In Zürich gelang die Reformation ohne Bürgerkrieg dank der Äbtissin Katharina von Zimmern. 1524 übergab sie die Fraumünsterabtei freiwillig der Stadt. Die Ausstellung «Die Äbtissin und der Bürgermeister» wird im «Haus zum Rech» am Neumarkt präsentiert, am ehemaligen Wohnsitz des Bürgermeisters Diethelm Röist.
Im Haus zum Rech, wo heute das Stadtarchiv Zürich untergebracht ist, sind noch Wandmalereien aus der Zeit zu sehen, als Katharina von Zimmern das Fraumünster – ein Benediktinerinnenstift im Rang einer Fürstabtei – der Stadt übergeben hatte. Damals wohnte die Familie des Bürgermeisters Diethelm Röist in diesem Bürgerhaus.
Wandmalereien aus dem 16. Jahrhundert im Inneren des Hauses zum Rech am Neumarkt.
Die Ausstellung Die Äbtissin und der Bürgermeister stellt die Lebensgeschichten der zwei Hauptbeteiligten einander gegenüber: Äbtissin Katharina von Zimmern (1478-1547) und Bürgermeister Diethelm Röist (1482-1544). Kurator Martin Illi setzt sie symbolisch auf eine Waage und misst durch die Ausstellung hindurch, wie viel Gewicht sie in den jeweiligen Situationen auf die Waage bringen. Eigentlich ist der Stadtadelige Diethelm Röist im Verhältnis zur hochadeligen Katharina von Zimmern ein Leichtgewicht. Doch das ändert sich je nach Situation.
Blick in die Ausstellung. Im Verhältnis zur hochadeligen Katharina von Zimmern ist Diethelm Röist als Stadtadeliger ein Leichtgewicht.
853 gründete König Ludwig der Deutsche, ein Enkel Karls des Grossen, in Zürich ein Kloster. Er setzte seine Tochter Hildegard als Äbtissin ein, als mächtigste Frau der Stadt. Die neue Zunftverfassung unter Rudolf Brun musste 1336 zuerst durch die Äbtissin vom Fraumünster bestätigt werden, bevor sie rechtskräftig wurde. Als Zürich im Jahr 1400 Schirmherrin der Abtei wurde, griff sie in die Klosterverwaltung ein und verpflichtete die Untertanen auf dem Land zur Zahlung des Zehnten an die Stadt.
Das Fraumünster zurzeit Katharinas von Zimmern. Replik der Altartafel von Hans Leu (um 1460-1507) im Baugeschichtlichen Archiv, Zürich. Das Original befindet sich im Landesmuseum Zürich.
Katharina stammte aus einer oberschwäbischen, hochadeligen Familie in Messkirch. Nachdem ihr Vater 1488 unter Reichsacht gestellt wurde, suchte die Familie in der Nähe der Eidgenossenschaft Schutz. Die Töchter Anna und Katharina vertraute sie 1491 der Fraumünsterabtei in Zürich an. Katharina war 13-jährig. Mit 18 Jahren wurde sie 1496 zur Äbtissin gewählt. Da für den Chorgesang zu wenig Stiftsdamen anwesend waren, wurden Klosterfrauen aus den Stadtklöstern wohl beigezogen, nicht aber im Konvent aufgenommen. 1501 gab es im Fraumünster noch sieben adelige Stiftsdamen, 1520 drei und 1522 blieb Katharina nach dem Tod ihrer Schwester Anna die einzige. Dies mochte mit ein Grund gewesen sein, dass ihr die Loslösung von der Abtei, ohne Rücksprache mit ihren Vorgesetzten, leichter fiel. Die reformatorischen Ideen waren ihr zudem bekannt.
Täfelung aus der Äbtissinnenstube der Katharina von Zimmern mit ihren Familienwappen. 1506-1508 liess die Äbtissin ein dreigeschossiges Gebäude für Wohnung und Amtsräume erstellen. 1898 musste es dem neugotischen Stadthaus weichen, doch die Interieurs wurden im Landesmuseum eingebaut.
Katharina von Zimmerns Verzichtserklärung wurde Ende November eingeleitet und die Übergabe am 8. Dezember 1524 besiegelt. Der ganze Klosterbesitz mit allen Reichstiteln fiel an die Stadt Zürich, was Katharinas Familie wenig freute. Als Gegenleistung erhielt sie das Bürgerrecht der Stadt Zürich mit Wohnrecht in der Abtei und einer reichdotierten Jahresrente mit Goldmünzen und Naturalien. Die Ausstellungstafeln zeigen dies anschaulich. Die 140,4 Hektoliter Wein pro Jahr wird sie wohl nicht alleine getrunken haben.
