Auf meine Kolumne über die Gefahr, dass das iPhone, im Volksmund Handy, süchtig mache, schrieb mir Christoph Ferber einen privaten Brief per Mail. Er klang sehr radikal. Obwohl ich meinen Kopf durch die letzte Kolumne «Was bedrängt mich» vom Heu befreit habe, blieb ich für ihn zu wenig radikal. Christoph wohnt in der Stadt Ragusa. Er ist ein hervorragender Übersetzer von italienischen Gedichten in die deutsche Sprache. Ich habe ihn sogar befragt, wie er das originelle Bild, den Kopf von Heue befreien, übersetze. Zuerst aber seine Mail in Bezug auf meinen Versuch, gegenüber dem Handy souverän zu bleiben und nicht süchtig zu werden für alles, was auf ihm zu lesen ist.
«Lieber Andreas, da bist du selber schuld, wirf doch den Scheissaparat aus dem Fenster. Habe nur ein altes Nokiatelefonino aus dem letzten Jahrtausend …» Dann erzählt er von einer Freundin und einem Freund, die ohne Smartphone auskommen und fährt mit Beobachtungen weiter: «Fast alle Touristen in Ragusa schauen nur noch auf ihr Handy anstatt auf die schönen Barockbauten. Wirf es in den Güsel, dann bist du ein freier Mensch, jetzt bist du der Sklave des Handys. Zum Teufel damit. Herzlich Christoph.»
Das war sehr klar und handfest, so dass ich ihm sofort – stante pede – fast stehend, antwortete, dass ich den Handy-Konsum ziemlich reduziert hätte und lieber Bücher lese und mit Freunden plaudere, eben wie mit dem in der letzten Kolumne erwähnten Hans, der für viele Namen steht. Kurze Zeit später verstärkte Christoph seine Meinung: «Letzthin war eine Prozession eines Stadtheiligen. Circa jeder dritte Gläubige, der dem durch die Strassen getragenen Standbild des Heiligen hinterherfolgte, hatte in der linken Hand eine Kerze, in der rechten das Smartphone; anstatt den Rosenkranz zu beten, starrten sie auf das Handy.»
Christoph liess im Unterton seinen Spott erkennen, der wohl hiess, soweit sind wir mit diesen Apparaten gekommen. Was der Mensch gerade erlebt, scheint für sie nicht wett machen zu können, was im Smartphone alles gezeigt wird. Was geht mich die Prozession an. Ich mache einfach mit, was alle anderen in Ragusa tun, wenn der Stadtheilige durch die barocken Gassen und über die Plätze geführt wird.
Ich spotte manchmal auch, wenn ich sehe, dass das Fotografieren auf einem Berg wichtiger ist als die mächtige Bergkette rundum. Schliesslich, so scheinen die Leute zu denken, habe ich ihn im Apparat und kann ihn mit nach Hause nehmen und immer wieder hervorzaubern, wenn ich Leuten zeigen will, wo ich gewesen bin. Auf dem Bild sieht er sich selbst und als Hintergrund die Drei- und Viertausender.
Dass ich nun aber etwa Christophs Rat befolgen würde, kommt nicht in Frage. Ich sage mir, hätte der Teufel selbst das iPhone erfunden, es müsste mir dienen. Denn ich schätze die Vorteile, dass ich kommunizieren und sogar viel über Ragusa erfahren und den Fahrplan der Bergbahn befragen kann. Dass ich dabei meine Souveränität des Fragens behalten will, scheint mir unerlässlich. Die italienische Übersetzung von «sich den Kopf freiheuen», heisst übrigens: «liberarsi la testa dal fieno”. Ich glaube, ohne dass der Kolumnist dieses bei sich selber tut, könnte er seine Aufgabe nicht erfüllen.


Ein Film der eigentlich ohne Worte alles aussagt:
https://www.youtube.com/watch?v=-kT5yvSe4Ig