Mein Nachbar Fritz Landolt* ist achtzig Jahre alt und lebt in einer grosszügigen 4 ½ Zimmer Wohnung mit Garten. Sie gehört ihm. Vor einigen Jahren ist seine Frau verstorben, nun möchte er sich verkleinern. Es ist ihm wichtig, im Dorf zu bleiben.
Wir wohnen in der Nähe eines Altersheims, welches Wohnungen mit Mindestbetreuung anbietet. Wie geht Fritz bei der Suche nach einer Mietwohnung vor? Und was muss ihm diese bieten?
Seniorweb: Du lebst seit 32 Jahren in dieser 4 ½ Zimmer Wohnung. Was gefällt dir daran?
Fritz Landolt: Uns hat damals das Ambiente der Wohnung gefallen. Und sie ist sehr ruhig gelegen. Ich habe eine Holzdecke hinein gemacht, deshalb strahlt sie eine Wärme aus. Auch haben wir den ganzen Tag Sonne. Im Sommer scheint sie morgens durchs Küchenfenster, und abends ist sie milder, wenn wir im Garten sitzen. Wir waren oft draussen.
Die Wohnung und der Garten sind dir zu viel geworden. Auf wie viele Zimmer möchtest du dich verkleinern?
Ich suche eine 3 ½ Zimmer Wohnung. Sie sollte nicht im Parterre liegen, sondern in der ersten Etage mit Balkon. Immer dieses Grünzeugs und das Rasenmähen! Das möchte ich nicht mehr.
Du lebst in einem Dorf. Weshalb möchtest du hierbleiben?
Hier ist alles zentral. Ich habe fünf Minuten bis zur Bushaltestelle und zehn Minuten bis zum Zahnarzt. Zudem wurde ein neues Gesundheitszentrum gebaut. Das Altersheim ist in fünf Minuten erreichbar, dort esse ich zu Mittag. Auch die Physiotherapie, die ich regelmässig brauche, kann ich zu Fuss erreichen. Dazu kommen ein Coop, eine Apotheke und eine grosse Drogerie. So viel in einem Dorf vereint finde ich nicht wieder.
Fritz Landolt ist stolz auf seine Uhrensammlung
Und wie steht es mit den sozialen Kontakten?
Die sind mir nicht so wichtig. Ich gehe schon gerne unter Leute, aber ich mag es nicht, wenn es zu viele sind. Zuhause bin ich dann allein. Meine Partnerin ist nicht mehr da. Ich muss alles selbst entscheiden, das ist nicht so einfach. Sie fehlt mir.
Gibt es hier überhaupt ein passendes Angebot an Wohnungen? Und was müsste dir diese bieten?
Ich habe ein Angebot auf den 1. April. Sie ist in der ersten Etage, hat 3 ½ Zimmer und kostet 1700 Franken. Auf dem grossen Balkon sehe ich Richtung Gehren, er hat also Abendsonne. Dazu kommen eine Bodenheizung und ein kleiner Keller. Die Waschküche müssten wir uns teilen.
Du hattest schon eine Wohnung in Aussicht, in einem Neubau. Weshalb hast du dich zurückgezogen?
Ich schaute sie mir im Rohbau an. Es ist eine 2 ½ Zimmer Dachwohnung und hätte mich 3000 Franken gekostet. Man hat die Dachschräge, und alles ist verwinkelt. Das hat mich sehr beengt. Sie hat auch keinen Keller und keinen Estrich. Ich zog mich von meinem Vertrag zurück. Das hat mich zwar einige tausend Franken gekostet, aber diese Wohnung wollte ich nicht.
Das Altersheim bietet ebenfalls Wohnungen an. Wie sieht es da aus?
Ich stehe dort auf der Interessentenliste. Zu Beginn meiner Suche wurde eine Wohnung frei, sie war aber nach Norden ausgerichtet. Ich möchte nicht nach Norden schauen. Dann hiess es, es werde bald wieder eine Wohnung frei, doch das dauerte. In der Zwischenzeit hatte ich für die Wohnung im Neubau unterschrieben. So verpasste ich auch dieses Angebot des Altersheims.
Bonsai und Sträucher brauchen einen strengen Schnitt
Ein Hobby von dir sind Bonsais, die hast du im Sommer auch im Garten. Was machst du nun mit ihnen?
