Früher war der Weg ins Altersheim eine Einbahnstrasse. Heute gibt es viele auch mal verwirrende Abzweigungen. Peter Burri Folliath von Pro Senectucte Schweiz hat den Überblick.
Seniorweb: Peter Burri Follath gibt es das klassische Altersheim noch?
Peter Burri-Follath: Ja, aber dieses Modell ist zunehmend ein Auslaufmodell. Klassische Altersheime wird es zwar weiterhin geben, doch sie konzentrieren sich vermehrt auf medizinische Leistungen, die in den letzten Lebensmonaten erforderlich sind. Entsprechend verkürzt sich auch die durchschnittliche Aufenthaltsdauer – sie wird heute eher in Monaten als in Jahren gemessen. Parallel dazu entwickeln sich Alters- und Wohnheime zunehmend zu intermediären Wohnformen: Neben einem grundlegenden Basisangebot können Bewohnende zusätzliche, kostenpflichtige Leistungen individuell dazubuchen. Diese intermediären Wohnformen gewinnen kontinuierlich an Bedeutung und etablieren sich als ergänzendes und zunehmend tragfähiges Standbein in der Altersbetreuung.
Viele Senioren leben seit Jahrzehnten in ihren günstigen alten Miet- oder Eigentumswohnungen.
Viele wollen nicht ausziehen. Häufig sind die Wohnungen älterer Menschen zu gross für ihre aktuelle Lebenssituation. Dennoch ermöglicht die Unterstützung durch Organisationen wie die Spitex oder Pro Senectute, dass sie weiterhin im vertrauten Umfeld wohnen bleiben können. Müssen sie dennoch umziehen, gestaltet sich die Suche nach einer passenden, altersgerechten Wohnform in der näheren Umgebung oft schwierig. Das Problem ist nicht, dass es zu wenige Angebote gibt, sondern dass sie oft am falschen Ort sind. Seniorinnen und Senioren möchten in ihrer vertrauten Umgebung bleiben, ihr soziales Netzwerk behalten und weiterhin den öffentlichen Verkehr nutzen – beispielsweise die Buslinie, mit der sie seit Jahren unterwegs sind.
Die zu grossen Wohnungen fehlen Familien mit Kindern und beeinflussen so den Wohnungsmarkt.
Man muss auch die Gründe verstehen, warum viele Seniorinnen und Senioren nicht umziehen. Häufig besitzen sie Wohneigentum in begehrten Lagen. Ein Verkauf würde zwar einen hohen Erlös bringen, doch eine vergleichbare, altersgerechte Wohnung in derselben Umgebung ist oft unerschwinglich. Dabei sind viele Neubauten inzwischen gut auf die Bedürfnisse im Alter ausgerichtet – mit Aufzügen und schwellenfreien Zugängen.
Wie beeinflusst der aktuelle Personalmangel die Qualität der Leistungen?
Der Personalmangel wirkt sich spürbar auf allen Ebenen der Pflege und Betreuung aus – unabhängig davon, ob es sich um öffentlich-rechtliche oder private Institutionen handelt. Zwar betrifft die angespannte Personalsituation die gesamte Branche, dennoch zeigen sich Unterschiede in der Bewältigung. Neben der generellen Problematik spielt das effektive Management eine zentrale Rolle: Gute Führung, kluge Einsatzplanung und eine wertschätzende Arbeitskultur können wesentlich dazu beitragen, die Situation vor Ort zu entschärfen und die Qualität der Leistungen trotz begrenzter Ressourcen aufrechtzuerhalten.
In manchen Institutionen müssen die Pensionären das Mittagessen jeden Tag gemeinsam im Restaurant einnehmen. Dieser Zwang gilt auch für die Bewohnenden von Alterswohnungen mit eigener Küche.
Dieses System ist zunehmend umstritten und dürfte ein Auslaufmodell sein. Nach unserer Einschätzung wird es nicht überall praktiziert.
