StartseiteMagazinKulturFrenetischer Applaus für Puccinis «Manon Lescaut»

Frenetischer Applaus für Puccinis «Manon Lescaut»

Am Opernhaus Zürich hatte am Sonntag Puccinis Oper «Manon Lescaut» Premiere. Es war einfach grandios! Musik, Regie, Bühne, Kostüme, die Stimmen – es passte einfach alles zusammen. Der Applaus war frenetisch.

Puccinis Manon Lescaut ist ein Frühwerk und dramaturgisch eher simpel: Der Cavaliere Des Grieux verliebt sich auf den ersten Blick in die 18jährige Manon, die auf der Durchreise ins Kloster ist. Er wirbt heftig um sie, und sie gibt zögernd, aber doch bald nach. Da tritt der alte reiche Geronte auf, der Manon für sich haben möchte.

Liebe oder Reichtum

Des Grieux bietet Manon leidenschaftliche Liebe, Geronte ein Leben in Wohlstand. Es ist das Klischee von echter Liebe in bescheidenen Verhältnissen und dem bequemen, lieblosen Leben in Reichtum. Manons Entscheidung für die Liebe stürzt die beiden in den Abgrund, Manon wird verbannt und nach Amerika verschifft. Obwohl ihr Des Grieux verzweifelt folgt, verdurstet die erschöpfte Manon in der Wüste und stirbt in seinen Armen.

Manon Lescaut: Elena Stikhina (Foto: Toni Suter)

Puccini konzentriert sich ganz auf diese Liebe, eine Nebenhandlung gibt es nicht. Auch entwickelt sich die Geschichte kaum, die Leidenschaft brennt von Anfang an. Entsprechend fordernd ist die Partie der Manon, es dreht sich alles um sie. Nicht nur ihre Bühnenpräsenz ist hoch, der Wechsel vom Lyrischen ins Dramatische braucht eine flexible und charakterstarke Stimme.

Eine Sängerin der Sonderklasse

Elena Stikhina ist wie geschaffen für diese Partie. Sie vollzog an der Premiere den Wechsel zwischen Sein und Schein mit ironischer Distanz und hielt das Drängen von Des Grieux souverän in Schach. Und welch eine Stimme! Warm timbriert, nuancenreich im Piano und schillernd in betörenden Farben. Die lyrischen Momente waren hinreissend, und die dramatische Leidenschaft von verinnerlichter Kraft. Das Publikum war hin und weg von Stikhinas Stimme.

Regisseur Barrie Kosky, ehemals Intendant und Chefregisseur an der Komischen Oper Berlin, verbucht mit dieser Manon Lescaut-Produktion erneut einen grossen Erfolg. Er beendet damit seinen Puccini-Zyklus, den er an verschiedenen Häusern realisierte. In Zürich begann er diesen mit «La fanciulla del West», nun schliesst sich der Kreis mit «Manon Lescaut» wiederum in Zürich.

Unkonventionelle Regie

Kosky wagt das Unkonventionelle. Er sagt sich bewusst los von der Realistik des Verismo. Bei ihm gibt es kein Wirtshaus, kein Studenten-Ambiente, oder eine Kurtisanen-Welt. Koskys Bühne ist leer und dunkelgrau. Die Szenenwechsel vollziehen sich mit verschiedenen Kutschen, die auf die Bühne fahren. Gezogen werden sie von realitätsgetreu nachgebauten Pferden, der Kutscher ist immer der Tod.

Elena Stikhina und Konstantin Shushakov (Foto Toni Suter)

Diese Kutschen-Metapher ist schlicht und stark zugleich. Nach der Postkutsche für Reisende besorgt Manons Bruder eine schwarze Kutsche für das fliehende Liebespaar. Und für den Luxus bei Geronte steht eine prachtvolle Prunkkutsche. Bühnenbildner Rufus Didwiszus hat diese Kutschen kreativ ausstaffiert.

Chor der Oper Zürich (Foto: Monika Rittershaus)

Keck choreografierter Karnevalsumzug

Dazu passen die farbigen Kostüme und Masken des Chors, die Klaus Bruns entworfen hat. Dieser Chor durchzieht das Stück als grosser freudiger Karnevalsumzug und verkörpert Lebensfreude und Vitalität. Die Figuren tragen alle auch ein Instrument mit sich. Keck und witzig choreografiert erhellt dieser Chor das dunkle Drama.

Klangintensives Orchester

Puccini ist der grosse Maler heftiger Emotionen: Liebe, Leidenschaft und Verzweiflung. Dirigent Marco Armiliato ist seit 2006/07 ein gerne gesehener Gast am Zürcher Opernhaus. Er feierte Puccinis Musik unsentimental mit intensiver Klanggebung, wenig Rubato und dramaturgischer Spannkraft. Dass er die Partitur auswendig dirigierte, ist eine unglaubliche Leistung! Man spürte, dass er die Musik intus hatte. So konnte er sich ganz auf das Orchester und die Sängerinnen und Sänger konzentrieren.

Mehrere Rollendebüts

Saimir Pirgu gab als Des Grieux sein Rollendebüt. Er wirkte zu Beginn noch etwas nervös und forcierte seine Stimme. Doch dann wuchs er in die Rolle hinein, die stets Leidenschaft und Verzweiflung fordert. Mit seiner durchdringenden Stimme konnte er sich auch gegenüber dem intensiven Orchesterklang durchzusetzen. Auch wuchs er in den ergreifenden Liebesduetten mit Stikhina hörbar über sich hinaus.

Lescaut: Konstantin Shushakov, Geronte di Ravoir: Shavleg Armasi (Foto: Monika Rittershaus)

Eine herrliche Figur ist der Bruder von Manon, der sie ins Kloster begleiten sollte. Konstantin Shushakov spielte ihn mit sympathischem Schalk und spielerisch leichter Stimme – ein überzeugendes Rollendebüt. Als Kontrast dazu sang Shavleg Armasi den Geronte mit gut fokussierter Stimme. Und er traf in seinem Rollendebüt den Charakter dieses Möchtegern-Liebhabers mit komödiantischem Flair.

Starke Bilder

Der dramatische Tiefpunkt dieser Oper ist die Szene im dritten Akt, in der Manon mit anderen gefangenen Frauen von Le Havre nach Amerika verschifft wird. Kosky zeigt diese moralisch verwerflichen, vom Chor hämisch verlachten Frauen in mehreren übereinander gestapelten Käfigen – das erinnert an den Frauenhandel. Des Grieux bittet verzweifelt, Manon begleiten zu dürfen. Er fährt mit ihr mit.

Edmondo: Samai Pirgu, Statistenverein am Opernhaus Zürich (Foto: Monika Rittershaus)

Stark ist auch das Bild des vierten Aktes für das unendlich andauernde Liebesduett, das eher einem Lamento gleichkommt. Die ausgestossenen Liebenden sind allein in der Wüste und ziehen erschöpft einen Leiterwagen hinter sich her. Des Grieux findet kein Wasser und muss zusehen, wie Manon in seinen Armen verdurstet. Dieses allmähliche Dahinschwinden sang Stikhina mit unerhörter Raffinesse – das Publikum hielt ergriffen den Atem an. Doch dann ging es los mit dem frenetischen Applaus.

Manon Lescaut, Oper von Giacomo Puccini, Opernhaus Zürich
Weitere Vorstellungen: 13, 16, 19, 23 Feb; 1, 6, 13, 16, 22 März 2025

Titelbild: Manon Lescaut: Elena Stikhina;  Lescaut: Konstantin Shushakov (Foto: Toni Suter)

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