Gewohnheiten spielen eine zentrale Rolle in unserem Alltag. Sie beeinflussen, wie wir unsere Zeit gestalten, wie wir Entscheidungen treffen und wie wir uns selbst wahrnehmen. Sie können unserer Gesundheit dienen, uns aber auch daran hindern, unser Verhalten zu optimieren.
Trinken Sie jeden Morgen einen Kaffee? Beenden Sie den Tag mit einem Glas Rotwein? Geniessen Sie nach dem Mittagessen eine Frucht als Nachspeise? Nehmen Sie die Treppe statt den Lift? Haben Sie es sich zur Gewohnheit gemacht, auf gewissen Strecken den Zug an Stelle des Privatautos zu benutzen? Ist der sonntägliche Kirchgang für Sie zu einem Ritual geworden?
An der Berner Seniorenuniversität sprach vergangenen Freitag Prof. Claude Messner vom Institut für Marketing und Unternehmensführung über «Gewohnheiten als Schlüssel zu Gesundheit und Glück». Das Thema stiess auf ein beachtliches Interesse, die Reihen in der Aula der Universität Bern waren dicht besetzt.
In der Aula der Uni Bern folgten am 4. April 2025 über 100 interessierte Personen den Ausführungen von Prof. Claude Messner.
Gewohnheiten sind «wiederholte Verhaltensweisen, die so oft ausgeführt werden, bis sie automatisch ablaufen». Sie erfordern kaum bewusste Anstrengung, erfolgen meist unbewusst, automatisch. Beispiele dafür sind alltägliche Handlungen wie das Zähneputzen, der Griff zur Zigarette oder das regelmässigem Konsultieren des Smartphones.
Die Macht der Gewohnheiten
Gewohnheiten können sowohl nützlich als auch hinderlich sein. Positive Gewohnheiten wie regelmässiges Sporttreiben oder gesunde Ernährung fördern unsere körperliche und geistige Gesundheit. Negative Gewohnheiten hingegen – etwa übermässiger Alkoholgenuss, Bewegungsarmut oder der Konsum sozialer Medien – können uns daran hindern, unsere Ziele zu erreichen.
Das Schöne an Gewohnheiten ist jedoch ihre Flexibilität: Mit Geduld und Disziplin können wir alte Muster durch neue ersetzen. Nach Aussage von Prof. Messner geht die Wissenschaft davon aus, dass es zwischen 18 und 254 Tage dauert, bis sich eine neue Gewohnheit etabliert hat. Der theoretische Meridianwert beträgt 66 Tage.
Wenn das Tragen eines Skihelms zur Gewohnheit wird.
Laut Messner ist es schwieriger, schlechte Gewohnheiten durch nachhaltigere, gesündere zu ersetzen, da sich ein bequemes Verhalten mit der Zeit einschleift. Einfacher ist es, alte Gewohnheiten aufzugeben, um – nach einer Pause – eine neue Gewohnheit einzuführen und sie zu leben.
In seiner Präsentation erwähnte der Verhaltensforscher und Marketingexperte als sinnvolle Gewohnheiten das Stehen während Vorlesungen oder Seminarien (Studenten), den wöchentliche Wanderausflug einer Seniorengruppe oder die Nutzung eines Modetrends (modische Skihelme, bunte Wasserflaschen).
Anleitung zur Veränderung
Die dipl. Vitaltrainerin und esa-Sportleiterin Sonja Huot-Zahnd thematisiert in ihren Fitnessstunden Gewohnheit, Routinen und Rituale im Kontext von Gesundheit und Bewegung für ältere Menschen. www.lextra.ch
Interessant waren die Ausführungen des Dozenten zur Umsetzung: Was braucht es, um eine Gewohnheit zu begründen oder zum Besseren zu verändern? Messner erwähnte drei Dinge: einen Auslöser, verbunden mit Motivation sowie eine Belohnung. Um schlechte Gewohnheiten zu ändern, können folgende Schritte helfen:
Messner empfahl herauszufinden, welche Reize eine Gewohnheit auslösen, und sich rational bewusst zu machen, weshalb man diese neue Verhaltensweise einführen möchte. Dann gehe es darum die Motivation dafür zu klären: Weshalb möchte man die Gewohnheit ändern? Klare Ziele und intrinsische Motivation erleichterten die Veränderung. Unverzichtbar sei, dass man sich für eine Gewohnheit belohne. Belohnungen helfen, die natürliche Präferenz des Gehirns für sofortige Gratifikation zu nutzen und unterstützen den Aufbau langfristiger Routinen.
