Er spielte über 150 Bühnenrollen und zählt zu den ganz Grossen im Berner Mundarttheater: Walter Fankhauser durfte kürzlich einen runden Geburtstag feiern. Seniorweb hat den Theaterveteran an seinem Wohnort in Jegenstorf besucht und mit ihm über sein Leben geplaudert.
Walter Fankhauser (90) und seine Frau Hildegard (96) empfangen mich in ihrer hellen Wohnung an der Bernstrasse in Jegenstorf. Der Esstisch im Wohnzimmer ist für Kaffee und Kuchen gedeckt. An den Wänden hängen Familienfotos sowie Landschafts- und Blumenbilder.
Kaffee und Kuchen bei Hildegard und Walter Fankhauser.
Fürs Interview werde ich ins Esszimmer gebeten. Auf einem Bücherregal stehen rund zwei Dutzend VHS-Kassetten mit Filmaufnahmen von Theateraufführungen, an denen Walter Fankhauser in den letzten Jahrzehnten mitwirkte. Der Jubilar hat sich auf das Gespräch vorbereitet und sich Notizen gemacht. Einem schwarzen Aktenkoffer, seinem Archiv, entnimmt er zwei Jubiläumszeitschriften, alte Fotos sowie Presseartikel. Eine Liste aller Produktionen der «Remise-Bühni» gehört auch zu den für ihn wichtigen Dokumenten.
LINK 1978 bis 2025 – die Stückeliste der Remise Bühni Jegenstorf
Die Stückliste ist lang: Mehrmals trat der Jubilar in Max Frischs «Biedermann und die Brandstifter» auf. Gespielt hat er bei «Die Ratten» von Gerhard Hauptmann, «Endspurt» von Peter Ustinov, «Der Meteor» von Friedrich Dürrenmatt , «Die sechs Kummerbuben» von Elisabeth Müller. Seine liebste Rolle sei ««Dällenbach Kari» gewesen, erzählt er mir.
Walter Fankhauser als General Guisan, umgeben von seinen beiden Enkelinnen
Ein Höhepunkt der besonderen Art war sein Auftritt 2016 in «Der General», einem Stück von Daniel Ludwig (Regie: Reto Lang) bei den Schlossspielen Jegenstorf. Am besten gefiel dem Charakterkopf sein hoher militärischer Grad und dass er erstmals gemeinsam mit seinen beiden Enkelinnen Jessie und Nathalie spielen konnte. Abschied von der Bühne nahm er 2022 mit dem Theaterklassiker «Kirschgarten» von Anton Pawlowitsch Tschechow.
Walter Fankhausers letzter Auftritt in «Kirschgarten».
Ehefrau hielt ihm den Rücken frei
Seit 65 Jahren sind Walter und Hildegard Fankhauser verheiratet. Seine Gattin, die als junge Frau aus dem damaligen Ostpreussen fliehen musste und nach dem Krieg in Jegenstorf bei einem Arzt arbeitete, lernte er im Turnverein kennen. Die beiden haben zwei erwachsene Kinder (Iris und Urs), zwei Grosskinder (Jessie und Nathalie) und zwei Urgrosskinder. Nathalie hat, sehr zur Freude des Grossvaters, kürzlich die Schauspielschule in Zürich mit dem Master abgeschlossen.
Beruflich war Walter als Lehrlingsausbildner bei der Firma Hänni in Jegenstorf tätig. Während er fürs Theater oder beruflich unterwegs war, kümmerte sich seine Frau um Familie und Haushalt. Sie habe ihm zu Hause gerne den Rücken freigehalten, sagt sie und betont seine Zuverlässigkeit: «Wenn Walter etwas angefangen hat, dann führte er es auch zu Ende.»
Der Initiant und Gründer der Remise-Bühni 1999.
Wie er zum Theater kam, will ich von meinem Gastgeber wissen. Bereits als 16-Jähriger habe er beim Turnverein Jegenstorf gespielt, erzählt er. Dann habe er mehrere Jahre bei der Liebhabertheater-Gesellschaft Solothurn (LTG) mitgewirkt. Auf der Rückfahrt aus Solothurn im Jahr 1976 entstand, gemeinsam mit den Theaterkolleginnen Helen Heller und Marlis Huggenberger, die Idee, in Jegenstorf einen eigenen Theaterverein zu gründen. Die beiden Lehrerinnen hatten sich bei der LTG um eine Rolle beworben und waren abgewiesen worden.
Wer einen Theaterverein gründet, braucht Mitglieder, Statuten und ein Probelokal. Interessierte Mitglieder gab es genug, vor allem Lehrerinnen und Lehrer. Die Statuten entstanden 1977 nach und nach. Und ein Lokal fanden die Theaterleute im Wirtshaus «Brauerei». In mühsamer Arbeit leerten und putzten sie den Keller. Doch als sie auf eine tote Katze stiessen, war die Vorfreude dahin. Als der Wirt ihnen den Kohleraum im Parterre anbot, starteten sie zur zweiten Räumungs- und Reinigungsaktion. Am 31. Mai 1978 war es dann so weit: Die von Walter initiierte und gegründete «Remise-Bühni Jegenstorf» spielte ihr erstes Stück, Frischs «Biedermann und die Brandstifter» in einer von Walter bearbeiteten Berndeutsch-Version.
