StartseiteMagazinGesellschaftDürrenmatt und die Atombombe

Dürrenmatt und die Atombombe

Die Konstruktion der Atombombe und ihr Abwurf veränderten das Schicksal der Menschheit. Friedrich Dürrenmatt erkannte das früh. Das Centre Dürrenmatt in Neuchâtel zeigt dazu Werke von ihm selbst und von einigen Kunstschaffenden der Gegenwart.

Als im August 1945 die ersten Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen wurden, war Friedrich Dürrenmatt 24 Jahre alt. Schon als Kind hatte er Katastrophen gezeichnet, – damals wie heute ein prickelndes Thema für die Fantasie von Kindern. Die Physik begeisterte ihn, aber er studierte Philosophie und liess sich auf erkenntnistheoretische Fragen ein. Später erklärte er, dass ihn die Entwicklung der Atombombe nicht besonders überrascht habe.

 «Der Inhalt der Physik geht die Physiker an, die Auswirkung alle Menschen.
. . . Was alle angeht, können nur alle lösen.»

Stets engagierte sich Dürrenmatt für aktuelle Fragen in der Gesellschaft, daher auch für Anti-Atomkraft-Initiativen oder in Bürgeraktionen und pazifistischen Manifesten. Er betonte, dass wir unsere Denkweise ändern müssten, wollten wir die Menschheit vor dem Untergang bewahren.

Friedrich Dürrenmatt: Es steht geschrieben. Apokalyptische Vision. Tusche auf Papier. Um 1946 (Foto mp)

Wie in vielen seiner Werke verknüpfte der Sohn eines Pfarrers die Gefahren der Bombe mit der biblischen Apokalypse. Seine Arbeiten zur Atombombe und ihren Konsequenzen verweisen auf andere seiner Werke über Katastrophen: Kriege, Unfälle, die Möglichkeit des Weltuntergangs. All dies finden wir sowohl in seinen literarischen Werken als auch in Gemälden oder Zeichnungen.

Den Schrecken durch Lachen bannen

Grotesken gehörten zu Dürrenmatts Kunst, ebenso bitterer Humor. Manchmal bleibt uns das Lachen im Hals stecken; in seinem Drama «Die Physiker» etwa oder in kleineren Kabarettstücken, und zeichnerisch in seinen Karikaturen, wo er das Risiko zum Thema machte, die Menschheit könne sich und ihren Planeten im Ganzen zerstören.

Friedrich Dürrenmatt, Die Physiker II (Weltraumpsalm), 1973, Mischtechnik auf Papier, Sammlung Centre Dürrenmatt Neuchâtel  © CDN/Schweiz. Eidgen.

Wer die Erde wohnbar machen will
Und freundlicher
Den lacht man aus
Jagt ihn fort
in stinkende Sümpfe
Dann vergisst man ihn

Doch sein Werk ist
nicht verloren

Den fernen Nachfahren
bringen es
leichtfertige Komödianten
wieder zurück.

Friedrich Dürrenmatts Denken ist im 20. Jahrhundert verankert, gilt gleichfalls für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, einer Zeit, in der uns die Bedrohung durch einen Atomkrieg und die Frage der Nutzung von Atomenergie abermals beschäftigen.

Ein wiederum aktuelles Gedankengut

Die künstliche Intelligenz, die heute autonome Waffen steuern kann, rückt die Frage der Verantwortung noch stärker in den Mittelpunkt. Dürrenmatts Fragestellung bleibt weiterhin aktuell, ob der Mensch tatsächlich unfähig ist, sich die möglichen Konsequenzen seiner technologischen Erfindungen konkret vorzustellen und entsprechend human – im Sinne des Humanismus – zu handeln.

Friedrich Dürrenmatt, Zorniger Schweizer Atombombe werfend, undatiert, Kugelschreiber auf Papier, Sammlung Centre Dürrenmatt Neuchâtel © CDN/Schweizerische Eidgenossenschaft

Dürrenmatt, Schriftsteller und Maler zugleich, setzte jedoch immer wieder auch hoffnungsvolle Akzente und betonte, dass er zeigen wolle, dass die «Erde eine Chance ist».

«Wie noch nie ist die Möglichkeit da, den Planeten als Ganzen zu organisieren und gerechte Lebensbedingungen für alle zu schaffen.»

Während er seine Werke als Schriftsteller stets für eine Publikation schuf, malte und zeichnete er oft nur für sich selbst, um seine Gedanken durch eine andere Form der Kreativität klarer formulieren zu können. In seinen Zeichnungen – teils Karikaturen – erkennen wir ebenso viel Ironie wie in seinen Texten. – Welcher Zwiespalt liegt in folgendem Zitat!

«Sichtbar, Gestalt wird die heutige Macht nur etwa da, wo sie explodiert, in der Atombombe, in diesem wundervollen Pilz, der da aufsteigt und sich ausbreitet, makellos wie die Sonne, bei dem Massenmord und Schönheit eins werden.»

Ergänzend zu den Werken von Friedrich Dürrenmatt eröffnen Arbeiten von Vanessa Billy (*1978), Christine Boillat (*1978), Miriam Cahn (*1949), Alain Huck (*1957) und Gilles Rotzetter (*1978) zeitgenössische Einblicke in dieses hochaktuelle Thema.

Friedrich Dürrenmatt: Atomare Bildwelten.
Eine Ausstellung im Centre Dürrenmatt Neuchâtel bis 9. Februar 2025

Titelbild: Gilles Rotzetter, Réduit national, potato blues. Öl auf Leinwand 2017 (Foto: mp)

Das Gedicht «Wer die Erde wohnbar machen will» und alle anderen Zitate sind in den Ausstellungsräumen zu lesen.

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