Journalist, Chefredaktor, Verleger, Programmgestalter, Medienberater, seit acht Jahren Gemeinderat in Sissach, seit zwei Jahren Alphornbläser. Seniorweb-Autor Robert Bösiger hat im Lauf seiner vierzig Berufsjahre viele verschiedene Erfahrungen gemacht. Zu Besuch beim 67jährigen Oberbaselbieter.
Am Bahnhof Sissach holt mich Robi ab. Wir kennen uns seit den 1980er Jahren, als wir beide für die «Basler Zeitung» arbeiteten. Auf dem Weg zum Mittagessen zeigt mir mein inzwischen ebenfalls pensionierter Kollege «sein» Dorf. Wir gehen vorbei am Gemeindehaus, am Heimatmuseum, an der Alten Wacht, passieren das Henkermuseum, die Papeterie Pfaff, die protestantische Kirche, stehen vor der «Oberen Fabrik», einer ehemaligen Seidenband- und Textilproduktionsstätte, in der heute Kulturveranstaltungen stattfinden. In dem legendären Lokal hat Robi exakt 100 «Nachtcafés», öffentliche Talks mit Persönlichkeiten aus Gesellschaft, Film, Musik und Politik, moderiert.
Die Wacht ist das Sitzungslokal des Bürgerrats. In früheren Jahrhunderten diente das Gebäude als Zollhäuschen, später als Wachtlokal.
Ich spüre auf Schritt und Tritt: In Sissach ist Robi zu Hause. Hier wuchs er auf, ging zur Schule, jobbte als Schüler in einem örtlichen Betrieb, gründete eine Familie. Heute schreibt er Bücher, engagiert sich für die Kultur des Oberbaselbiets und für die Allgemeinheit. Über die lokalen Bräuche wie «Hutzgüri», Latärne-Umzug mit Chienbäse oder den Banntag weiss er bestens Bescheid. Über die Geschichte der vielen historischen Gebäude auch.
Seit acht Jahren gehört Robi dem siebenköpfigen Gemeinderat an; nicht als Vertreter einer traditionellen Partei, sondern als Mitglied der «Stechpalme», einer überparteilichen Gruppierung, die vor rund 30 Jahren u.a. von der grünen Baselbieter Ständerätin Maya Graf mitbegründet worden war. Laut Programm stehen die Mitglieder der «Stechpalme» ein für ein zeitgemässes Bildungsangebot, wollen die kulturelle Vielfalt fördern, kämpfen für ein begrüntes, naturnahes, aber dennoch modernes Siedlungsgebiet und streben langfristig ein energieautarkes Sissach an, unter Erhalt des Labels «Energiestadt».
Robert Bösiger (erste Reihe links), zusammen mit seinen Gemeinderatskolleginnen und -kollegen.
Als Gemeinderat wurde Robi im Februar 2024 wiedergewählt und ist in seine dritte Amtsperiode gestartet. In seine Zuständigkeit fallen die öffentliche Sicherheit (inklusive Feuerwehr, Bevölkerungsschutz, das Schiesswesen), das Kulturelle und die Kirchen. Neben vielen langen Sitzungen gehören auch angenehmere Aufgaben zu seinem Politikeralltag: So absolvierte er am Morgen vor meiner Zugsankunft einen Geburtstagsbesuch bei einer 99jährigen Sissacherin. Eine grosse logistische Herausforderung ist jedes Jahr die Organisation der lokalen 1.-August-Feier, die heuer zu seiner vollen Zufriedenheit gelang.
Robert Bösiger zwischen zwei Ehrendamen an der 1. August-Feier 2024.
Nach der Matura studierte Robert Bösiger an der Universität Basel Nationalökonomie. Für eine Bank oder Versicherung zu arbeiten, konnte er sich allerdings nicht vorstellen. Dass er im Journalismus landete, bezeichnet er als «reinen Zufall»: Als der Bundesrat zu Beginn der 1980er Jahre die Zulassung von Regionalradios ermöglichte, reichte er mit Unterstützung der damaligen Nationalräte Karl Flubacher und Hansruedi Nebiker ein Gesuch für ein Baselbieter Lokalradio ein. Nachdem die Landesregierung «Radio Raurach» bewilligte hatte, wurde er 1983 dessen erster Geschäftsführer und Programmleiter.
Das Gründerteam von Radio Raurach, Robert Bösiger rechts aussen.
Ende März 1986 verliess der Jungjournalist den Sender, um bei der «Basellandschaftlichen Zeitung» in Liestal als Redaktor Wirtschaft und Politik zu arbeiten. 1989 wechselte er in die Wirtschaftsredaktion der «Basler Zeitung». Vier Jahre später berief ihn der Verleger der Sissacher Lokalzeitung «Volksstimme» zum Chefredaktor. 2001 gab ihm der Terroranschlag auf das World Trade Center in New York, 9/11, den Kick, zur grossen «Basler Zeitung» zurückzukehren. Dort trat er die neugeschaffene Stelle eines Ressortleiters Region Basel an.
