Andreas Homoki, der scheidende Intendant des Opernhauses Zürich, wagt sich zum Schluss seiner erfolgreichen Amtszeit an den «Elias» von Felix Mendelssohn Bartholdy. Ein Oratorium auf der Opernbühne? Homoki gelingt eine packende Inszenierung, die das epische Chorwerk strukturell erhellt.
Nach dreizehn Jahren Intendanz verlässt Andreas Homoki das Opernhaus Zürich. Er geht mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Unter ihm gab es nicht nur überraschende Produktionen und grossartigen Stars zu erleben, er hat auch das Ensemble gerne gepflegt und gefördert. Nun setzt Homoki mit der Wahl des Oratoriums «Elias» ganz bewusst den Opernchor als Hauptakteur in Szene.
Gibt es einen Gott?
Der Prophet Elias, um den es in Mendelssohns Oratorium geht, ist eine bedeutende Figur im Alten Testament der Bibel. Er wird als Prophet bekannt, der Gottes Macht gegen den Götzendienst und König Ahabs Unheil verkündete. Er begeht zwar Wundertaten und bewältigt enorme Herausforderungen, die seine Loyalität zu seinem Gott demonstrierten. Dennoch, oder gerade deshalb, wird gegen ihn gehetzt, das Volk Israel lässt sich erst ganz zum Schluss bekehren.
Das Volk Israel bleibt lange Zeit trotz der Wunder skeptisch.
Mendelssohn Bartholdy, der jüdischen Abstammung war, hat sich intensiv mit dem Alten Testament beschäftigt. Sein «Elias»-Oratorium ist ein zweieinhalbstündiges Meisterwerk. Darin erzählt Mendelssohn die prophetische Geschichte mit kontrastreicher Musik und zugespitzter Dramatik – ideale Voraussetzungen für eine szenische Produktion.
Extrem schwierig für den Chor
Besonders gross ist die Herausforderung für den Chor. Dieser bestreitet über die Hälfte aller musikalischen Nummern, das sind mehr als eine Stunde sängerische Präsenz. Kommt dazu, dass das Oratorium zum auswendig lernen ausgesprochen schwer ist. In einer konzertanten Aufführung haben die Sängerinnen und Sänger die Noten vor sich, doch auf der Opernbühne geht das nicht. Chorleiter Ernst Raffelsberger veranlasste deshalb eine dreimal längere Einstudierungszeit als sonst üblich.
Elias (Christian Gerhaher) mit dem grandios und dramatisch agierenden Chor und Zusatzchor der Oper Zürich.
Was dieser Opernchor am Premierenabend leistete, war grandios. Die Choristinnen und Choristen waren in unterschiedlichen einfachen Gewändern gekleidet, wie ein Volk eben. Homokis Choreografie der «Masse» war kompakt und doch bewegt. Jeder konnte das, was er sang, mit eigener Gestik untermalen. Der erste Teil des Oratoriums ist hoch dramatisch. Die Worte wurden vom Chor so klar artikuliert und die Musik entsprechend rhythmisiert, dass die Struktur dieses Werks ganz klar zum Vorschein kam.
Hochdramatisches Orchester
Unerhört, wie raffiniert Mendelssohn die Stimmgruppen kanonisch verzahnt. Umso erstaunlicher, wie präzise und ausdrucksstark das zu hören und zu sehen war. Die musikalische Leitung oblag Gianandrea Noseda. Er peitschte das Orchester regelrecht zur Dramatik, so dass der Chor vor allem im ersten Teil zu früh an seine Grenzen kam. Im zweiten Teil wurde dynamisch mehr differenziert. Der Ausdruck wurde inniger, die heftige Volkshetze war grandios, die Verzweiflung des Elias brach einem das Herz.
Christian Gerhaher als beschwörender und schliesslich das Volk überzeugender Elias. (alle Bilder Opernhaus Zürich/ Monika Rittershaus)
Christian Gerhaher sang die prophetische Basspartie des Elias mit enormer Überzeugungskraft. Sein Glaube, seine beschwörenden Anrufungen Gottes, sein Staunen über die Wunder, die wirklich eintraten, die Verzweiflung über das Volk, das sich trotz allem nicht bekehren will, man hoffte und litt mit ihm. Gerhaher führte mit grossartiger Bühnenpräsenz durch diese prophetische Geschichte und sang mit grosser Stimme und liedhafter Lyrik.
Interessant sind auch die Nebenrollen besetzt. Wiebke Lehmkuhl sang den rettenden Engel mit weicher, inniger Hingabe. Eine so anschmiegsame Altstimme hört man selten. Auch der Tenor Mauro Peter gab dem an Elias glaubenden Obadja eine innig flehende Stimme. Umso prägnanter kam der dramatische Sopran von Julia Kleiter als trauernde Witwe zum Tragen. Alle Protagonisten profitierten von Noseda und seinem Orchester, die sie subtil und ausdrucksstark begleiteten.
Weitere Vorstellungen: 13, 17, 19, 21, 24, 26, 29 Juni; 2, 6 Juli