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Kommunikation in Krisenzeiten

2025 ist das 125. Geburtsjahr von Sozialpsychologe Erich Fromm. Die Internationale Fromm-Gesellschaft feiert das Jubiläum mit verschiedenen Aktivitäten. Im März setzten wir uns an einer Tagung im Europahaus in Bad Marienberg mit der Kommunikation in Krisenzeiten auseinander. Druckfrisch lag dazu auch das Buch Humanismus in Krisenzeiten von Psychoanalytiker Rainer Funk vor. Zudem die gründlich erweiterte Biographie Erich Fromm. Leben und Werk von Kultursoziologe Jürgen Hardeck.

In meinem Tagungsbeitrag ging ich davon aus, wie neue Kriege dazu verleiten, militärisch noch mehr aufzurüsten. Vergeltungs- und Präventivschläge sollen Krisen mit Mitteln «lösen», die sie aus meiner Sicht mit verursachen und weiter befeuern. Wir benötigen dringend friedliche Alternativen. Schon im 20. Jahrhundert nahmen mit den Waffen die Kriegsopfer massiv zu. Hoffnungen weckte dann 1989 das «Ende des Kalten Krieges». Inzwischen ist die Ernüchterung gross. Eine egomanisch Geld getriebene Politik dokumentiert, wie aktuell Fromms Buch Haben oder Sein, erstmals veröffentlicht 1976, ist.

Kriege haben viel mit dem Besitzdenken und Anhäufen von Macht zu tun. Frieden verlangt hingegen strukturelle Gerechtigkeit. Zudem eine demokratische Kultur der Auseinandersetzung. Dazu gehört für mich, selbst in Krisenzeiten, eine dialogische Kommunikation. Mit der Option: «Frieden ohne Waffen». Das Einfache ist allerdings schwierig. Unrecht und Gewalt gehören zum Alltag. Und wir gewöhnen uns daran. Aber warum? Fromm geht in seiner Schrift Zur Theorie und Strategie des Friedens von 1970 darauf ein. Sie lässt sich in Funks aktuellem Humanismus-Buch nachlesen.

Ein Befund diagnostiziert, dass die zunehmende Kluft zwischen Affekt und Intellekt feindselig stimmt. Wie die Destruktivität, disponiert sie zu einer Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben, die wiederum die Bereitschaft erhöht, sich selbst und andere zu zerstören. Laut Fromm gehen wir so «einer Entwicklung milder, aber chronischer Schizophrenie» entgegen. Die «Flucht ins Destruktive» hat, wie die Flucht ins Konforme oder Autoritäre, viel mit der «Furcht vor der Freiheit» zu tun.

Funk publizierte Fromms Schriften in zwölf Bänden 1999 bei der Deutschen Verlagsanstalt. Sie stehen schon ziemlich abgegriffen in meinem Bücherregal. Im Mai 2025 referierte der Psychoanalytiker an einem weiteren Anlass in Stuttgart über «Fromms Impulse für eine humanistische Lebensführung». Er bezog sich dabei unter anderem auf das Buch Haben oder Sein. Fromm veröffentlichte es vier Jahre vor seinem Tod in Ascona.

Haben oder Sein spricht laut Funk an, wie «der neue Wohlstand das Leben nicht wirklich bereichert», sondern «meist ängstlicher und streitbarer» macht. Das Haben reiche aber weit über materielle Güter wie Geld, Häuser und Schmuck hinaus. Nebst Macht und Erfolg, gehe es auch um Ansehen, Erfahrung, Recht und Wahrheit.

Beim Humanismus hält Fromm dafür, diesen nicht nur zu denken, sondern zu leben und Zugang zu unseren dunklen und hellen Potenzialen zu finden, so Funk. Wir Menschen sind soziale Wesen. Unbewusst schlummern missliche und andere Erfahrungen in uns. Zudem, tabuisiert und verdrängt, freiheitliche Gedanken. Wenn wir das Eigene im Fremden suchen, entdecken wir, was menschen-möglich ist. So mindern sich Gefühle der Überlegenheit, die den «Kampf der Kulturen» leiten. Das Verstehen verlangt von uns auch, respektvoll zu kommunizieren und zu hinterfragen, was gesellschaftlich normal erscheint.

Die «Liebe zum Lebendigen» erfordert ferner, Beziehungen respekt- und liebevoll mit allen Sinnen zu gestalten. Wir sind, auf Sozialität angewiesen, solidarische und kooperative Wesen. Kein Mensch kommt böse zur Welt. Destruktive Anteile verstärkten sich durch einseitige Abhängigkeit, psychosoziale Behinderung und ungelebtes Leben. Die Orientierung am Sein aktiviert hingegen eigene Kräfte. Sie motiviert auch die Bereitschaft, zu teilen und einseitige Abhängigkeiten in ein sozialen Miteinander zu verwandeln.

Titelbild: Porträt Ueli Mäder © Foto Christian Jaeggi

Buchhinweis:
– Erich Fromm, Rainer Funk (Auswahl und Vorwort): Humanismus in Krisenzeiten. Texte zur Zukunft der Menschheit. München, 2025. ISBN : 978-3-423-35259-8
– Hardeck, Jürgen: Erich Fromm. Leben und Werk. Wiesbaden 2025. ISBN 978-3-7374-1254-4

Termine:
– Mittwoch, 25. Juni 19.30 Uhr, im Hotel Schützen Rheinfelden: Ueli Mäder spricht mit dem Politilogen Laurent Goetschel über «Frieden fördern, aber wie?»
– Donnerstag, 26. Juni 19 Uhr im Bistro Cheesmeyer Sissach: Ueli Mäder und Gäste: Hansruedi Müller (eh. Direktor des Forschungsinstituts für Freizeit und Tourismus der Universität Bern) und Isabel Prinzing (Friedensforscherin Swisspeace und eh. internationale Handballerin). Thema: Können Sport und Reisen Frieden fördern?

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1 Kommentar

  1. Danke für den Buchtipp «Haben oder Sein» von Erich Fromm. In meinen Sturm- und Drangjahren habe ich die Bücher von Erich Fromm entdeckt, verschlungen und verschenkt. Und weil ich es wieder lesen will, nochmals gekauft. Ebenso nachhaltig beeindruckt hat mich auch sein Buch «Die Kunst zu lieben». Es sind beides Themen, die man auch im Zen Buddhismus findet und u.a. mit Meditation vertiefen kann.

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