ALPS, das Alpine Museum Bern, präsentiert die Funde des Aaretauchers David Godio. Seit 2018 fischt dieser verlorene Gegenstände aus der Aare. In der Ausstellung «Blubbb» präsentiert er die geborgenen Objekte und erzählt die zum Teil erstaunlichen Geschichten dahinter.
Flussschwimmen ist in der Bundesstadt Bern Kult. Sommer und Winter stürzen sich Wagemutige sowie Gesundheitsfanatiker in die Aare und lassen sich von der Strömung flussabwärts treiben. In den Sommermonaten sind es Zehntausende. Wenn die Aussentemperaturen unter dem Gefrierpunkt liegen, immer noch ein paar Dutzend täglich. Die Ganzjahres-Schwimmer haben sich im «Gfrörli-Club Bern» organisiert.
Gelegentlich versinkt den Aaresportlern ein persönliches Objekt in den Fluten. Meistens unabsichtlich, wenn ein ungeschickter Schwimmer oder eine Aare-Böötlerin einen Gegenstand verlieren. Ab und zu nutzen Diebe den Fluss, um sich wertloser Beute unbemerkt zu entledigen, nachdem sie die eigentlichen Wertgegenstände an sich genommen haben. Das Alpine Museum ALPS widmet den Objekten und Geschichten dahinter eine Ausstellung.
Disziplin, Ausdauer und Glück
Gute Augen, Konzentration und eine intakte Reaktionsfähigkeit sind Voraussetzungen für eine erfolgreiche Suche nach verlorenen Gegenständen im Fluss.
David Godio hat das Aaretauchen in den vergangenen sieben Jahren zu seinem Hobby gemacht. Während andere in Aegypten oder Australien die Unterwasserwelt farbiger Korallen geniessen, sucht er in Bern im kalten Fluss nach verlorenen Gegenständen. Dafür benötigt er Disziplin, Ausdauer und Glück. Denn leichte Objekte werden von der Strömung mitgetragen, kleine Gegenstände vom Treibsand überdeckt. Trübes Wasser oder starke Strömung halten ihn gar von einem Tauchgang ab.
Der Aaretaucher findet regelmässig Uhren und Kameras auf dem Aaregrund.
Wie kam Godio zu seinem aussergewöhnlichen Hobby? Nachdem seiner Chefin vor einigen Jahren die Handtasche gestohlen worden war, sei diese leer am Aareufer gefunden worden, erzählt der 34-Jährige in der Ausstellung. Mehr als die Tasche habe seine Chefin den Auto- und den Büroschlüssel vermisst. Deshalb machte sich der Hobbytaucher an die Arbeit und suchte den Aareboden am Fundort der Tasche systematisch ab. Und siehe da: Nach mehreren Tauchgängen fand er den vermissten Schlüsselbund, inmitten eines Münzhaufens.
Heute sucht Godio mit Neoprenanzug, Schnorchel, Brille, Luftmatratze und einem Rucksack systematisch nach Objekten. Über sein «Aare-Fundbüro» erhält er gezielt Suchanfragen, etwa nach Eheringen oder Portmonnaies. Eine «Go Pro-Kamera» ist seine stetige Begleiterin. Die Videoaufnahmen studiert er zu Hause am Computer. Wenn er auf den Bildern etwas Wertvolles erkennt, unternimmt an derselben Stelle weitere Tauchgänge, nicht selten mit Erfolg.
Recherchen hinter dem Objekt
Einmal fand er ein Sturmgewehr, ein anderes Mal eine Kiste mit 1000 Schuss scharfer Munition. Beides übergab er der Polizei. Zu den häufigsten, aus dem Fluss geborgenen Gegenständen zählen Blootooth-Lautsprecher, Sonnenbrillen, Uhren und Smartphones. Einmal fand er ein noch funktionierendes, wasserdichtes Handy. Über die in den Nachlasskontakten hinterlegte Email-Adresse kontaktierte er den Besitzer, einen Engländer, der das Gerät aber nicht zurückhaben wollte.
Geborgenes iPhone.
Finderlohn für abgestürzte Drohne
Im Auftrag eines Drohnenbesitzers tauchte er tagelang im Fluss und fand schliesslich das abgestürzte Gerät. Der Besitzer zahlte ihm einen Finderlohn von 200 Franken. Auch sein Wunsch, einmal eine Rolex-Uhr zu finden, ging in Erfüllung: Odio staunte nicht schlecht, als er eines Tages auf dem Aaregrund eine Luxus-Uhr der bekannten Marke fand. Bei der Prüfung des Geräts zu Hause, so erzählt er, habe sich leider herausgestellt, dass es sich um eine Fälschung handelte. Trotzdem habe die Uhr noch rund ein Jahr tadellos funktioniert.
Abgestürzte Flugdrohne auf dem Aaregrund.
In der Ausstellung kommen auch Geschädigte zu Wort: Ein Mann erzählt vom Verlust des Eherings, den er seiner Ehefrau mitteilen musste. Zum Glück sei der Schaden rein materialler Natur gewesen. Beim Bijoutier liess er sich einen neuen Ehering mit derselben Gravur anfertigen. Und seine Ehewelt war wieder in Ordnung. Eine junge Frau beklagt im Ausstellungsvideo den Verlust einer wertvollen Designer-Sonnenbrille. Auch dieses Verlustobjekt wurde zügig ersetzt.
Sonnenbrillen gehören zu den am häufigsten in der Aare versenkten Gebrauchsgegenständen.
Fragmente der Alltagskultur
Mit seiner Ausstellung erinnert ALPS an die Schnelllebigkeit unserer Konsumwelt. Auch vermeintliche Luxusobjekte seien nur Fragmente der Alltagskultur, heisst es. Die vom Fluss verschlungenen und von David Odio wiedergefunden Gegenstände symbolisieren die Vergänglichkeit des Materiellen.
Immateriell und immer wieder ein Erlebnis ist das natürliche Geräusch des Flusses: Wer im Marzili beim Aareschwimmen den Kopf unter Wasser hält, hört den Kies rollen. Nirgendwo auf der Welt ist das Flussschwimmen und das Aareböötle ein so wichtiger Teil der Stadtkultur wie in Bern.
Aareböötle ist in Bern Kult.
Zwischen Juli und September 2025 wird die ALPS-Ausstellung auch entlang der Aare sichtbar sein. Uferinstallationen sowie eine digitale Erweiterung werden einen virtuellen Tauchgang ermöglichen. Bereits heute können Besuchende via Mail ihre Aaregeschichten erzählen. Gewöhnliche und aussergewöhnliche Fluss- und Verlustgeschichten werden damit für alle erlebbar.
Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt: Es gibt in Bern mindestens einen weiteren Aaretaucher, der seine Suchdienste via Internet anbietet. Einmal pro Jahr organisiert die kantonale Gewässerpolizei, gemeinsam mit Tauchclubs, eine «Fluss-Putzete». Dabei werden grössere Gegenstände wie absichtlich versenkte Autos, Fahrräder (Versicherungsbetrug) sowie weitere in der Aare entsorgte Objekte (Einkaufswägeli) geborgen. Nicht aus monetären Gründen, sondern um die Unfallgefahr der Schwimmenden und Böötli-Fahrenden zu reduzieren.
Titelbild: David Godio in voller Tauchmontur am Aareufer. Fotos PS / ALPS
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Galerie mit aus der Aare geborgenen Gegenständen