Regelmässiges Wandern mit Gleichgesinnten macht Spass und ist eine gesundheitserhaltende Gewohnheit.
Als Beispiele nannte Messner ein prächtiges Bergerlebnis als Belohnung für einen Ausflug, eine moderne Sonnenbrille für regelmässige sportliche Betätigungen oder ein spannendes Buch anstelle wiederholter, unbewusster Konsultationen des Handbildschirms.
Die Werbung nutzt zu Verkaufszwecken Influencer, welche eine sinnvolle Gewohnheit vorgeben und zum Kauf eines Produkts oder zu einem bestimmten Verhalten animieren. Bundesrat Adolf Ogi betätigte sich als Influencer, als er am Schweizer Fernsehen demonstrierte, wie man energiesparend Eier kocht (Ogi-Methode) https://www.blick.ch/video/aktuell/kult-szene-erwacht-zu-neuem-leben-adolf-ogi-kocht-wieder-eier-id17521775.html. Kim Kardashian versucht sich als Influencerin, indem sie im Internet Gummibrächen als «neue Obsession» anpreist, die gut für gesunde Haare seien. https://www.stylebook.de/skincare/gummibaerchen-fuer-schoene-haut-und-haare
Zwischen Aufwand und Bewusstsein. Grafik: Sonja Huod-Zahnd https://lextra.ch nach einer Vorlage von Wolfgang Eder.
Was sind Rituale?
Rituale unterscheiden sich von Gewohnheiten dadurch, dass sie bewusst ausgeführt werden und oft mit einer tiefen emotionalen oder spirituellen Bedeutung verbunden sind. Sie können sowohl individuell als auch gemeinschaftlich sein und dienen häufig dazu, bestimmte Momente zu markieren oder eine Verbindung zu etwas Grösserem herzustellen.
Beispiele für Rituale sind:
• Eine morgendliche Meditation, um den Tag achtsam zu beginnen.
• Ein regelmässiges Familienessen als wöchentliches Ritual, das die Bindung zwischen Familienmitgliedern stärkt.
• Geburtstagsrituale oder religiöse Zeremonien schaffen besondere Erinnerungen und geben dem Leben Struktur.
Regelmässige Meditationen oder Yoga-Stunden sind sinnvolle Rituale.
Rituale können uns helfen, innezuhalten und Momente bewusster zu erleben, als Gewohnheiten dies tun. Rituale verleihen unserem Alltag Bedeutung und fördern das Gefühl von Sicherheit und Zugehörigkeit.
Fazit
In einer Welt zunehmender Unsicherheiten bieten Gewohnheiten und Rituale eine verlässliche Grundlage. Sie schaffen Ordnung im Chaos und helfen uns, Prioritäten zu setzen. Wiederkehrende Handlungen geben unserem Gehirn eine Pause von ständigem Entscheiden. Dies reduziert Stress und fördert unser Wohlbefinden.
BECAUSE ist eine Forschungsdienstleistung der Universität Bern. Sie untersucht Einstellungen, Entscheidungen und Verhalten mit dem Ziel, gesundes und nachhaltiges Verhalten zu fördern. Auf dem Foto: Prof. Messner am Ende seines Vortrags.
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Titelbild: Professor Messner anlässlich seinem Vortrag vor Mitgliedern der Berner Seniorenuniverstität. Foto PS / Pixabay.
Weiterführender Artikel:
Danke sehr für diese Informationen. Ich gehöre auch zu denen, die am Morgen vor allem nicht in den Tag starten können ohne Rituale. Gibt mir Halt und Haltung.
Halt und Haltung für den Morgen nach dem Aufstehen!