StartseiteMagazinKulturWenn Kunst und Wissenschaften sich verbinden

Wenn Kunst und Wissenschaften sich verbinden

In zwei aktuellen Ausstellungen nehmen die Werke von Yves Netzhammer und Daniel Schwartz Bezug auf das ursprüngliche Motto des Kunstmuseums Solothurn.

Über dem Eingang des 122-jährigen Gebäudes in Solothurn stehen die Worte Museum der Kunst und Wissenschaften, denn bei seiner Gründung fanden dort nebst der Kunst auch Naturkunde, Archäologie und Geschichte ihren Platz.

In den gegenwärtigen Ausstellungen werden interessante Aspekte von beidem offenbar. Yves Netzhammer, als Computerkünstler bekannt, entwirft seine Wandbilder digital, aber die Ausführung, das Ausmalen der an die Wand projizierten Umrisse, geschieht von Hand, mit Farbe und Pinsel. Der Fotograf Daniel Schwartz benutzt einen analogen Apparat, die anschliessende Bearbeitung erfolgt digital. Daniel Schwartz weist auf das Motto über dem Museumseingang hin, denn seine Werke – hier zu den Gletschern – sind nicht nur aus künstlerischer Sicht sehenswert. Sein Anliegen ist es, die wissenschaftlichen Grundlagen und die Folgen des Klimawandels aufzuzeigen.

Ausstellungsansicht. Foto: Daniel Aebi

«DIE WELT IST SCHÖN UND SO VERSCHIEDEN, EIGENTLICH MÜSSTEN WIR UNS ALLE LIEBEN.»

Diesen Spruch wählte Yves Netzhammer (*1970) als Titel für seine Einzelausstellung. Für ihn ist jedes Projekt eine neue Herausforderung. «Ich kenne meine Möglichkeiten», sagt er, «aber sie umzusetzen ist ein Abenteuer. Wenn ich beginne, kann ich noch nicht einschätzen, wie am Ende alles zusammenwirkt.» Der Raum hat darauf einen grossen Einfluss. Das zeigt sich gleich im ersten Saal: «Es brauchte viel Mut, um eine ganze Wand mit so wenig Material wie einer Linie zu bespielen.» Im Kunstmuseum Solothurn nimmt die graphische Sammlung einen wichtigen Platz ein. Das gab Netzhammer den Anstoss, das Spiel mit der Linie und den vielfältigen Formen, die sich daraus ergeben, zu variieren.

Linien sind von ihrer Form und Idee her fest, sie grenzen zwei Flächen voneinander ab. Netzhammer macht sie beweglich, indem er aus der Zeichnung einen Filmloop macht. Um eine Linie zu ziehen, braucht es Bewegung. Hier, in der übergrossen Projektion an der Wand, sehen wir die Linie wandern, sich biegen, abbrechen und neu anfangen, sich auffächern, zu konkreten oder abstrakten Formen finden.

In diesem Spiel liegt viel Offenheit, festgefahrene Vorstellungen werden in Frage gestellt, denn alles ist möglich. Wir müssen auf Überraschungen gefasst sein und bereit, unsere Wahrnehmung in Frage zu stellen. – Fragen zu stellen, sei ihm wichtig, betont der Künstler.

Heiterkeit beim Betrachten stellt sich unmittelbar ein. Ein heiterer Mensch öffnet sich leichter, ist eher bereit, seinen Standpunkt zu wechseln und unerwartete Aspekte zu erkennen. Vom Künstler ist diese Art, seine Installationen zu betrachten, explizit gewollt.

«Perpetuum Mobile – mit Ventilatoren» © Yves Netzhammer

Aus der Zweidimensionalität entwickeln sich in den folgenden Sälen dreidimensionale Objekte. Da sehen wir eine Installation mit verschiedenen kleinen Rädern, die von kleinen Ventilatoren in Bewegung kommen. In viele seiner Werke baut Netzhammer witzige Teile ein: Hier sind es die skurrilen Formen, die sich statt einfacher Speichen drehen, wenn die Räder rollen. Auch wenn wir einen Sinn erkennen, ist Didaktik nicht Netzhammers Ziel. So wird jede Betrachterin, jeder Betrachter andere Dinge entdecken, je nach Assoziationsvermögen.

Während des Rundgangs werden die Formen komplexer, Lichteffekte in einem Raum, verstörende Klänge im nächsten Raum. Immer ist die Wahrnehmung entscheidend, und die wird von den persönlichen Erfahrungen bestimmt.

