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Mein alter Schulkollege

Marcel Tanner, mein alter Schulkollege, ist ein «Pionier der globalen Gesundheit». So beschreibt ihn der Historiker Lukas Meier in einer Biographie, die im Mai 2025 erscheint.

Seit einem halben Jahrhundert setzt sich der Epidemiologe mit Viren, Parasiten und Bakterien auseinander. Er kämpft gegen Malaria, Wurmerkrankungen, Aids und Covid. Einst doktorierte er über die Afrikanische Schlafkrankheit, leitete dann als Professor der Universität Basel das Schweizer Tropen- und Public Health Institut sowie die Aussenstation Ifakara in Tansania. Und bis 2023 präsidierte Tanner die Akademien der Wissenschaften Schweiz. Somit war er quasi der oberste Wissenschaftler der Schweiz. Aber davon hält der alte Pfadfinder nichts. Sein Herz schlägt für den «Busch». Er kniet gerne in den «Dreck» und kommt von unten.

Tanner ist ein Arbeiterkind. Im Basler Stadtquartier Breiti aufgewachsen, verwehrte ihm sein Lehrer im Sevogel-Schulhaus das Gymnasium: «Dein Vater war doch auch nur ein Sattler.» Diese Aussage treibt den engagierten Forscher heute noch um. Für die Work-Live-Balance ist er kein gutes Beispiel. Für Development from Below (Entwicklung von unten) schon. Tanner arbeitet gerne mit der lokalen Bevölkerung in abgelegenen Gebieten. Mitten in Afrika. Zum Beispiel während den Bürgerkriegs-Wirren in der Côte d’Ivoire (ehemals Elfenbeinküste).

Das war zu Beginn unseres Jahrhunderts. Zuvor zerfielen die Kaffeepreise. Damit erhöhten sich Armut und Spannungen. Und Tanner baute mit seinen Mitarbeitenden in über fünfzig Grenz-Dörfern Primary Care Centers auf. Das sind Dorfsamariterposten. Hinzu kamen kommunikative Netzwerke und sportliche Aktivitäten. Dazu gehörte der Fussball für Jugendliche. Das half, die Dörfer zu stabilisieren. So blieben sie dichter besiedelt. Und die Schulen hielten den Unterricht weiter aufrecht. Das hinderte Söldner aus dem nahen Liberia daran, Kindersoldaten zu rekrutieren.

Wichtig ist», bilanziert Tanner, «dass man bei Krisen nicht einfach wegzieht, sondern bleibt und, ohne Leben zu gefährden, beharrlich weiterarbeitet.» Das hätte auch im Sudan und anderswo hilfreich sein können. Das konsequente Arbeiten an gewöhnlichen Dingen und inneren menschlichen Werten diene dem friedlichen Zusammenleben. Unabdingbar sei «eine transparente und sachliche Information», ohne jegliche Propaganda. Mit dialogischer Kommunikation, keiner direktiven. So Tanner, der während Corona den Bundesrat mit beraten und im Fernsehen komplexe Sachverhalte verständlich vermittelt hatte.

Nach persönlichen Erkenntnissen gefragt, sagt Tanner: «Wichtig ist der Respekt. Das ist die Grundlage für jedes Gespräch, ohne vorgefasste Meinung». Und in Krisenzeiten? Ja, dann gelte besonders, Ruhe zu bewahren, «also nicht aktivistisch losschiessen, sondern Handlungsoptionen erarbeiten und lieber gemeinsam zum Fenster rausschauen, statt jeder für sich in den Spiegel». Das bringe tragfähige Lösungen.

In Tansania wollte ein Ministerium drei städtische Prestigespitäler mit internationaler Unterstützung aufpeppen. Anders Tanner: Er überzeugte damit, lieber die Peripherie mit Ambulatorien zu stärken, die entlegene Bevölkerung besser zu versorgen und die Zentren zu entlasten. Und mit Philosoph Pierre Teilhard de Chardin (1881–1955) erinnert Tanner gerne daran, es gehe nicht darum, etwas Grossartiges zu leisten. Wichtiger sei, «die gewöhnlichen Dinge in Anerkennung ihres inneren Wertes zu tun».

Soweit mein ehemaliger Schulkollege Marcel. Wir besuchten zusammen die Kantonale Handelsschule Basel. 1971 führten wir mit unserer Buben-Klasse ein Anti-Kriegsstück auf. Trotz Verbot durch das Rektorat. Walter Dellers, unser Klassenlehrer, unterstützte uns. Am 24. April 2025 werde ich mich mit Marcel Tanner im Rahmen meiner Gesprächsreihe in Sissach über seine Ansichten und sein Leben unterhalten.

Porträt Ueli Mäder, Foto: © Christian Jaeggi

Das Buch: Lukas Meier: Marcel Tanner. Ein Pionier der globalen Gesundheit. Hier & Jetzt Verlag, Zürich, Mai 2025. ISBN 978-3-03919-634-0

Im Rahmen der Gesprächsreihe «Für eine soziale und ökologische Wende» im Kultur-Bistro Cheesmeyer (gleich beim Bahnhof Sissach) empfängt Ueli Mäder am Donnerstag, 24. April um 19 Uhr zum Thema Globale Gesundheit Marcel Tanner (Epidemiologe) und Cécile Bühlmann (eh. Nationalrätin, Greenpeace).

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