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Bewegt unterwegs

Kajak, Schneeschuhe, Surfboard oder Trampolin sind uns vertraut. Doch erfunden wurden sie nördlich des Polarkreises in der Arktis. Ihnen widmet das «Nordamerika Native Museum» NONAM mit «Move. Indigene Kulturen in Bewegung» eine Ausstellung.

Die Arktis ist der Lebensraum der Inuit. Seit Tausenden von Jahren leben sie in der kanadischen Arktis, in Grönland, Alaska und in der russischen Tschuktschen-Region. Das NONAM Nordamerika Native Museum in Zürich zeigt in Wechselausstellungen ihre alte Kultur, diesmal mit beliebten Bestandteilen, die auch wir aus unserer Freizeitausrüstung kennen.

Trampolinspringen in der Arktis ist ein Gemeinschaftsprojekt. Etwa 30 bis 50 Personen ziehen das Sprungtuch aus Robben- oder Walrosshäuten in die Höhe und lassen so den Springer oder die Springerin in der Luft tanzen. Foto: Blanket Toss, Inupiat Nalukataq Whaling Festival, Barrow Alaska, Foto: NONAM © Vicki Beaver

Bewegung bestimmt den Alltag der indigenen Gemeinschaft, vom Gehen, Laufen und Schneeschuhlaufen bis hin zum Lenken von Kanu und Kajak. Bewegung dient der Existenzsicherung. Doch nicht nur der Überlebenskampf, auch Spass, Sport und Spiele gehören dazu. Wettkämpfe trainieren Ausdauer, Kraft und Teamgeist und üben Fertigkeiten für den Alltag.

Im Vordergrund Lacrosse-Schläger und Lederbälle, im Hintergrund Mokassin, Stiefel und Kanu-Modelle. Der Mannschaftssport Lacrosse, der mit einem Schläger und einem Hartgummiball gespielt wird, wurde in Kanada neben Eishockey zum Nationalsport und wird bei uns allmählich bekannt.

Für das Fortkommen im Wasser hatte die alte Bevölkerung Amerikas das Kanu und Kajak entwickelt. Beide sind leicht und werden in Fahrtrichtung gepaddelt. Bei der Kolonisierung Amerikas waren sie den europäischen Ruderbooten überlegen und tauchten in der Folge im 16. Jahrhundert in Europa auf. In der Schau steht dem Publikum ein modernes Kanu zur Verfügung, auf dem lässt sich mit Orca, Eisbär und Grönlandhai um die Wette paddeln.

Um die Wette paddeln mit Walen und Eisbären

Im nordamerikanischen Waldland beförderten die nach oben offenen Kanus auf den Wasserwegen Menschen, Waren und Informationen. Vom Kanu aus konnte zudem gejagt, gefischt und wilder Reis geerntet werden. Sie sind wendig und haben auch bei hoher Beladung wenig Tiefgang. Durch Stromschnellen sind sie leicht zu navigieren und können über Land getragen werden, um seichte Stellen in den Flüssen zu überwinden. Im Kajak ist die Paddeljacke fest mit dem Rand des Boots vernäht, so dass der Jäger wasserdicht umschlossen ist. Wenn er kentert, bleibt nur die Kenterrolle, um blitzschnell wieder aufzutauchen. Schwimmen konnten früher ohnehin nur die wenigsten.

Fünf Skateboard-Decks mit Graphiken zur Geschichte und Kultur der Indigenen und ihrer Beziehung zum Skateboarding. Hergestellt vom Indigenen Skateboard-Unternehmen «Colonialism».

Schon vor mehr als tausend Jahren nutzten Menschen Holzbretter, um damit auf den Wellen zu reiten. Die Wiege des Surfsports liegt in Polynesien, wo das Meer als heilig gilt. Wer surft, kommuniziert mit den Göttern. Eine moderne Weiterentwicklung sind seit den 1950er Jahren die Skateboards. Die «Asphaltsurfer» montierten auf Holzbrettern Rollen der Rollschuhe, um auf den Strassen zu skaten. Bolivianischen Frauen skaten heute in ihrer bunten Tracht, um ihr kulturelles Erbe zu bewahren, aber auch um Gleichberechtigung in der Gesellschaft einzufordern.