Schachteln. © Yves Netzhammer

Im östlichsten Saal stehen nur grosse, leere geöffnete Schachteln herum. Sie tragen weisse Etiketten, auf denen sich je ein kleines Bild bzw. Symbol befindet. Während Museumsdirektorin Katrin Steffen die Schachteln als Möglichkeiten sieht, ein Archiv anzulegen – wie ein Museum es tut und tun muss, um seinem Auftrag gerecht zu werden, Kunstwerke aufzubewahren, denke ich sofort an die Paketflut, die seit der Internetbestellwut in der Coronazeit entstanden ist.

Die Ausstellung wurde während der Solothurner Filmtage eröffnet, nicht zufällig, sagt Katrin Steffen. Bildende Künste und Filmkunst sind enge Verwandte. Netzhammer sucht die Nähe zu filmischer Gestaltung. Und obwohl Filmer bzw. Filmerinnen oft einen anderen Fokus haben als er, ist ihm der Austausch wichtig. Es sei ein «Miteinander Nachdenken über die Welt».

Wie oben erwähnt, gestaltet Yves Netzhammer seine Ausstellungen stets den Räumen und den Gegebenheiten entsprechend. Im letzten Jahr war er in Zürich im Haus Konstruktiv zu sehen. Eva Caflisch berichtete darüber: «Von Elefanten und anderen Wesen»

Daniel Schwartz: Der Martinsflue-Erratiker. Rüttenen, Schweiz, Mai 1978. Aus der Serie «Erratic Boulder Journey», 2012. © 2024 Daniel Schwartz/VII, ProLitteris, Zürich.

Zur Zeitlichkeit im Eis

Daniel Schwartz (*1955 in Olten) dokumentiert den Klimawandel an exemplarischen Beispielen aus der Schweiz. Es ist, sagt er, ein «heimatbesetztes globales Projekt». Zuerst war es nur seine Faszination für den erratischen Block bei Rüttenen SO. Später begann er mit seinen Nachforschungen über die Entstehung der Gletscher und darüber, was heute noch davon übrig ist. Die geologischen Recherchen – der «wissenschaftliche Zweig» seiner Arbeit – liegen ihm besonders am Herzen. Es geht ihm darum, Verständnis zu wecken, die geologischen Epochen in Beziehung zu setzen zu den individuellen Lebenszeiten.

Zusammen mit einem Freund unternahm er eine Wanderung von Langendorf SO nach Langenthal BE. Ihr Weg folgte der Geologie, der Hinterlassenschaft der letzten Eiszeit, und zugleich stellten sie vielen Menschen, denen sie begegneten, die Frage, wann sie geboren seien. So wurden die Jahrmillionen der Erdgeschichte mit der Lebenszeit unserer Epoche in Verbindung gebracht. Eine Grafik zeigt das.

Daniel Schwartz: Vertigo Galmigletscher, Schweiz, 19. Oktober 2014. Aus der Serie «Theatrum Alpinum», 2015. © 2024 Daniel Schwartz/VII, ProLitteris, Zürich.

Ende der 1990er Jahre in Südostasien waren ihm die Auswirkungen des Klimawandels bewusst geworden. Damals begann seine fotografische Arbeit zu diesem Thema. Für ihn als Fotograf und Journalist ist es zugleich eine politische, journalistische und künstlerische Arbeit. Sein persönliches Engagement ist sein Hauptantrieb.

Daniel Schwartz: Feldstecher aus dem Gebrüder-Ebner-Fundkonvolut; Grosser Aletschgletscher 1926/2012. Lötschentaler Museum, Kippel, Schweiz, 26. April 2013. Aus der Serie «Embedded», 2017. © 2024 Daniel Schwartz/VII, ProLitteris, Zürich.

Die ausgestellten Werke – Fotografien von ausserordentlicher Schönheit, grafische Darstellungen, Texte und kuriose Funde aus sich zurückziehenden Gletschern – sind das Resultat von Schwartz’ künstlerischer und wissenschaftlicher Arbeit. Dabei kommen viele Werkzeuge zum Einsatz: vom Graphitstift bis zur Computersimulation. Daniel Schwartz betont, dass diese Ausstellung als dokumentarischer Anstoss gemeint ist: Angesichts des unaufhaltsamen Wandels gilt für uns alle, einen Standpunkt einzunehmen.

Das Kunstmuseum Solothurn zeigt die Werke von Yves Netzhammer und Daniel Schwartz noch bis zum 12 Mai 2024.

Titelbild: Ausstellungsansicht Yves Netzhammer Foto: Daniel Aebi.
Alle Abbildungen © Yves Netzhammer

 

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