Am Jahresende ist Zeit für Rück- und Ausblick. Die Seniorweb-Redaktion formuliert in Kurzbeiträgen ihre Vorstellungen und Erwartungen zum Thema «Hoffnung» für das Jahr 2025 und darüber hinaus. Es sind unterschiedliche Sichtweisen, die zum Nachdenken anregen wollen.
Die Seniorweb-Redaktion dankt allen unseren Leserinnen und Lesern für das im abgelaufenen Jahr entgegengebrachte Vertrauen. Wir blicken zuversichtlich in die Zukunft und freuen uns, Sie auch im neuen Jahr mit unseren Beiträgen begleiten zu dürfen. Bleiben Sie uns treu!
Wir wünschen allen unseren Leserinnen und Lesern für das neue Jahr alles erdenklich Gute, Gesundheit, Erfolg, Glück und die nötige Gelassenheit und Zuversicht.
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Linus Baur: Allenthalben hört und liest man, dass das Vertrauen in die etablierten Medien schwindet, Fakten vermehrt als alternativ betrachtet werden, alternative Medien mit apokalyptischen Botschaften regen Zulauf haben. Wenig tröstlich ist da der Befund des aktuellen Jahrbuchs «Qualität der Medien», wonach die Qualität der Schweizer Medien auf hohem Niveau stagniert, die Nutzung aber dramatisch abnimmt. Und das in Zeiten, in denen Missverständnisse und Spannungen vermehrt für Gräben in dieser Welt sorgen und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz in unserem Alltag angekommen ist. Heute an Informationen zu gelangen, ist einfach. Die Herausforderung folgt dann. Die Nachrichten müssen bewertet und eingeordnet werden. Welche Informationsquelle verdient mein Vertrauen? Viele sind von der Masse an verfügbaren Informationen ganz oder teilweise überfordert, ziehen es vor, Medienberichten gezielt aus dem Weg zu gehen. Die eigene Medienkompetenz zu stärken und zu fördern ist – so meine Hoffnung für 2025 und später – notwendiger denn je.
Robert Bösiger: Hoffnung – ein grosses Wort fürwahr! Ein guter Freund von mir hat einmal gesagt, als ich mich über etwas masslos geärgert und gesagt habe, ich hoffe, dass…»: Ob Krieg in irgendwo, ob gesellschaftlich Fragwürdiges hier, eine politisch heikle Frage da, solle man immer zuerst drei Fragen für sich selber stellen und möglichst ehrlich beantworten. Nämlich: 1. Betrifft es mich konkret? 2. Verstehe ich etwas davon? 3.Kann ich selber etwas beeinflussen? Nur wenn ich alle Fragen mit einem JA beantworten kann, sollte ich mich damit beschäftigen. Und wenn es auf eine, auf zwei oder auf drei Fragen ein NEIN gibt, dann spülen. Weg damit!
Ich finde: Dieser Ansatz hat was, relativiert so manche gehegte Hoffnung. Dennoch kann ich mich trotz regelmässigen Übens nicht restlos dafür begeistern. Viel eher, so glaube ich, ist das Hoffen ein Ausdruck von Pessimismus aus der Deckung heraus. Besser wäre es wohl, mehr Demut zu leben – und deshalb offensiv mutiger und optimistischer in die Zukunft zu blicken.
Eva Caflisch: Auf der Achterbahn, die immer schneller in immer waghalsigere Kurven rast und dabei nur abwärts fährt – etwa so wie in Friedrich Dürrenmatts Kurzgeschichte Der Tunnel. Das wäre die dystopische Variante der Zukunftsaussichten. Aber grad jetzt kann ich so etwas nicht mehr schreiben, denn ich habe Besuch: Drei kleine Kinder aus meinem Stamm sollen doch grösser werden, ohne dass sie in Kriege geraten, die machtgierige egozentrische Narzissten vom Zaun brechen. Und sie sollen auch grösser werden, ohne dass ihre Lebensgrundlagen so zerstört sind, dass die Natur daran stirbt, das hat mir ihr lebhafter, neugieriger, vielseitig interessierter Alltag nachhaltig gezeigt. Ein Philosoph, der eigentlich Berufsmusiker ist, hat mich unlängst schon darauf hingewiesen, dass seit je und auch künftig im letzten Moment Lösungen für die Weiterexistenz der Menschen, Tiere, Pflanzen und Pilze auf unserem Blauen Planeten gefunden werden.
Sibylle Ehrismann: Das Wort „Hoffnung“ ist schön und gut. Aber angesichts der Umweltzerstörung, der aktuellen Kriege und der Social Media-Tragödien verliert man sie auch gerne. Lernen die Menschen denn nichts dazu? Unser Leben findet hier und jetzt statt. Meine Hoffnung ist, dass auch junge Menschen den direkten persönlichen Kontakt wieder schätzen lernen. Und sich gegenseitig nicht anonym fertig machen, sondern sich respektvoll begegnen. Ich jedenfalls habe begonnen, anstelle von SMS-Nachrichten wieder mehr zu telefonieren. Und Interviews, die ich als Journalistin mache, nicht mehr nur per Telefon, sondern im direkten Kontakt zu führen. Das ist viel interessanter. Zudem bin ich in unserem Dorf einer „Singwerkstatt“ beigetreten, um die Leute hier besser kennen zu lernen. Das macht echt Freude.
