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Konstruktivismus mit Seele

Der südafrikanische Künstler Robin Rhode gibt im Haus Konstruktiv Einblick in sein Schaffen

Als wir Kinder waren, animierten wir, was zwei Beine hatte, zu Männchen, besonders elegant war Vaters Zirkel mit den Kniegelenken. Zwei solche Zirkel aus Stahl in Menschengrösse schweben in der Eingangshalle des Museums Haus Konstruktiv – Objekte des südafrikanischen Künstlers Robin Rhode (1976). Ihm wurde der Zurich Art Price 2018 zuerkannt, ein Geldbetrag von 20‘000 Franken und vor allem eine grosse Einzelausstellung im Haus Konstruktiv im Wert von 80‘000 Franken.

Blick in die Ausstellung, nachdem Robin Rhode mit verrussten Autoteilen bei der Vernissage zeichnete. © Foto: Museum Haus Konstruktiv (Peter Baracchi)

Robin Rhode, Street-Art- und Performancekünstler, beschreibt die je eine Ecke besetzende Zirkel als Performance zweier skulpturaler Figuren. Die Rotationsbewegung erhalten sie über Sensoren von der Energie der Menschen, die sich in dem Raum aufhalten. Entzückt kommentiert Rhode – seine Ausführungen vor den Medienvertretern immer wieder unterbrechend – das unvermutete Erwachen des einen oder anderen Zirkels, so bald sich jemand mit seiner Körperwärme dem einen oder anderen Sensor nähert: Ohne Titel und doch benannt ist das Werk, nämlich Untitled (Male & Female). Das Verschmelzen des weiblichen und des männlichen Prinzips macht er zum Thema seiner Ausstellung APlan of the Soul. Den Hinweis auf die Seele fand er in Virginia Woolfs Essay A Room of One‘s Own von 1929, worin sie über Kreativität nachdenkt, die der harmonischen Verschmelzung von Männlichem und Weiblichem entspringt. Einerseits beseelte Objekte, andererseits der konstruktivistische Hintergrund – sie sind in Rhodes Arbeiten zentral.

Ein Tänzchen mit der Metallfigur. Ausstellungsansicht. Foto: © Museum Haus Konstruktiv (Foto: Stefan Altenburger)

Mitten in der weiss gestrichenen Halle, als Scheitelpunkt eines gleichseitigen Dreiecks mit den Zirkeln steht ein Objekt aus einem Damen- und einem Herrenvelo – beide schwarz gesprayt, über Kreuz gestellt und so verschränkt, dass sie ein vereintes Paar Liebender, LVERS abgeben. Es sei die Rolle des Künstlers, nennt derselbe sein Ziel, „dem Objekt eine Seele zu geben.“

Zeichnen ist für Rhode ein performativer Akt. So zeigt die eine Längswand der Halle einen gezeichneten Vorhang aus schwarzen Linien, die – horizontal im Atelier (in Berlin, wo er heute lebt) hergestellt – vertikal in rhythmischen Wellen wie Wurzeln in Fliessgewässern Faces of Trees (Endless Columns) regelmässig und immer leicht anders die Wand herablaufen. Rhode geht es hier um das wieder Erfinden des freien Zeichnens. Gegenüber sind Zeicheninstrument (Innereien und andere Teile eines Autos, schwarz berusst und zusammen als skulpturale Installation aufgehängt) und in einer Performance während der Vernissage damit hergestellte Zeichnung – Street Art im Museum. Denn da, vom Malen und Zeichnen auf Mauern im öffentlichen Raum kommt er her. Immer wieder zieht es ihn nach Johannesburg in die gefährlichsten Townships, wo er Wände mit geometrischen Formen und Strukturen bemalt, beschützt durch bewaffnete Bodyguards, aber nicht ohne Rücksicht auf das trostlose Milieu einer verlorenen, drogenverseuchten und arbeitslosen Jugend: Für die gigantischen nach genauem Konzept bemalten Wände ist er auf ihre Mithilfe angewiesen, während er ihnen nebst einem Batzen Struktur und Disziplin vermittelt.

Nigerian Sands, 2018, C-Print, 12teilig. Courtesy the artist and kamel mennour, Paris/London

Auf den Mauern will er sich nicht verewigen, er fotografiert das Werk während des Entstehungsprozesses in genau festgelegten Stadien. Nach der letzten Aufnahme der vollendeten Malerei kann sie zerstört, die Wand abgebrochen (die Fotos in die globale Kunstszene eingebracht) werden: „Es geht nicht um Monumente,“ sagt er, sondern um die Vereinnahmung von einem Stückchen Welt.

