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Biografie – ein Spiel?

«Biografie: Ein Spiel» ist die Konzentration eines Hauptmotivs von Max Frisch auf die Bühne. (DAS THEATER an der Effingerstrasse, Bern.) 

Vor den Augen: Eine Bühne. Mit allen Spuren und Zeichen der Proben- und Einrichtungsarbeit darauf. Leitern stehen herum, zwei Sessel im Stil der Sechzigerjahre, ein Garderobeständer mit Kleidern. Eine nackte Bühne, sonst nichts – wie es Max Frisch in seinem Stück vorsah (Spielraum realisiert von Markus Keller und Peter Aeschbacher).

Der Garderobeständer steht nicht von ungefähr. Er symbolisiert eines der literarischen Hauptmotive von Max Frisch. In «Mein Name sei Gantenbein», dem 1964 publizierten Roman, steht der Satz: «Ich probiere Geschichten an wie Kleider». Schon der erste Satz des zehn Jahre früher erschienenen Romans enthält in seinem ersten Satz dieselbe Anspielung: «Ich bin nicht Stiller!» Der letzte Satz dann lautet: «Stiller blieb in Glion und lebte allein.» Also ist er trotz der viele Seiten langen Identitätssuche derselbe geblieben. Max Frisch auf dem Höhepunkt seines Schaffens zeigt sich immer wieder fasziniert von der Frage, die ja nicht nur literarische Gestalten, sondern auch ganz alltäglich lebende Menschen bewegen mag: «Wie wäre es, wenn mein Leben an entscheidenden Punkten anders verlaufen wäre?» Oder auch: «Wenn du könntest, würdest du dies und das wieder genau gleich anstellen? Und was willst du ändern, wenn man dich lässt?»

Solche Fragen zu Ende denken lässt sich nur spielerisch. Deshalb heisst Max Frischs Stück, in der ersten Fassung 1967 erschienen und 1968 am Schauspielhaus Zürich uraufgeführt, «Biografie: Ein Spiel» Eine zweite, gestraffte Fassung, die weniger Schauspieler auf die Bühne bringt, schrieb Frisch 1984. Markus Kellers Inszenierung reduziert die Personen der Handlung auf eine Frau und zwei Männer, die in bestimmten Phasen des Stücks das erwähnte Hauptmotiv verwirklichen und – abgesehen von der Hauptperson, dem Verhaltensforscher Hannes Kürmann (Florian Eisner) – in wechselnden Kleidern weitere Personen der Kürmann’schen Biografie zum Bühnenleben erwecken. (Kostüme: Sybille Welti.)

Von links: Karo Guthke als Antoinette Stein, Peter Schorn als Spielleiter, Florian Eisner als Hannes Kürmann.

Gesteuert vom Spielleiter, wie Frischs «Registrator» der Urfassung heute heisst, hat Hannes Kürmann eine trickreiche Wahl: Er darf Momente seiner Biografie, die er als aus dem Ruder gelaufen beurteilt, die sein Leben auf ungewollte Bahnen lenkten, nochmals aufgreifen und zu einem besseren Weiterverlauf wenden. Doch darin eben besteht das «Trickreiche» dieser Möglichkeit: Es ist damit dann wiederum der ganze Weiterverlauf determiniert, und was früh zu einem Vorteil wird, kann sich nur zu oft später als Nachteil erweisen. Denn der Spielleiter registriert alles im umfänglichen Dossier; nichts geht vergessen. (Deshalb wohl auch «Registrator» bei Frisch – obschon sich der 28-jährige Max Frisch am Schauspielhaus Zürich die deutsche Erstaufführung von Thornton Wilders «Unsere kleine Stadt» angeschaut haben könnte. Wenn er ebenso beeindruckt von diesem amerikanischen Romancier und Dramatiker wie noch viele der Nachkriegsgeneration nach ihm gewesen wäre, könnte die Figur des Spielleiters ohne weiteres von ihm formal in «Biografie» übernommen worden sein.)

Das Tempo, die Rollenverwandlungen, die Leidenschaft und die Bewegung dieses Spiels um Lebensverläufe wirken mitreissend. Auch wenn manche Handlungsabläufe mit Drittpersonen als eine Art Handlungschiffren abzulaufen scheinen, ist das anregend und dem Spielcharakter des Handlungsablaufs mehr als nur förderlich. Allen voran Karo Guthke zeigt eine differenzierte, komödiantische Schau in verschiedenen Varianten, die sich von ihrer Rollen-Hauptperson, der zwar witzigen und nicht ohne Schalk, aber auch mit einer gewissen (gespielten) Verkrampfung auftretenden Antoinette Stein, auf lebendig beeindruckende Weise abhebt. Peter Schorn, der seine gewissenhafte Steuerungsfunktion als Spielleiter überzeugend darstellt, steht ihr in der Charakterisierung der Varianten-Rollen um nichts nach. Florian Eisner schliesslich als Hannes Kürmann verleiht seinen Erfolgen und seinem Scheitern, seinen Unzulänglichkeiten und seinen Stärken überzeugende, eindrückliche und auch anrührende Züge. Dem Regisseur Markus Keller und seinen drei Mitspielern gelingt ein Theaterabend, der im besten Sinne an Theater früherer Zeiten rührt, dem Autor Max Frisch und dessen Absichten in anerkennenswerter Weise gerecht wird und so beschwingte wie gewichtige, spannende und auch ein wenig nachdenklich stimmende Augenblicke beschert.

Hannes Schürmann, Spielleiter, Antoinette Stein

Bilder: Severin Nowacki. Aufführungen bis 16. März 2018.

Informationen: DAS THEATER an der Effingerstrasse

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