Maja Petzold: Wer sich intensiv mit der deutschen Sprache und ihrer Geschichte beschäftigt, wird verstehen, dass ich auch bei einem so eindeutigen Begriff wie Hoffnung gern das Herkunftswörterbuch zur Hand nehme, und sei es nur als Inspiration. Hoffen, lese ich da, ist verwandt mit dem niederländischen hopen und – fast gleichlautend – mit dem englischen to hope. Klar, so viel Englisch lernt heute jedes Kind. Dieses sei nun vielleicht mit der Wortgruppe von hüpfen verwandt und würde dann bedeuten: «zappeln (vor Erwartung)», «aufgeregt herumhüpfen».
Zuerst schüttle ich den Kopf, erstaunt und amüsiert, dann begreife ich: Hoffnung bekommt hier eine ungewöhnlich positive Bedeutung im Sinne von Vorfreude: In freudiger Erwartung hüpfe ich ungeduldig herum wie ein Kind. Die hoffnungsvolle Erwartung packt mich von Kopf bis Fuss. – Eleanor Roosevelt sagt dazu: «Die Zukunft gehört denen, die an die Schönheit ihrer Träume glauben.»
Bernadette Reichlin: Hoffnung lässt vieles zu. Den Weltfrieden ebenso wie die Erwartung, dass der Braten an Neujahr gelingen möge. Für unser Redaktionsteam hoffe ich nur eines: Dass unsere Vielfalt, unsere unterschiedlichen Blickwinkel und unsere vielfältigen Interessen nicht einer «Klickraten- Schere» zum Opfer fallen. Dass also nur noch solche Beiträge verfasst werden können, die hohe Aufmerksamkeit generieren und «Randthemen» keinen Platz mehr haben. Ein Kollege hat uns das vor Jahren mal deutlich vor Augen geführt: Ein Bundesrat brach während einer Sitzung zusammen – Herzinfarkt. In derselben Zeitung, in der diese Meldung erschien, fand sich die Geschichte vom Lama Klara, das seinen Partner verloren hatte und nun, allein, laut Tierschutzverordnung, entweder weggegeben oder getötet werden musste. Und welche Meldung generierte mehr Klicks? Eben. Ein Happy End für Klara wünschen sich sicher alle, aber bitte, Relevanz, auch ohne Klickraten-Höhenflug, sollte doch immer noch an erster Stelle stehen. Hoffe ich.
Josef Ritler: Mit Vorausschau ins nächste Jahr fliessen die Gedanken. Hoffnung in der Literatur: Bücher und Gedichte, die das Thema Hoffnung behandeln, wie „Die Unendliche Geschichte“ von Michael Ende oder Gedichte von Rainer Maria Rilke. Zitate: Inspirierende Zitate über Hoffnung, z.B. von Nelson Mandela oder Anne Frank, die Mut machen und zum Nachdenken anregen. Filme: Filme, die Hoffnung thematisieren, wie „Die Verurteilten“ oder „Das Leben ist schön“, die zeigen, wie Menschen in schwierigen Zeiten Hoffnung finden. Kunst: Kunstwerke, die das Gefühl der Hoffnung vermitteln, z.B. Gemälde oder Skulpturen, die positive Emotionen ausstrahlen. Persönliche Geschichten: Berichte von Menschen, die trotz widriger Umstände Hoffnung bewahrt und dadurch ihre Lebenssituation verbessert haben. Hoffnung in der Natur: Die Schönheit der Natur als Symbol für Hoffnung – z.B. der Frühling nach einem langen Winter oder das Wachstum eines Baumes. Umarmen Sie einen Baum und seien Sie dankbar, dass es ihn gibt. Psychologie: Die Rolle von Hoffnung in der Psychologie und deren Einfluss auf das Wohlbefinden und die Resilienz. Hoffnung in Krisenzeiten: Wie Gemeinschaften in Krisensituationen zusammenkommen und Hoffnung schöpfen können. Selbstreflexion: Übungen zur Förderung der eigenen Hoffnung, wie Dankbarkeitstagebücher oder Vision Boards. Was ist Vision Boards? Ein Vision Board visualisiert deine Ziele und Träume, was dir dabei hilft, dich auf das zu konzentrieren, was wirklich wichtig ist.
