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Den Journalismus retten

Von Publizist Roger de Weck liegt ein neues Buch vor, Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen, lautet der Untertitel. Ohne Fragezeichen. Der ehemalige SRG-Generaldirektor hält dafür, «Journalismus zu machen, trotz der Medien».

De Weck war einst Chefredaktor der Hamburger Zeit und des Tages-Anzeigers. Sein Buch enthält sieben Kapitel. Die ersten drei zeichnen «ein kleines Sitten- und Unsittenbild des Journalismus in Geschichte und Gegenwart». Das vierte Kapitel schildert «den laufenden Gegenangriff auf die Medienfreiheit». Und die weiteren Kapitel skizzieren, was zu tun ist, wie sich der Journalismus selbst helfen kann und warum ihn der Staat dabei unterstützen muss. Staatliche Förderung stärkt die Staatsferne und Freiheit des Journalismus, bilanziert de Weck, «sofern eine unabhängige Förderinstanz allgemeingültige feste Regeln anwendet».

Zuerst blickt de Weck auf den Journalismus zurück nach vorn. Er erhellt historisch relevante Bezüge sowie Fakten zur Vielfalt und Macht der Medien. Bei etlichen Konzernen müssten der Umsatz und die Rendite stimmen, «aber nicht zwingend die Informationen». Und «auf der Suche nach sich selbst», feierten und beargwöhnten narzisstische Medienschaffende «das eigene, oft vergebliche Tun». Sie reagierten dünnhäutig auf Kritik und lästerten boshaft über andere Medien. De Weck unterscheidet den Medienbetrieb vom Journalismus, dessen Unabhängigkeit immer heftiger mit der wirtschaftlichen Zwangslage diverser Medienhäuser kollidiere.

Soziale Medien beeinflussten zudem einen Journalismus, der sich ihnen allmählich angleiche, statt sich zu differenzieren. Der Wettbewerb bringe stets mehr Berechenbares denn Unterscheidbares. Verlockend sei, was beim Publikum gut ankomme. Soziale Plattformen unterlägen so dem Gesetz der Wiederholung. Zudem minderten übergreifende Sparauflagen den journalistischen Anspruch auf eigenständige Berichterstattung.

Verunsicherungen nährten ferner eine gewisse Risikoscheu. Und mehr Medien könnten durchaus weniger Journalismus bedeuten. Mit inflationären News und Generalistinnen, «die sich auf die Schnelle in eine Thema einlesen» sowie Experten, «die immerzu eine Antwort haben», «kaum je Zwielichtiges aus den Machtzentren berichten» und die Meinungsinflation förderten.

De Weck beschreibt auch den Generalangriff auf den Journalismus. Demokratien schmälerten den journalistischen Freiraum. Und Interessengruppen reagierten einschüchternd auf missliebige Berichte. Der Autor berichtet von der «Gewalt gegen die vierte Gewalt» und davon wie Populismus die Presse bedroht und gerne Aufsehen erregt. Ein journalistischer Propagandismus halte indes ebenfalls für wahr, was der eigenen Argumentation diene.

Wie sich der Journalismus selbst helfen kann, legt de Weck u.a. in seinen Grundgedanken zur Pressefreiheit dar. Die Infrastruktur der Demokratie instand halten, ist für ihn eine wichtige Staatsaufgabe. «Medienförderung stärkt Medienfreiheit», schreibt er und skizziert im letzten Kapitel über Journalismuspolitik konkrete Ansätze, wie sich die Pressefreiheit ausbauen, der Journalismus zielgerichtet fördern, Leistungsaufträge neu fassen und soziale Plattformen verpflichten lassen, «neben der Presse ebenfalls zu einem Fundament der Demokratie zu werden».

Ich halte das Buch für wichtig. Es unterstützt den Journalismus und die Demokratie. Am Schluss folgt ein lesenswertes Nachwort zu Gutenberg und KI. Die Künstliche Intelligenz ist für de Weck «eine Einladung an Redaktionen, selbst zu recherchieren». Zumal die KI nur das Bekannte kenne.