2008 veranlasste ihn der steigende Tagesdruck, verbunden mit dem Wunsch nach Veränderung, noch einmal eine neue Aufgabe anzupacken. Der ehemalige Chefredaktor der «Basler Zeitung», Ivo Bachmann, holte Bösiger in seinen kleinen Verlag, wo er vielfältige Aufgaben übernahm. Nach einem Hirnschlag 2014 konzentrierte Robi seine Arbeit auf die Produktion von speziellen Magazinen wie «Visit» (von Pro Senectute Kanton Zürich), das Medienmagazin «Edito» und das Magazin «echt». Regelmässig schrieb er auch Artikel für diese Zeitschriften. Ende 2022 ging der Medienprofi offiziell in Pension. Seither schreibt er abwechslungsreiche Porträts und Reportagen für das Magazin «Visit», diverse Zeitungen und «Seniorweb.ch».
Nach ersten Erfahrungen im Radiojournalismus widmete Bösiger seine gesamte Berufskarriere bei Printmedien.
Auf unserem Rundgang durch das Dorf sind wir in der Wohnsiedlung «Zytglogge» angelangt. Hier, in Sichtweite der Sissach Fluh, wohnt und lebt Bösiger in einer hübschen Dreieinhalbzimmerwohnung auf zwei Stockwerken. Statt eines Autos steht ein eBike vor der Tür. Bei Regen und grösseren Distanzen steigt der Pensionär auf den Öffentlichen Verkehr um. «Ich wohne gerne im ländlichen Sissach. Hier gibt es alles: Schulen, Geschäfte, Ärzte, Kinderspielplätze, Kulturevents, regelmässige Verkehrsverbindungen in die Stadt und die Schweiz,» sagt er und ergänzt. «Leider sind aufgrund der attraktiven Lebensbedingungen die Mietpreise für Wohnraum so stark gestiegen, dass es sich viele nicht leisten können, in Sissach zu wohnen.»
Der Journalist lebt in Sissach in der Siedlung «Zytglogge», einer Wohngenossenschaft.
In seinem Büro oder am Wohnzimmertisch bereitet sich Bösiger auf seine Gemeinderats- und Kommissionssitzungen vor. 2025 feiert Sissach sein 800jähriges Jubiläum. Gemeinsam mit der Reformierten Kirche St. Jakob, die 500 Jahre alt wird, plant die Gemeinde zahlreiche Fest- und Kulturveranstaltungen, die sich über das ganze Jahr erstrecken werden. Robi gehört als Gemeinderat der entsprechenden Kommission «Sissach2025» an.
Am Wohnzimmertisch wird gegessen und gearbeitet.
In seiner Freizeit hört Robi Musik ab Vinyl-Platten. Er verfügt über eine umfangreiche Schallplattensammlung. Monatlich verschickt er Freunden und Bekannten einen Newsletter mit musikalischen Empfehlungen. Aus den vielen Rückmeldungen schliesst er, dass Tipps bei den Empfängerinnen und Empfängern auf Interesse stossen. Früher hat er selber Klarinette, Saxophon und Gitarre gespielt. Vor zwei Jahren hat er damit begonnen, Alphornspielen zu lernen.
Ferien verbringt Robi mit Kollegen auf dem Velo. In diesem Jahr gehts von Salzburg über die Alpen an die Adria. Zu einer schönen Tradition geworden ist, dass er gemeinsam mit seiner Partnerin jeden Sommer in Adelboden drei Wochen Ferien macht, wo die beiden grössere und kleinere Wanderungen unternehmen. Sommer und Winter erholt er sich im aargauischen Schupfart in einem umgebauten Wohnwagen.
In Adelboden findet Robert Bösiger Zeit und Musse um zu wandern.
Ein Journalist bleibt ein Journalist, auch nach der Pensionierung. Deshalb würde es mich nicht wundern, wenn in den nächsten Wochen und Monaten weiterhin interessante Artikel von Robert Bösiger auf Seniorweb.ch erschienen werden: über illustre Persönlichkeiten, fantasievolle Alltagsgeschichten.
Auf der Rückfahrt nach Bern konsultiere ich Robis Webseite und lese, wie er sich selbst beschreibt: «Neugier, Kreativität, Redlichkeit, Liebe zu Natur und Umwelt sowie eine Portion Unangepasstheit.» Das ist Robi. So habe ich ihn vor 25 Jahren kennengelernt.
Titelbild: Im Wohnzimmer bewahrt Robi Bösiger seine vielen Vinyl-Platten auf und liest in Musik-Magazinen. Fotos ZVG und PS
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