Im Obergeschoss des Museums hat Rhode drei solcher Fotoserien installiert, in denen jeweils dunkle Figuren vor den lichten farbigen Wandmalereien nach einer Choreographie ausgelassen tanzen oder auch mal hampeln oder sonstwie agieren, indem er die geometrischen Ornamente des Hintergrunds gross als Rahmen für die Fotos von den originalen Johannesburger Mauern auf die Museumswand brachte. Sowohl die Bildtitel (Nigerian Sands, Delta, Mandala) wie auch die verwendeten Strukturen und Formen und die Farben verweisen auf intensive Beschäftigung mit Philosophien und Farbtheorien. Und durch die Interaktion zwischen der Wandmalerei, die von Foto zu Foto vollständiger wird, mit den wild sich bewegenden Figuren davor hat Rhode eine eigenständige Verknüpfung von konstruktivistischen Prinzipien mit tänzerischen Bewegungen von Menschen erwirkt.

Blick in den Kunst-Raum mit Werken von Helga Philipp. Foto: © Museum Haus Konstruktiv (Stefan Altenburger)

Im Haus Konstruktiv werden jeweils drei Positionen gezeigt, diesmal ist eine Rückschau auf das Werk der österreichischen Künstlerin Helga Philipp (1939 – 2002) mit dem Titel Poesie der optischen Transformation der zweite Schwerpunkt. Im einen Raum wurde ein aus Kuben und Zylindern designetes Sitzmöbel, das sie 1970 für das Möbelhaus Ertl in Graz entwarf, nachgebaut, und als angenehme Sitzbank in den Raum mit den kinetischen Objekten gebracht. Philipps Werk umfasst Zeichnungen, Druckgrafik, Malerei und Objekte. Sie setzte sich mit Op-Art und kinetischer Kunst auseinander, ihr Werk wird dem konstruktiv-konkreten Umfeld zugerechnet. Ihr Werk entstand in einer Zeit, als die Wiener Aktionisten und der Phantastische Realismus die Aufmerksamkeit der Szene in Wien auf sich zogen.

Kinetisches Objekt, 1971. © Nachlass Helga Philipp (Foto: Helmut Kedro)

Der Künstlerin und Kunstlehrerin war das Spiel zwischen Bild und Betrachter ein wichtiges Anliegen. Pastoser Farbauftrag und Metallstaub bei den Malereien, optische Effekte durch hintereinander montierte Plexiglasscheiben fordern die Besucher auf, sich zu bewegen, wollen sie die Objekte wirklich erfassen.

Ausstellung Nummer drei trägt den Titel Museum der Wünsche. Zürcher Konkrete aus Schweizer Sammlungen. Die Krux des Museums Haus Konstruktiv ist seine internationale Ausstrahlung als führende Institution für die konstruktive und konkrete Kunst der grossen Zürcher Ära, die im krassen Widerspruch zur bescheidenen Sammlung von Werken aus jener Zeit steht. Erst 1986 gegründet, waren die Werke der Konkreten Max Bill, Richard Lohse, Verena Loewensberg oder Camille Graeser bereits „vergeben“, unerschwinglich für das junge Museum, aber wertvoll und eigentlich unverzichtbar.

Blick ins Museum der Wünsche, hier mit Werken von Verena Loewensberg aus der Merzbacher Kunststiftung. © 2018, Verena Loewensberg Stiftung, Henriette Coray Loewensberg, Zürich. Foto: Stefan Altenburger

Also äussert das Haus Konstruktiv mit dieser hochkarätigen Auswahlschau vorwiegend aus anderen Sammlungen sein Anliegen, das eine oder andere Werk einer Privatsammlung dereinst als Schenkung oder Dauerleihgabe in die Sammlung kommt. Als Museumsbesucher bekommt man in den vier je einem der erwähnten Maler gewidmeten Räumen die Chance, die unterschiedlichen Ansätze, was konkrete Malerei sein kann, anschaulich vermittelt. Und selten stimmig ist diesmal der Abschluss mit dem Rockefeller Dining Room von Fritz Glarner aus den frühen 60er Jahren.

bis 13.01.2019
Hier geht es zur Website des Museums Haus Konstruktiv.

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