StartseiteMagazinKolumnenBlick über den Gartenzaun

Blick über den Gartenzaun

Im bekanntesten und auch wichtigsten Werk eines grossen Philosophen gibt es eine längere Abhandlung über die Gärten.

Von einem grossen Philosophen erwartet man gemeinhin anderes. Beispielsweise:

„So ahnen wir langsam das Paradox der Freiheit: es gibt Freiheit nur in Situation, und es gibt Situation nur durch die Freiheit“. [1]

„Das Sein des Seienden ‚ist’ nicht selbst ein Seiendes“.[2]

„Wer die Wahrheit übers unmittelbare Leben erfahren will, muss dessen entfremdete Gestalt nachforschen, den objektiven Mächten, die die individuelle Existenz bis ins Verborgenste bestimmen“. [3]

So Sachen.

Doch sie können auch anders, die Philosophen.

So ist uns überliefert, dass selbst Platon seine Schüler im Freien unterrichtet habe, nämlich in einem Olivenhain Athens. Dort soll er im Schatten eines Ölbaumes, umgeben von Narzissen und Adonisröschen, auf den Gedanken gekommen sein: „Die Natur ist ein Brief Gottes an die Menschheit.“

Auch der Philosoph Epikur kam mit seinen Schülern in einem Garten in Athen zusammen. Er hatte den Garten für 80 Minen erworben, weil es weit und breit keinen größeren Raum gab, um die vielen Menschen, darunter auch Frauen und Sklaven, die von weither zu ihm kamen, an seinen Symposien teilhaben zu lassen. Epikur: „Jede Lust ist ein Gut, doch sollte nicht jede gewählt werden.“

Schliesslich Gottfried Wilhelm Leibniz, der mit „Unsere Welt ist die beste aller möglichen Welten“. Er erlebte sogar eine Revolution der Gartenkunst in Herrenhausen und hatte seine Freude an den komplexen Geometrien. Nicht weiter verwunderlich, dass Leibniz den „Garten zum Laboratorium des Erkenntnisgewinns erklärte. Und wer sich darin bewegt, erfährt immer wieder Denkanstösse.“

Zurück auf Anfang

zu dem wichtigsten Werk des grossen Philosophen Ernst Bloch. In «Das Prinzip Hoffnung» (1954-59) fragt er nach den Zukunftsintensionen, nach Wünschen und Träumen. „Ihnen allen ist ein Trieb zum Bunten als vermeintlich oder echt Besserem gemeinsam“.

Schon in der Kindheit träume man sich gross, träume man sich fern, doch der „häusliche Stall“, das Daheim, soll erhalten bleiben. Das Beschützt- und Behütetsein und alles, womit wir eine ganze Reihe sehr persönlicher Inhalte assoziieren.

Dazu gehört der umfriedete Garten, der ein „so wunderbar Anziehendes hat. Das Anziehende der Versunkenheit, ja Abgeschiedenheit, die sich selber lebend genießt. Er lässt Stille zu, Beschaulichkeit, Geborgenheit. Das Staunen und Wundern.“

In diesem Zusammenhang gibt Bloch einen Überblick in die Geschichte der Gartenkunst. Den Abschnitt beginnt er so: „…dies Freie gehört zum Menschen, vor allem das nach eigenen Wünschen gestaltete: der Garten. Er sammelt und ordnet die Blumen, zähmt Fels und Wasser, gibt Wände, die sich von selber öffnen.“ – Kommt ans Licht und wird so etwas, „was in der Seele aufgeht und dort blüht.“

Heimat als Kindheitserfahrung ist das Gedächtniswürdige

Es folgen weitere Kapitel wie z.B. „Was als Drängen vor sich geht“, die „Die Entdeckung des Noch-Nicht“, denn „Vieles schmeckt nach mehr“.

Der letzte Band enthält „Wunschbilder des erfüllten Augenblicks“. Einblicke in verschiedene Utopien, soziale, technische, architektonische, geographische, künstlerische, – verbunden mit Leitfiguren der Grenzüberschreitung, die eine andere, „eine bessere Welt abbilden“.

Für Bloch ist der „Garten Eden eine rückwärtsgewandte Utopie“, bezogen auf den Menschen. Er zitiert die Bibel: “Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ [1. Mose 1, 31]

Seitdem gehören der Garten und der Mensch zusammen, denn beide sind aufeinander abgestimmt und füreinander gewollt.

Was für sich selber spricht

Doch nicht nur das Gestern, sondern „das Morgen im Heute lebt “, so Bloch, „Es wird immer nach ihm gefragt, was noch verdeckt ist: „Glück, Freiheit, Nicht-Entfremdung, Land wo Milch und Honig fliesst, das Ewig-Weibliche, Trompetensignal im Fidelio und das Christförmige des Auferstehungstages danach; es sind so viele Zeugen und Bilder, doch alle um das her aufgestellt, was für sich selber spricht, in dem es noch schweigt.“

„Die Wurzel der Geschichte“

Nach 1628 Seiten kommt der Philosoph zu dem Schluss, der am häufigsten zitiert wird:
„Die Wurzel der Geschichte ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfasst und das Seine ohne Entäusserung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat.“
*
[1] J. P. Sartre  [2] M. Heidegger  [3] T. W. Adorno

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