb die Digitalisierung in der Kunst (noch) nicht richtig Fuss fasst, obwohl sonst fast alle Lebensbereiche digitalisiert werden. Während in der Musik die nötige und privat erschwingliche Software fehlt, um digitale Werke herzustellen, könnte man in der darstellenden Kunst – «Photoshop» sei Dank – den Pinsel wohl auch digital führen, vermutete er und begann, an seinem Mac zu experimentieren.

In das Bildbearbeitungsprogramm lud er Bilder hoch, eins nach dem anderen, liess den Rechner rechnen, fügte weitere Bilder hinzu, bis er mit der durch hintergründige Algorithmen enstandenen Darstellung zufrieden war, und speicherte das Ergebnis ab. Die so entstandene Computer-Art faszinierte ihn.

Knochenarbeit am Bildschirm

Die Montage besteht aus vier Motiven auf vier verschiedenen Ebenen.

Als nächstes ging er systematisch vor. Zuerst lud er ein Bild von sich (vielleicht als siebenjähriger Bube) ins Programm, liess es durch Filter um Filter laufen, darüber legte er aus dem Internet gekaufte fotographische Dokumentationen der beschädigten, verletzten, wenn nicht kaputten Welt (Ukraine-Krieg, Hunger in Afrika). Als dritte Ebene fügte er die Silhouette einer schönen Frau hinzu, dann ein musikalisches Symbol. Und schliesslich ergänzte er das Werk durch selbst verfasste Lyrik, je ein Bach- oder Mozart-Anagramm, das das Bild wie auch immer kommentiert. «Auf diese Weise versuche ich, das Chaos in meinem Innern und angesichts der Welt zu ordnen,» erklärt Marti in seinem Wohnzimmer.

Vier Jahre lang arbeitete er intensiv an seinem ersten digitalen Projekt, verbesserte seine technischen Fertigkeiten, schärfte seinen Geschmack, liess eine Serie von Illustrationen bei einem Spezialisten ausdrucken und aufziehen. Entstanden sind vier Quadrate mit je vier quadratischen Bildern (je 60×60 Zentimeter), jedes davon mit vier Bildebenen und pro Ebene je zwei Motiven. Analog sind solche Montagen nicht kreierbar, am Rechner schon. Dazu die selbstauferlegte Herausforderung: Die Anagramm-Gedichte über Bach und Mozart sollten wohlklingen, rhythmisch fliessen – und einen Sinn ergeben.

Im weissen Schubladenstock lagert Marti bis zur Ausstellung seine Kunstwerke.

Im Mai 2024 ist es nun so weit: Christoph Marti wird seine unverwechselbaren Werke erstmals einer staunenden Öffentlichkeit präsentieren: anlässlicher einer Ausstellung im Schloss Holligen in Bern unter dem Titel «Quadraturen». Ziel der Schau ist es, digitale Kunst zu zeigen, aber auch mit dem Verkauf der ausgestellten «Selbstbildnisse Nr. 81-144» Organisationen zu unterstützen, die sich um Linderung der abgebildeten Not bemühen – und nicht zuletzt die hohen Kosten seines Hobbies zu refinanzieren. Damit aus Martis Mac neue Kunstwerke entstehen und gedruckt werden können. Ergänzt durch neue Musiker-Anagramme.

Titelbild: Christoph Marti vor einem der Werke in seiner Wohnung. Fotos PS / ZVG

Ausstellung: Quadraturen
Selbstbildnisse Nr. 81-144
Digitale Collagen zu Anagrammen über Bach und Mozart
24. Mai – 2. Juni 2024

Turm Schloss Holligen, Bern

LINK

https://martichristoph.ch/

 

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