Briefe, von Hand geschrieben und vom Postboten in den Briefkasten gelegt, sind bei den meisten Menschen rar geworden. Vielleicht noch zu Weihnachten, zu Neujahr oder zum Geburtstag treffen Karten ein. Selten ein Feriengruss aus Skandinavien oder aus Mallorca. Aber eigentlich schreibt man eMails oder chattet auf dem Handy. Ist praktisch, sofort da, braucht nicht viel Zeit, nicht einmal viele Worte, Bilder sagen ja alles.
Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal jemandem einen richtigen Brief geschrieben, ihn in einen Umschlag gelegt, eine Briefmarke draufgeklebt und den Brief zur Post gebracht? Und wie lange ist es her, seit Sie einen persönlichen Brief erhalten haben? Keine Rechnung, keine Werbung, keinen Spendenaufruf, sondern einen richtigen Brief. Erinnern Sie sich noch, wie Sie sich darüber gefreut haben. Wie Sie fast erstaunt waren, als Sie den Brief aus dem Kasten nahmen: Das gibt es tatsächlich noch, richtige Briefe? Wer schreibt mir denn da? Und können Sie sich vielleicht noch an Luftpostbriefe erinnern, an das extradünne Luftpost-Schreibpapier, damit der Brief nicht zu schwer und sein Porto teuer wurde?
Neulich hat mir mein einziges Enkelkind geschrieben, das tausend Kilometer weit weg wohnt. Ich habe seine Schrift nicht gleich erkannt, denn offensichtlich, so wurde mir nachher klar, beherrscht der Junge nun schon die ‚Schnürlischrift‘. Sie sieht etwas anders aus als wie wir sie damals in der Schule erlernten. Auch die Schreibrichtung, leicht nach rechts geneigt nämlich, ist nicht mehr vorgegeben. Die Buchstaben stehen aufrecht, einige sind anders verbunden als wir es gelernt haben. Der Brief des Enkels war kurz, aber rührend, und sein letzter Satz lautete: Bitte schreib mir richtig zurück, nicht per Whatsapp auf Mamas Handy. Was ich umgehend getan habe. Ich gab mir Mühe, in Schulschrift zu schreiben, denn meine Handschrift ist für den Jungen unleserlich und Druckbuchstaben, gar noch Grossbuchstaben, seien für Babys, wie auch Bilderbücher für Babys seien. (Da täuscht sich der Junge, es gibt tolle Bilderbücher, die für jedes Alter passen, aber für diese Erkenntnis ist er noch zu jung!)
Lieber. Liebe Kinder. Lieber Enkel. Liebe Freundin. Lieber Freund. Liebe Schwester. Liebe Nichte. Liebe Grossnichten. Liebe Katze. Wenn ich euch schreibe, sollt ihr euch nicht zu Antworten gedrängt fühlen. Briefschuld ist ein schreckliches Wort. Wenn ich euch schreibe, ist es meine Art der Beschäftigung mit euch. Ich kann nicht immer Geschenke kaufen. Aber ich kann schriftlich an euch denken.
Meine Mutter schrieb mir auch Briefe. Ich habe sie alle aufgehoben. Von meinem Vater aber habe ich nie etwas Schriftliches erhalten. Nicht eine einzige Zeile. Vielleicht auf Ansichtskarten zu den herzlichen Grüssen der Mutter als Ergänzung in seiner unbeholfenen Schrift: + Vater. Sonst nichts. Vielleicht, wer weiss, schreiben die Toten in Wolkenschrift.
PS: Am 1. September ist jeweils der Welttag des Briefes. Es bleibt Ihnen also noch ein wenig Zeit…
Bild zvg
Das wirklich Wichtige schreibe ich auch heute noch in meiner leider nicht sehr schönen Schrift, dafür auf gutes Briefpapier und klebe gerne schöne Marken auf den Briefumschlag. Es ist ein Aufwand zugegeben aber ich bin überzeugt, dass sich die Meisten über einen handgeschriebenen Brief freuen, zeugt er doch von persönlichem Engagement und Restpekt gegenüber dem Menschen, für den er geschrieben wurde.