1 KommentarDer Mythos von weissen Weihnachten - Seniorweb Schweiz
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Der Mythos von weissen Weihnachten

Schnee an Weihnachten ist für viele ein sehnlicher Wunsch und weckt vielfältige Erinnerungen. Unsere diesjährige Weihnachtsserie widmet sich dem Thema «Weisse Weihnachten». Bis Weihnachten berichten unsere Redaktorinnen und Redaktoren, wie sie diesen Feiertagsmythos erlebten und was sie davon halten.

Uns eint der Wunsch nach weisser Weihnacht – und die Nostalgie. Denn, da sind sich alle sicher: Was den Schnee angeht, war es früher wirklich ganz sicher besser. Doch auf weisse Weihnachten, welche ihrem Namen auch gerecht wird, wartet man bei uns im Mittelland seit Jahren vergeblich. Aus statistischer Sicht wäre Schnee zu den kommenden Festtagen längst überfällig. Klappt es diesmal? Wohl kaum in Zeiten der Klimaerwärmung. Doch die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Erlebte Erinnerungen, die haften bleiben

Kindheitserinnerungen an weisse Weihnachten werden wach. Da raste man mit vor Kälte geröteten Wangen in der Dämmerung mit dem Schlitten die Hügel hinunter. Als erlebte Erinnerung bleibt mir beispielsweise jene Weihnachtsfeier, an der ich meine erste Skiausrüstung erhielt und flugs im Dunkeln den nächsten zugeschneiten Hügel erklomm und mit den neuen Brettern hinunterraste und dabei fürchterlich stürzte. Vielleicht sind es solche Erinnerungen, die uns sagen, dass es früher mit Schnee an Weihnachten allemal besser war. Doch wenn wir ältere Menschen heute von früheren Schneewintern erzählen, dann vermittelt uns die Statistik ein anderes Bild: Auch damals blieb Weihnachten meist grün.

Seit 2010 blieb Zürich-Fluntern an Weihnachten schneefrei. Grafik: Bundesstatistik

Gemäss Bundesstatistik lag in der Messperiode ab 1931 im zentralen und östlichen Mittelland der Schweiz in 60% der Jahre kein Schnee an den Weihnachtstagen. In der West- und Nordwestschweiz blieb es sogar in 75% der Jahre grün über die Weihnachtstage und in tiefen Lagen der Alpensüdseite gab es in über 80% der Jahre kein weihnachtliches Weiss. Wirklich weisse Weihnachten gab und gibt es nur in den Bergen. Doch auch hier macht sich offensichtlich die Klimaänderung bemerkbar, indem die Schneefallgrenze immer höher klettert. Im extrem schneearmen Dezember 2016 blieb selbst Davos auf 1600m Höhe am Weihnachtstag schneefrei.

Weisse Winterlandschaften in allen Varianten

Nicht nur in der Märchenwelt, sondern auch in unserer Konsumwelt wird Weihnachten bis heute durchwegs weiss dargestellt. Woher kommt eigentlich die unerschütterliche Hoffnung auf weisse Weihnachten? Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war Schnee weder romantisch noch ein Weihnachtssymbol. Gemäss der Schweizer Klimaforscherin Martine Rebetez war in den 1850er Jahren Schnee auf Weihnachtskarten die Ausnahme, ab den 1860er Jahren aber die Regel.

Dem Vernehmen nach berichteten Auswanderer, die in Nordamerika lebten, ihren in Europa gebliebenen Verwandten von den schneereichen Dezembern in ihrer neuen Heimat. Oft legten sie Postkarten bei, die idyllische weisse Landschaften zeigten. Weitere Schneepostkarten empfing man aus den Alpen, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zum Urlaubsort vor allem für Briten avancierten. Und die amerikanische weisse Weihnacht, so wie sie in «White Christmas» besungen wird, bleibt im Übrigen auch nur ein Traum. Weil es eben kein Weihnachtslied aus Nordamerika, sondern aus dem sonnigen Kalifornien ist.

Doch warum genau gegen Mitte/Ende des 19. Jahrhunderts der Schnee zur Feiertagssymbolik wurde, kann heute nicht schlüssig beantwortet werden. Obschon die schnöde Statistik den Mythos von weissen Weihnachten gewaltig entzaubert, Tatsache bleibt, dass eine weisse Schneedecke an Heiligabend nach wie vor ganz besondere Emotionen auslöst. Es liegt ein frischer Duft und eine angenehme Stille in der Luft. Ein Gefühl, das einfach zum besinnlichen Fest Weihnachten passt. Und genau dieses Highlight bleibt in unseren Köpfen besonders hängen. Deshalb bleiben diese Feste – so scheint es – länger in Erinnerung.

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  1. Zu meinen schönsten Kindheits- und Jugenderinnerungen gehören die Feiertage über Weihnacht und Neujahr. Der Schnee deckte mit dicken Flocken unser Stadtquartier zu. Alles wurde leiser, unter den Schuhen knirschte es und mein Lieblingsbaum, eine alte Eiche vor unserem Haus, war zentimeterdick mit Schnee bepackt. In diesen Tagen wurde ich als Kind, auf dem «Gibe» (Berndeutsch Schlitten) sitzend, von meiner Mutter in den nahen Wald gezogen. Wir fütterten Eichhörnchen und Vögel und es gab eine kurze Abfahrtspiste, die ich unermüdlich auf und runter sauste, bis ich meine Finger und Zehen vor Kälte nicht mehr spürte.

    Als Jugendliche gelangen die ersten Skifahrversuche auf dem verschneiten «Güsche» (Hausberg Gurten von Bern); doch der Schlitten blieb immer mein liebstes Fortbewegungsmittel auf dem Schnee. Obwohl sonst keine Kirchgänger, habe ich noch die besinnlichen Weihnachtsfeiern mit Pfarrer Schürch in der nahe liegenden Friedenskirche in Erinnerung. Für die Kinder gabs jeweils ein Säcklein mit Lebkuchen, Mandarinen und Schoggitalern und einen festen Händedruck und ein freundliches «Gutes Neues Jahr» vom protestantischen Pfarrer, der mich getauft und konfirmiert hatte.
    In den folgenden Jahren war nicht nur meistens der Schnee über die Feiertage verschwunden, leider auch die Unschuld der Gedanken an die Botschaft von Weihnachten.

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