Von diesen möchte ich acht bis zehn mitnehmen. Ich bin in einem Bonsai-Club in Oerlikon. Dorthin werde ich sie bringen und verschenken.
Du hast auch eine wertvolle Sammlung von Uhren. Was machst du damit?
Die Uhren nehme ich mit. Ich höre die Zeit gerne. Die Kuckucksuhr zeigt mir immer an, welche Zeit wir gerade haben. Mein Motto für die Uhrensammlung war schon immer: „Die Uhr schlägt alle!“ (lacht)
Fritz Landolt liebt Uhren
Du hattest immer Katzen, die letzte ist seit ein paar Jahren gestorben. Weshalb hast du keine mehr?
Ich bin achtzig Jahre alt. Was geschieht mit dem Tier, wenn mir etwas passiert? Ich will nicht, dass meine Katze dann in ein Heim muss. Und wenn ich in der ersten Etage lebe, wird’s eh schwierig. Ich möchte, dass die Katze raus kann.
Welche Möbel möchtest du mitnehmen?
Meinen Esstisch und die sechs Stühle. Der Bauernschaft ist ein Andenken an meine Eltern, den möchte ich trotz seiner Grösse mitnehmen. Mein Vater hat ihn abgelaugt, und meine Mutter hat ihn schön bemalt. Sie hatte einen Kurs in Bauernmalerei besucht und konnte das sehr gut. Dazu kommen der Clubtisch und das Sofa, auf dem ich jeweils meinen Mittagsschlaf halte. Aus dem Schlafzimmer nehme ich den Schrank und die Kommode mit, ich kaufe mir aber ein neues Bett. Ich werde vieles weggeben müssen, entweder an ein Brockenhaus, oder ich entsorge es.
Fritz in seiner Wohnung. Im Hintergrund der Bauernschaft
Du lebst in einer Eigentumswohnung. Dein Sohn zeigt Interesse an der Wohnung. Weshalb hat er sich wieder zurückgezogen?
Wir hatten Differenzen, aber es ging nicht ums Geld. Er meinte, er würde eine Wand rausnehmen und die Holzdecke, die ich eingebaut hatte, runter reissen. Ich reagierte etwas heftig: das könne er doch nicht machen! Er warf mir vor, dass ich stets etwas gegen seine Ideen hätte. Und er begründete den Rückzug damit, dass er lieber in die Stadt ziehen möchte. Ich werde vieles loslassen müssen, aber ich habe ja noch etwas Zeit.
Wie suchst du nun andere Interessenten?
Es hat sich herumgesprochen, dass ich die Wohnung verkaufen möchte. Es gab mehrere Interessenten. Dann sagten mir die Nachbarn, bei denen ich einmal pro Woche zu Mittag esse, sie wüssten jemanden, der hierher passt. Der Interessent ist auch schon achtzig und wohnt noch in seinem grossen Haus an bester Lage. Er war Mechaniker und hätte Freude daran, bei uns eine Art Hauswart zu sein, wie ich es bin. Mein Problem ist, dass er das Haus erst auf Ende Jahr verkaufen kann, ich aber auf den 1. April eine Wohnung in Aussicht habe. Über Monate sowohl die Hypothek als auch die Miete zu bezahlen, würde mich viel Geld kosten.
Fritz Landolt und die Autorin im Gespräch
Im Gespräch mit Fritz wurde mir klar, dass es schwierig ist, den Verkauf einer Eigentumswohnung und das Mieten einer anderen zu koordinieren. Auch hatte Fritz anfangs Ansprüche, die er mit der Zeit loslassen musste. Zudem verspielte er zwei Chancen auf eine Wohnung im Altersheim. Als ich ihm eine Woche nach unserem Gespräch im Treppenhaus begegnete und nach der neuen Wohnung fragte, winkte er ab. Er hätte sie zwar bekommen, aber er habe wieder abgelehnt: sie habe keinen Lift, und auf dem Balkon sehe er nur an das Haus vis à vis, nicht ins Grüne. „So wie es aussieht,“ meinte er resigniert, „bleibe ich nun doch hier. Ich mag dieses ewige Hin und Her nicht mehr.“
* Name geändert
Alle Fotos: Josef Ritler