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Drei Perlen an der Bernsteinküste

Die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sind für Ferien abseits der Hauptstädte besonders interessant, weil sie eine einzigartige Mischung aus Natur, Geschichte und Kultur bieten. Seniorweb hat die drei Perlen an der Bernsteinküste bereist.

Wer die vielfältige Natur liebt, kommt hier auf seine Rechnung: Endlose Ostseestrände, beeindruckende Dünenlandschaften wie die Kurische Nehrung (UNESCO-Welterbe), Nationalparks wie Gauja (Lettland) und Lahemaa (Estland), sowie stille Moore und dichte Wälder laden zu Outdoor-Aktivitäten und nachhaltiger Erholung ein.

Wir haben die Kurische Nehrung besucht. Das Naturreservat ist eine 98 Kilometer lange, schmale Landzunge in der Ostsee, die das Kurische Haff vom offenen Meer trennt. Sie liegt teils in Litauen (52 km), teils in Russland (46 km, Kaliningrad). Die Breite variiert zwischen 380 Metern und knapp vier Kilometern.

Kapitän Sascha erklärt die Weitläufigkeit der Kurischen Nehrung.

Die Nehrung ist bekannt für ihre beeindruckenden Wanderdünen, weiten Sandstrände, Kiefernwälder und ihre einzigartige Flora und Fauna. Besonders beliebt ist der litauische Teil um Nida mit touristischer Infrastruktur und Sehenswürdigkeiten wie der Parnidis-Düne und dem Thomas-Mann-Haus. 

Drei Sommer – von 1930 bis 1932 – verbrachte der grosse Schriftsteller und Nobelpreisträger mit seiner Familie in Nida. Hier hielt er sich an seine gewöhnliche Tagesordnung, setzte die Arbeit an der Tetralogie Joseph und seine Brüder fort, verfasste den Essay «Mein Sommerhaus» und schrieb verschiedene Artikel, Briefe an Redaktionen und Verlage, Übersetzer und Freunde. Im Jahre 1933 waren Thomas Mann und seine Familie gezwungen, Deutschland zu verlassen, sie kehrten nie wieder nach Nida zurück.

Hexenberg

Überlebensgrosse Hexenstatue.

Der Hexenberg ist ein weiteres touristisches Ziel auf der Kurischen Nehrung. Schon mehr als vierzig Jahre zieht der Skulpturenpark Besuchende in seinen Bann. Seine Anfänge liegen im Jahr 1979, als Holzschnitzer und Schmiede aus ganz Litauen nach Juodkrantė eingeladen wurden. Der Eingang zum Pfad mit den hölzernen Skulpturen befindet sich an der Steintreppe zwischen zwei historischen Landmarken des Ostseebades Schwarzort, nämlich dem Evaberg und der Wilhelmshöhe. Diese Bezeichnungen erzählen von der grossen Geschichte des Kurortes und gleichzeitig von den tiefgreifenden Umwälzungen, die das einstige Fischerdorf Schwarzort (heute Juodkrantė) im 19. Jahrhundert durchlaufen hat.

Burghügel in Vilnius.

Wer eher das städtische Flair mag, kommt nicht zu kurz. Die baltischen Metropolen sind in rund zwei Stunden zu erreichen. In Riga, Vilnius und Tallinn locken historische Gebäude und Plätze zum Abtauchen in die Vergangenheit. Tallinn ist die modernste der drei Hauptstädte. Dank seiner Nähe zu Finnland haben sich hier zahllose Startups niedergelassen. Investoren sorgen dafür, dass alte Kalksteinspeicher in Hafennähe umgebaut werden. Entstanden ist so ein ebenso attraktives wie futuristisches Quartier, Rotermann City. Hier stösst der Gast auf saubere Restaurants, attraktive Büros und moderne Unterkünfte.

Rotermann City in Tallinn.

Kulturelle Sehenswürdigkeiten liegen nahe beieinander, sodass man in kurzer Zeit viel erleben kann. Ob per Zug, Überlandbus oder Mietauto: Reisen entlang der baltischen Küste ist unkompliziert. Seit der Unabhängigkeit hat Englisch das Russische als erste Fremdsprache abgelöst. Die Hotelinfrastrukturen in den Städten entsprechenden dem Niveau westlicher Hauptstädte. In ländlichen Gegenden gibt es ausreichend Pensionen oder Drei-Sternhotels.

Jugendstil-Gebäude in Riga.