Rebecca Pudnak, Quamani’tuaq, 2017. Das textile Bild zeigt verschiedene Sportarten in der Arktis.

Sport unterstützt die Menschen in der Arktis. Besonders Skaten, bringt sie zusammen und stärkt sie. Immer mehr Skateparks entstehen dort, wo soziale Probleme, Gewalt, Suizid, Alkohol und Drogen Teil des Alltags sind. Skateparks werden für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene zum Treffpunkt und Zufluchtsort. Denn lange Zeit wurden die Ureinwohner auf den Reservaten zu Sesshaftigkeit gezwungen und waren auf Nahrungsmittelrationen der Regierung angewiesen. Tänze, traditionelle Spiele, Feste und Zeremonien waren verboten, ebenso die eigenen Sprachen. Das führte zu Ausgrenzung und Rassismus.

Wenngleich die Ausstellung relativ klein ist, vermittelt sie über Videostationen die unterschiedlichsten Sportarten, die mit viel Freude und Energie von den Einheimischen ausgeübt werden. Auch scheinbar in Vergessenheit geratene Spiele, die wieder zurück sind. Sie zeigen das Kräftemessen, das früher für das Überleben im harten arktischen Alltag wichtig war, vom Robbenhopsen bis zum High-Kick. Was einst im Igloo entstand, sind heute Disziplinen grosser und kleiner Sportanlässe, wie die Inuit Olympics, die jährlich an wechselnden Orten rund um den Polarkreis im Winter stattfinden.

High-Kick, mit beiden Beinen im Sprung die Kugel berühren, muss geübt werden. Früher war dies ein Signal für erfolgreiche Jagd. Videostill rv

Besonders beliebt sind auch Handspiele, Hand Games, Stick Games, Stockspiele, oder Bone Games, Knochenspiele, genannt. Handspiele sind Ratespiele, bei denen zahlreiche Täuschungsmanöver möglich sind. Die Spiele können die ganze Nacht dauern oder sich nach wenigen Minuten entscheiden. So bezeichnet das Volk der Dene die Teams als Jäger und Gejagte: die Jäger raten, die Gejagten verstecken etwas in der Hand. Je nach Gemeinschaft, Kultur und Region variieren die Gegenstände und das Punktesystem.

Die Snow Snake oder Schneeschlange diente früher dem Jagen von Karibus auf den zugefrorenen Seen. Die Jäger schleuderten einen speerähnlichen Holzstab in hoher Geschwindigkeit zielgenau über das Eis, um die Tiere in den Bauch zu treffen. Heute ist Snow Snake ein beliebtes Winterspiel. Die Holzstäbe werden durch lange Schnee- oder Eisbahnen geworfen. Der Stab, der am weitesten kommt, hat gewonnen.

Tony Duncan, Hoop Dance Performance. Foto: NONAM © Jonathan Labusch

In einem Video wird das Jonglieren mit Hoop Ringen vorgestellt, hier bekannt aus Zirkusvorstellungen. Doch, dass Hoop auch einen spirituellen Hintergrund haben kann, zeigt Tony Duncan. Er ist San Carlos Apache, Mandan, Hidats und Arikara und begann mit acht Jahren Hoop zu tanzen. Heute performt er international. Im Hoop Dance verschmelzen Tradition und Innovation zu Bildern und Figuren. Duncan spricht im Video vom Hoop als Symbol des Lebens, als Tanz und Bewegung, die allem Leben innewohnen. Er selbst versteht sich als Kulturbotschafter der Indigenen, war zu Gast im Weissen Haus und in Tonight Shows.

Titelbild: Kanu, NONAM. Fotos: rv

Bis 16. März 2025
«Move. Indigene Kulturen in Bewegung» im NONAM «Nordamerika Native Museum» in Zürich, weitere Informationen finden Sie hier

Siehe auch:
Maja Petzold, Zu Besuch bei den Völkern der Arktis
Ruth Vuilleumier, Arktische Kunst als Hilferuf

 

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