Peter Schibli: Auf Hass, Intoleranz und Gewalt in unserem persönlichen Umfeld gibt es nur eine Antwort: Sie lautet: Zivilcourage. Den Mut haben, sich einzumischen, kann man lernen. Es gibt in der Schweiz mehrere vielversprechende Initiativen und Ansätze, die Hoffnung auf mehr Zivilcourage machen: Ein StattGewalt-Rundgang bietet realitätsnahe Übungen zur Stärkung der Zivilcourage. Teilnehmende erleben gespielte Szenen von Übergriffen und können verschiedene Interventionsmöglichkeiten ausprobieren. Seit 2005 haben über 12’000 Menschen an solchen Rundgängen teilgenommen, was das grosse Interesse am Thema zeigt. Amnesty International Schweiz führt Zivilcourage-Trainings durch. Die Universität Zürich entwickelt ein wissenschaftlich fundiertes Zivilcourage-Training für verschiedene Bildungskontexte. Der «Zivilcourage-Kompass» vermittelt praktische Handlungsstrategien für den Alltag. Die Schweizerische Kriminalprävention schliesslich bietet umfangreiche Informationen und Hilfestellungen zum Thema an.
Diese vielfältigen Ansätze in Bildung, Forschung und Praxis zeigen, dass Zivilcourage in der Schweiz aktiv gefördert wird. Die breite Beteiligung verschiedener Akteure und das anhaltende Interesse der Bevölkerung geben Anlass zur Hoffnung, dass Zivilcourage im neuen Jahr weiter gestärkt und ausgebaut wird.
Beat Steiger: Karl Vorländer gab einige Monate vor dem 1. Weltkrieg im November 1913 Immanuel Kants Schrift «Zum ewigen Frieden» von 1795 neu heraus. In der Einleitung schreibt Vorländer: Kants Zuversicht auf eine Verwirklichung des «ewigen Friedens» bedeute nicht ein Aufhören allen Kampfes, «sondern nur Verdrängung seiner brutal-tierischen Formen durch Vernunft und Recht.» Diese Zuversicht sei kein «leerer Wahn», sondern bleibe eine «Aufgabe».
Es ist weiterhin zu hoffen, dass die Völker sich zu einer weltweiten Friedensgemeinschaft zusammenfinden. Wir können heute in Sekundenschnelle mit jedem Menschen auf dem Planeten kommunizieren. Mögen wir miteinander respektvoll in Worten und nicht mit Waffen um eine vernunftgeleitete Form eines friedlichen Zusammenlebens auf unserem durch die Klimakrise arg gebeutelten Planeten streiten.
Peter Steiger. Zum Kirchenkaffee kommen für ein Mal mehr Leute als sonst, an die 30 Besucherinnen und Besucher. Die Sigristin muss umdisponieren – von Porzellan zu Pappbechern. Einwegbecher hat sie zu verwenden, weil die Berner Vorschriften dies anordnen. Handabwasch sei zu wenig gründlich. Bei mehr als 25 Tassen muss ein Geschirrspüler her. Weil keiner da ist, trinken die Besucher den Kaffee aus plastifiziertem Einweggeschirr. Um dieses dann unökologisch in den Abfall zu schmeissen. Hoffentlich erkennen die Behörden diesen Unsinn. Und weiter: Gut, dass Ämter unseren Schlummer schützen. Aber doch nicht so. In einigen Kantonen sind abends nach zehn Uhr High Heels untersagt. Hoffentlich dürfen Damen künftig auch nach der behördlich geregelten Pyjama-Verteilung Stögeli-Schuhe tragen. Und zum Schluss: Weil das Wasser rauscht, dürfen Männer in Teilen der Schweiz nach 22 Uhr nicht mehr stehend pinkeln. Hoffentlich setzt sich das landesweit und ganztags durch – hoffentlich auch bei mir.
Ruth Vuilleumier: Hoffnung, Wünsche und Erwartungen liegen nahe beieinander. Manchmal erfüllen sie sich, manchmal nicht. Das erinnert mich an die Geschichte vom Schellen-Ursli aus dem Buch von Selina Chönz, die meine bald dreijährige Enkeltochter immer wieder hören will. Statt der grössten Glocke erhält Ursli die kleinste für das Frühlingsfest am «Chalandamarz». Enttäuscht zieht er sich zurück. Da kommt ihm die grosse Glocke auf dem Maiensäss in den Sinn. Er rennt los, holt sie vom Berg herunter und darf dann mit seiner Glocke den Umzug stolz anführen.
Auch wenn sich Hoffnungen nicht erfüllen, gibt es Menschen, die selber aktiv werden und dazu beitragen, dass es der Welt etwas besser geht. Wie Agnes Benz-Tiziani, die vor über zwanzig Jahren mit dem Verein «Hand für Afrika» ein Hilfswerk zur Selbsthilfe im Senegal angestossen hat. Mittlerweile werden dort nebst Schulen auch Geburtsstationen und landwirtschaftliche Projekte aufgebaut. Auch wenn es nur ein Tropfen auf den heissen Stein ist, gibt er den Menschen Zuversicht, und sie kehren wieder in ihre Täler zurück; Seniorweb hat unlängst darüber berichtet.