Wer barocke Kirchen oder die Jugendstilarchitektur liebt, sollte Riga besuchen. Die lettische Metropole ist die unangefochtene Hauptstadt des Jugendstils in Europa. Über 800 Jugendstil-Bauten gibt es in Riga zu bestaunen. Die meisten «Art Nouveau-Gebäude» entstanden im Zeitfenster von 1900 bis 1910. Anfang des letzten Jahrhunderts muss die schnell wachsende Boomtown ein wahres Eldorado für die Architekten des Jugendstils gewesen sein. Denn die prosperierende Industriestadt braucht vor allem eines: neue Häuser.

Restaurant Olde Hanse in Tallinn: Mittelalterliches Mahl.

Bei einem Spaziergang durch Riga stösst man auf Bauten mit den typischen floralen «Art Deco-Ornamenten». Üppige Blüten und verschlungene Ranken wuchern an Hauswänden entlang. Dekorative Muser zieren die Fassaden. Leicht bekleidete Männerkörper und überlebensgrosse Frauengesichter räkeln sich unter den Balkonen.

Ob Estland, Lettland oder Litauen: Jedes Land hat seine eigene Sprache, seine Küche und seine vielfältigen Traditionen, was sich in Festen, Museen und regionalen Spezialitäten widerspiegelt. Reiseleiterin Laima bittet uns, nicht vom «Baltikum», sondern von drei unabhängigen baltischen Staaten zu sprechen.

Bernstein-Schmuck in Vilnius.

In allen drei Staaten wird einheimischer Bernstein verkauft: Bernstein zählt zu den ältesten Schmuck- und Heilsteinen der Welt. Ihm wird eine schmerzstillende und beruhigende Wirkung nachgesagt. Bernstein fühlt sich sinnlich und warm an und wird als Schmuck oder als Heilsbringer verwendet. Besonders in der südlichen Ostsee scheint es reiche Vorkommen zu geben.

Die im Stein enthaltene Bernsteinsäure gilt als entzündungshemmend und soll die körpereigenen Abwehrkräfte stärken. Darüber hinaus werden dem Stein beruhigende und stimmungsaufhellende Eigenschaften nachgesagt, die Stress, Ängste und Depressionen lindern sollen. Wissenschaftlich bewiesen sind diese Wirkungen allerdings nicht.

Wille zur Unabhängigkeit

Die drei baltischen Staaten blicken auf eine wechselvolle Geschichte zwischen Diktatur und Unabhängigkeit zurück.  Nach Jahrhunderten mit mächtigen Besatzern (Deutscher Ritterorden, zaristisches Russland)  wurden die Staaten nach dem ersten Weltkrieg (1918) politisch unabhängig.  Die Zeit der Freiheit dauert allerdings nur 21  Jahre, bis zum Einmarsch von Hitlers Wehrmacht. Auf die Nationalsozialisten folgte 1949 die Diktatur des Stalinismus.

Mit dem Zerfall der Sowjetunion nutzten die baltischen Staaten die Gunst der Stunde ein weiteres Mal: Litauen erklärte am 11. März 1990 seine Unabhängigkeit von der Sowjetunion. Lettland folgte am 4. Mai 1990, Estland am 8. Mai 1990. Nach dem gescheiterten Putsch in Moskau im August 1991 setzten alle drei Staaten ihre Unabhängigkeit endgültig durch und wurden am 6. September 1991 offiziell von der Sowjetunion anerkannt.

Britische Soldaten am Flughafen von Tallinn.

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs sind die Befürchtungen wieder gestiegen, Russland könnte zurückkehren und die drei Länder erneut verknechten. Die Wahrscheinlichkeit eines sowjetischen Angriffs ist schwer einzuschätzen. Immerhin sind die drei Länder heute Mitglied der Nato und würden wohl im Bündnisfall von westlichen Truppen verteidigt. Wer durch die Strassen geht, stellt mit Erstaunen fest, dass die deutsche Bundeswehr bereits in Litauen ist und gerade ein Manöver veranstaltet. Kanadische Truppen verteidigen Lettland, während in Estland britische Nato-Soldaten stationiert sind.

Es bleibt zu hoffen, dass der Bündnisfall nicht eintreten wird und westliche Touristen (wie wir) weiterhin die Schönheiten und die Einzigartigkeit der drei baltischen Staaten geniessen dürfen.

Titelbild: Blick auf Tallinn mit dem Fährhafen im Hintergrund. Alle Fotos PS

Galerie mit Fotos aus den beschriebenen Staaten (2025). Alle Fotos Peter Schibli

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