Neues Lokal am heutigen Standort
Walter Fankhauser blieb von 1977 bis 1991 Vereinspräsident und treibende Kraft. In den Jahren 1997-1998 überbrückte er die Präsidiumslücke noch einmal und konzentrierte sein Mitwirken anschliessend auf die Schauspielerei und das Verbandswesen. Jahrelang war er für den Bernischen Kantonalverband amathea und für den Zentralverband Schweizer Volkstheater aktiv. Eine besondere Ehre war für ihn die mehrfache Teilnahme an den Aarauer Theatertagen.
Walter Fankhauser vor dem Restaurant Kreuz, 2017, in Jegenstorf. Foto Peter Schriber.
2004 mussten die Remiseler die «Brauerei» verlassen. In der alten «Mosterei» Jegenstorf fanden sie ein neues Lokal, in dem sie noch heute spielen. Erneut wurde geräumt, gebohrt, geschraubt, renoviert. Die Theatersessel kauften sie von einem Kino in Wetzikon. Rund 800 Stunden Fronarbeit leisteten die Vereinsmitglieder insgesamt. Sponsoren unterstützten das Kleintheater mit zum Teil beträchtlichen Beträgen. Parallel zu den Bauarbeiten wurde Neil Simons Stück «Brooklyn-Memoiren» einstudiert. Am 15. April 2005 feierten Walter und sein Verein im heutigen Lokal die erste Premiere.
Film- und Werbekarriere
Volksschauspieler Fankhauser war nicht nur auf den verschiedensten Theaterbühnen zu sehen, sondern immer wieder auch in Filmen. So trat er in «Lebtage» und «Um Haut und Haar» von Felix Tissi auf, in «Vogel friss oder stirb» und in «Magdalena» von H. Gaugler. Für den REGA-Film «Heimwärts» von T. Kaufmann reiste er in die Hohe Tatra. Im Werbefilm Hausbrand (Gebäudeversicherung) war er als Brandfahnder im Einsatz. Im Werbefilm «Das neue Haus» (Bankgesellschaft) mimte er einen Bauführer. In der SRF-Serie «Motel» (Regie: T. Hostettler) war er in den achtziger Jahren als Richter und als Garagier auch am TV zu sehen.
Im Esszimmer, vor einem Gemälde seiner Enkelinnen.
Gastspiel Frankfurt
In besonderer Erinnerung geblieben ist dem Jubilar ein Gastspiel der Remise-Bühni am Schauspielhaus in Frankfurt am Main. Die dortige Direktion hatte 1987 erfahren, dass die Jegenstorfer Gerhard Hauptmanns Stück «Fuhrmann Henschel» spielten. Flugs lud man den Verein ein, die Produktion in Frankfurt zu zeigen. «Als Vorbereitung kam eine dreiköpfige Delegation nach Jegenstorf, mass die kleine Laienbühne aus und filmte unsere Aufführung», erinnert sich Walter und ergänzt: «Die Bühnenbaucrew von Frankfurt hat für uns extra die Jegenstorfer Bühne mass- und farbgetreu nachgebaut, was uns alle sehr überraschte. So konnten wir in den eigenen Wänden spielen, was uns Zeit sparte und uns Sicherheit gab.»
20 Jahre Remise-Bühni: Walter Fankhauser mit der Jubiläumszeitung
Kurz vor dem Auftritt der Remiseler tat ein Theaterbrand in Frankfurt dem Ausflug in die Weltstadt keinen Abbruch. Die Rauchschäden waren weitgehend übertüncht, als die Jegenstorferinnen und Jegenstorfer auf den deutschen Brettern auftraten. Die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» (FAZ) war des Lobes voll: «Die Gruppe hat beachtliche Naturtalente in ihren Reihen, so dass nicht nur Hauptrollen angemessen besetzt werden konnten. Und Harald Feller, Staatsanwalt a.D., der die Regie besorgte, hat – kein Wunder – durchaus Sinn für dramatische Prozesse», schrieb die FAZ über das Gastspiel der Eidgenossen.
Walter Fankhauser ist stolz auf und zufrieden mit seinem Leben. Besonders freut ihn, dass «sein» Verein weiterhin jeden Frühling ein Theaterstück zum Besten gibt. Zum Schluss unseres Gesprächs, bei Kaffee und Kuchen, zeigt er mir die Gratulationskarte des Jegenstorfer Gemeinderats zu seinem 90. Geburtstag. Auf der Karte steht: «Das, worauf es im Leben ankommt, können wir nicht vorausberechnen. Die schönste Freude erlebt man immer da, wo man sie am wenigsten erwartet hat.»
Vor dem Eingang der Remise-Bühni, die er 1977/78 mitgründen half.
Mit der Erkenntnis von Antoine de Saint-Exupéry und der Hoffnung, dass er das 50. Vereinsjubiläum in zwei Jahren noch erleben darf, verabschiedet mich Walter Fankhauser, der in seinem ganzen Leben stets bescheiden und dankbar geblieben ist. In der Tat: Seine ebenso lange wie erfolgreiche Theaterkarriere ist ihm nie in den Kopf gestiegen. Das macht den Berner Volksschauspieler so sympathisch.
Titelfoto: Zu Besuch bei seiner Remise-Bühni. Fotos PS und ZVG
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Herzlichen Dank für den wunderbaren Artikel lieber Peter. Es ist eine grosse Freude diese Wertschätzung zu lesen. Mit dir IBAN Nr IBAN CH15 0483 5099 1604 4100 0< kann keine Ueberweisung getätigt werden.
Liebe Grüsse. Hubi
Danke für Deinen Hinweis, Hubi. Ich werde ihn ans Marketing weiterleiten. Liebe Gruess, Peter