Verzichtsurkunde vom 8. Dezember 1524
1525 heiratete Katharina Eberhard von Rischach einen Niederadeligen aus dem Hegau, der mit seinen Söldnern 1499 im Schwabenkrieg auf der Seite der Eigenossen kämpfte und dafür das Zürcher Bürgerrecht erhielt. Doch nach verbotenen Anwerbungen von Truppen wurde er 1519 aus der Stadt verbannt und in Abwesenheit zum Tod verurteilt.
Wann Katharina Eberhard kennengelernt hatte, ist nicht bekannt. Möglicherweise hatte sie mit ihm bereits als Äbtissin eine Tochter, Regula Schwarz. Nach der Heirat wohnte das Paar mit Tochter Anna in Schaffhausen, wo ein Sohn zur Welt kam, der früh verstarb. Ihr Mann, der Militärunternehmer Eberhard von Rischach, war in Zürich für die Schlacht bei Kappel wieder gefragt und verlor dort an der Seite von Zwingli 1531 sein Leben. Katharina von Zimmern lebte noch 16 Jahre als Witwe in Zürich. Sie und ihre Kinder hatten durch ihre Heirat den Zugang zum Hochadel verloren. Das ermöglichte der Enkelin, einen Nachkommen von Diethelm Röists Bruder zu heiraten.
Die Familie Röist lebte im Haus zum Rech, was «zum Reh» bedeutet, früher auch «zum Rehböcklein» genannt. Heute ist hier am Neumarkt 4 das Stadtarchiv untergebracht.
Grossvater und Vater Röist waren in Zürich schon Bürgermeister gewesen, als Diethelm am 27. Dezember 1524 neben Heinrich Walder dieses Amt übernahm. In Zürich regierten zwei Bürgermeister halbjährlich alternierend. Die Übergabe der Abtei erfolgte unter Heinrich Walder. Diethelms Amtszeit begann spannungsgeladen mit dem Bildersturm, aufsässigen Bauern und den Täufern, die einen gerechten Staat ohne Abgaben und mit der Erwachsenentaufe forderten. Nach gescheiterter Vermittlung verurteile der Rat die vier Wortführer zum Tod durch Ertränken.
Die Schlacht bei Kappel am 11.10.1531. Holzschnitt in der Stumpfschen Chronik.
Die Ausstellung zeigt, wie durch die Reformation ein Riss durch die Eidgenossenschaft ging. Das reformierte Zürich und Bern befürchteten, dass sich die katholischen Orte mit Frankreich verbünden würden, Misstrauen und Kriegsfahr erhöhten sich. Ein erster Schlagabtausch konnte Glarus 1529 verhindern. Doch als Zürich und Bern 1531 eine Getreide- und Salzsperre gegen die Innerschweiz verfügten, kam es zur Schlacht bei Kappel, bei der Zwingli und acht Ratsherren ihr Leben verloren.
Aufgrund von Zwinglis Predigten gegen die Anbetung von Heiligenbildern folgten 1523 die ersten Anschläge auf sakrale Kunstwerke. Auch kleine persönliche Reliquien, wie diese hier, wurden von den Unterwasserarchäologen in der Limmat gefunden.
Die zwei Bürgermeister blieben im Amt und die Nachfolge von Zwingli übernahm der aus Bremgarten geflüchtete Pfarrer Heinrich Bullinger. Diethelm und Bullinger verstanden sich gut und erarbeiteten gemeinsam eine nachhaltige Verwaltungsreform. So wurde 1533 das Obmannamt geschaffen. Eines der wichtigsten Ämter der Stadtrepublik, das alle Erträge kontrollierte, die nach der Reformation aus den säkularisierten Kloster- und Stiftsverwaltungen der Stadtkasse zuflossen. In der Geschichte ging der politische Reformer Röist nie ganz vergessen. Doch der Geschichts- und Denkmalkult des 19. Und 20. Jahrhunderts gewichtete Rudolf Brun und Hans Waldmann stärker.
Katharinenturm, eine temporäre Kunstinstallation zu Ehren von Katharina von Zimmern und 500 Frauen, die in den letzten 500 Jahren das Leben in Zürich bereicherten.
Im Kreuzgang des Fraumünsters erinnert seit 2004 eine schlichte Blockskulptur an Katharina von Zimmern. Nun ist zu ihrem 500-jährigen Gedenken, anstelle des im 18. Jahrhundert baufälligen abgerissenen Südturms, der 40 m hohe Katharinenturm als temporäre künstlerische Installation errichtet worden. Die 500 darin eingewobenen Stoffbänder tragen die Namen von 500 Frauen, die mit politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Leistungen Zürichs Geschichte und Gegenwart bereicherten.
Titelbild: Eingang zur Ausstellung. Fotos: BAZ, Wikimedia Commons und rv
Bis 20. Dezember 2024
«Die Äbtissin und der Bürgermeister», im Haus zum Rech, Neumarkt 4 in 8001 Zürich