Porträt Ueli Mäder © Christian Jaeggi

Roger de Weck: Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien schützen müssen. Edition Suhrkamp, Berlin 2024, 224 S. ISBN 978-3-518-12863-3

Ueli Mäder hat Roger de Weck zu einem vertiefenden Gespräch zu dem Buch «Das Prinzip Trotzdem» eingeladen. Es findet am 29. Januar 2025, ab 19.30 Uhr im Hotel Schützen in Rheinfelden statt.
Die Sissacher Gesprächsreihe Ueli Mäder & Gäste im Kulturbistro Cheesmeyer findet am 12. Dezember 2024 zum unschätzbaren Wert kulturellen Schaffens zum nächsten Mal statt.
Alle Sissacher Gespräche Ueli Mäder & Gäste, auch der Talk mit Roger de Weck am 31. Oktober, sind bereits oder demnächst als Podcast über den Kulturverein Cheesmeyer zugänglich

 

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3 Kommentare

  1. Es ist grob falsch, Journalisten/Medien/ Presse als „ 4. Gewalt“ zu bezeichnen, und anmassend, wenn Journalisten das selbstgefällig und sich selbst überhöhend tun. Weder unsere noch sonst irgendeine Verfassung kennt eine „4. Gewalt“. Die Aufgabe von Journalisten ist es, zu „sagen, was ist“ (Rudolf Augstein, Gründer des „Spiegel“), was leider selten geworden ist. Ausserdem gilt der berühmte Satz von Hanns Joachim Friedrichs: „Einen guten Journalisten erkennt man daran, […] dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache“. Thesen-, Kampagnen- und aktivistischer „Journalismus“ erfüllen diese Anforderungen nicht.

    • Natürlich haben Sie recht, Herr Lebsanft. Es gibt in keiner Verfassung eine 4. Gewalt. Sondern es ist gemeint, dass die Medien ein Korrektiv bilden. Das machen sie heute noch, all den den anderslautenden Schlagzeilen zum Trotz. Ein Bespiel: In der Stadt Bern gibts einen Oeko-Info-Bus. Er fährt durch die Quartiere, man kann dort problematische Abfälle abgeben. Ich habe das inkognito beobachtet und festgestellt, dass das Angebot kaum genutzt wird. Daraufhin habe ich gerechnet und herausgefunden, dass die Entsorgung einer AAA-Batterie die Stadt Fr 28.00 kostet. Das hat im Stadtrat einiges ausgelöst, allerdings keine Aenderung bewirkt. Aber immerhin.

  2. Die Medien haben die Aufgabe, die Bevölkerung seriös und unparteiisch über das Tagesgeschehen zu informieren, insbesondere auch über die politischen Vorkommnisse wahrheitsgetreu und urteilsfrei zu berichten. Die Vierte Gewalt oder Macht übt damit u.a. eine Kontrollfunktion über die drei Staatsgewalten Legislative, Exekutive und Judikative aus, um Machtmissbrauch zu verhindern. Damit erfüllen die Medien und der dahinterstehende Journalismus eine wichtige öffentliche Aufgabe in unserer Demokratie.

    Das von Ueli Mäder vorgestellte Buch des versierten Publizisten Roger de Weck hat sich zur Aufgabe gemacht, den Journalismus als Verfasser:in der Publikationen in den Medien, an seine ursprüngliche Aufgabe zu erinnern und die wichtigsten Marker zu setzen. Dieses Buch ist umso wichtiger in einer Zeit, in der wir einer dauernden Medienüberflutung ausgesetzt sind, die oft oberflächlich, schnelllebig und leider nicht immer wahrheitsgetreu daher kommt. Ich freue mich auf das Gespräch am 29. Januar 2025.

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