Zwei Personen mit einer Zweizimmerwohnung mit Pensionszwang bezahlen monatlich 5000 bis 9000 Franken.
Das können sich tatsächlich nicht alle leisten.
In den so genannten Seniorenresidenzen lebt es sich noch weit teurer. Eine solche Residenz kostet monatlich locker 12 000 bis 13 000 Franken.
Offenbar besteht eine Nachfrage nach exklusiven Wohnformen wie Fünfstern-Residenzen, was auf ein entsprechendes Marktsegment hinweist.
Wirklich? Ich habe die Leerstände bei fünf solcher Luxus-Einrichtungen ermittelt. 25 bis 50 Prozent der Suiten waren leer.
Man kann annehmen, dass die Investoren das Geschäftsmodell gründlich geprüft und auf Wirtschaftlichkeit bewertet haben.
Wenden wir uns dem anderen Ende der finanziellen Möglichkeiten zu. Können Mieter von Alterswohnungen Ergänzungsleistungen beanspruchen?
Für Alterswohnungen gibt es keinen speziellen Tarif – die Wohnkosten werden nach denselben Berechnungsgrundlagen wie bei anderen Wohnungen ermittelt. Ausschlaggebend ist in erster Linie der Standort: In städtischen Gebieten gelten höhere Ansätze als auf dem Land oder in der Agglomeration.
Welche Hilfen bieten die Regionalstellen von Pro Senectute bei der Wohnungssuche?
Unsere Sozialberatung unterstützt Wohnungssuchende bei der Planung und stellt wichtige Kontakte her. Diese Form der Beratung ist ein zentraler Bestandteil unserer Arbeit – rund 20 Prozent der Beratungen befassen sich mit diesem Thema.
Peter Burri Follath ist Leiter Kommunikation bei Pro Senectute Schweiz.
Neue Wohnformen ersetzen das klassische Altersheim
In der Schweiz gibt es eine Vielzahl von Wohnformen für Senioren, die sich an den unterschiedlichen Bedürfnissen, dem Gesundheitszustand und dem Wunsch nach Selbstständigkeit orientieren. Die wichtigsten Wohnformen im Überblick:
– Angestammte Wohnung. Seniorinnen und Senioren leben weiterhin in ihrer eigenen Miet- oder Eigentumswohnung oder im eigenen Haus. Sie nutzen Spitex, Mahlzeitendienste, sie lassen die Wohnung barrierenfrei umbauen.
– Wohngemeinschaften. Mehrere ältere Menschen teilen sich eine Wohnung oder ein Haus, unterstützen sich gegenseitig und sparen Kosten.
– Betreutes Wohnen. Senioren leben in einer Instititution in einer eigenen Wohnung mit der Möglichkeit, Dienstleistungen (z. B. Notruf, Mahlzeiten, Reinigung) nach Bedarf dazu zu buchen.
– Alterswohnungen sind speziell für Senioren konzipierte Mietwohnungen mit barrierefreiem Zugang. Die Bewohner werden nicht betreut, können aber Dienstleistungen buchen.
– Alters- und Pflegeheime sind vollstationäre Einrichtungen mit Pflegeangebot rund um die Uhr.
– Mehrgenerationenhäuser in denen verschiedene Altersgruppen leben und sich gegenseitig unterstützen.
Pro Senectute
Auf dieser Website sind auch alle kantonalen Stellen aufgeführt
Nicht alles war früher besser: Asyle für Alte, Arme, Versorgte
1 Schweizer Rotkreuzschwestern in Böhmen, 1916. 2 Altersheim in der Nähe von Dortmund, um 1925. 3 Suppenküche in Zürich, um 1930. 4 Pflegeschülerinnen üben Betten beziehen, Krakau 1926. 5 Administrativ Versorgte und Häftlinge bei der Arbeit in den Anstalten von Bellechasse, 1950.
Fotos: Archiv für Sozialgeschichte, Staatsarchiv Freiburg, Sozialarchiv Dortmund