Wandern nach dem verregneten Herbst ist dank der lang ersehnten Hochdrucklage auch über der Baumgrenze möglich. Ein Vorschlag für schnell Entschlossene: das Bergalgatal, wo sommers der bekannte Murmeltierpfad lockt.
Wer ginge nicht gern nochmals oder auch erstmals vom Val Lugnez über die berühmte Greina-Hochebene, mit Übernachtung in der Terrihütte und Wanderung ins Tessin. Ein bescheidener Ersatz ist jetzt, in dieser Hochdrucklage Anfang November, das Val Bergalga im Avers. Sommers ein Hotspot für Familien, winters gleich ums Eck des Averser Skizentrums.
Wunderlandschaft mit Bach auf rund 2000 Meter
Also nochmals Wanderschuhe überziehen, Rucksack packen und Pullover nicht vergessen. So bald die Sonne hinterm nächsten Berg verschwindet, wird es kalt. Eine Spätherbst-Wanderung auf 2000 Meter über Meer, also einiges über der Waldgrenze beschenkt uns mit einem selten klaren Licht.
Verlassen bis nächsten Sommer: der Pferch fürs Vieh
Wir sind auf dem so genannten Murmeltierpfad im Val Bergalga, einem Seitental des Avers, unterwegs. Alles was an sommerliche Aktivitäten erinnert, ist weggeräumt, die Murmeltiere sind im Winterschlaf und die Infotafeln dazu sind eingelagert. Das Vieh ist längst auf der Weide beim Heimstall, die Alphütten mit und ohne Restauration zugesperrt, nur der Brunnen spendet frisches Quellwasser zum mitgebrachten Znüni.
Stillleben am Wegrand
Der Ausgangspunkt unserer Wanderstrecke ist mit dem Privatauto oder dem Postkurs ins Avers bequem erreichbar. Ein weiterer Vorteil dieses sommers und winters manchen vom Tourismus zu belebten Tals ist der gut ausgebaute Weg, eigentlich eine Fahrstrasse, die sogar mit einem Rollstuhl bewältigt werden könnte. Also ideal für jene, die sich nach Wandern in der einsamen Bergwelt sehnen, was ihnen wegen Altersgebresten verwehrt ist.
Eine eindrückliche Hochebene mit mäanderndem Fluss gibt es nicht nur auf der bekannten Greina, sondern im Bergalgatal auch für die nicht so Sportlichen.
Die Wanderung bis zur Alp Bergalga ist fast flach, immer über dem mäandernden Bach, der uns an die Greina-Hochebene erinnert. In der Herbstsonne, die schräg über die weiten Flächen streift, glitzern die verschiedenen Wasserläufe und schimmert das längst dürre Gras golden bis hoch hinauf zu den Felsen. Ab und zu sind dunkelgrüne Flecke in der falben Landschaft auszumachen – Wacholder oder Preiselbeerstauden, die voller überreifer Beeren hängen.
Alles bereit fürs Picknick, aber jetzt zur Nachsaison aus dem Rucksack.
Vermutlich könnten tüchtige Alpinisten noch jetzt über den Bergalga-Pass im Süden nach Soglio im Bergell hinübersteigen, es liegt wenig Schnee bis in Höhen von rund 3000 Metern, und der ist dank kalter Nächte hart und tragfähig.
Südwärts führt ein Pass ins Bergell nach Soglio.
Aber diese Passwanderung ist eine der härtesten der Alpen: Zunächst geht es sehr sanft bergauf durchs Tal, dann erreicht man die Passhöhe auf 2880 Meter, dahinter geht es auf engen Pfaden an Maiensässhütten vorbei nach Soglio. Mit über sechs Stunden Wanderzeit müssen auch trainierte Berggänger rechnen.
Blick zurück zum Piz Platta, dem höchsten Gipfel im Oberhalbstein mit fast 3400 m.
Wir dagegen wandern einfach wieder talauswärts Richtung Avers-Juppa zurück und erfreuen uns an der leicht verzuckerte Kuppe des Piz Platta und den steilen Felswänden des Piz Grisch sowie der nach Süden gerichteten Grashänge, wo sommers geheut, jetzt noch gemistet wird. Die kleinen Weiler der Walser liegen bereits im Schatten, nur noch die Heuwiesen und die neueren Hotelbauten sind besonnt.
Früher putzte man die Messer der bürgerlichen Haushalte mit solchem Sand.
Ein Genuss ist es, die Fahrstrasse zu verlassen und über die trockenen Wiesen zum Fluss hin zu wandern, nur schon weil sie die Füsse sanft massieren. Und unbeobachtet dürfen auch mal Alte am Ufer besonders schöne Kiesel suchen, den dunklen Sand studieren und gar ein bisschen mit dem Wasser spielen wie einst als Kind.
An Werktagen erfreuen sich nur ganz Wenige an dem stillen Bergtal.
Titelbild: Blick ins Bergalgatal
Fotos: E.C.