Mit «Das Teufelshorn» von Anna Nicholas startet der Diogenes Verlag eine neue Krimireihe. Auf Mallorca versucht Isabel Flores, ehemalige Kommissarin und jetzige Vermittlerin von Feriendomizilen, als temporäre Ermittlerin die Entführung eines kleinen Mädchens, einen Mord, Drogengeschäfte und noch einige andere Ungereimtheiten aufzuklären.
Es muss ja nicht grad Mallorca sein. Aber im Sommer, vielleicht sogar irgendwo an einem Strand, einen Roman aus einer Feriendestination zu lesen, tönt erst mal verführerisch. Und Anna Nichols, in England geboren und heute auf der mallorquinischen Insel lebend, flicht in ihren ersten Kriminalfall mediterranes Flair und viel Lokalkolorit ein – mit vielen, zu vielen spanischen Ausdrücken und Bezeichnungen für versteckte Buchten, kleine Gaststätten und kulinarische Spezialitäten. Ein Glossar am Ende des Buches wäre wirklich hilfreich.
Entführung mit Fragezeichen
Bereits im Prolog geschieht das erste Verbrechen: Ein achtjähriges Mädchen wird entführt oder zumindest seiner Mutter entzogen. Es gibt allerdings Ungereimtheiten. So hat das Kind seinen vollbepackten Rucksack dabei – für einen Nachmittag am Strand! – und sein Kuscheltier mitgenommen, das es eigentlich nur abends zum Einschlafen braucht. Auch hat niemand am belebten Strand die «Entführung» bemerkt – Gewalt wurde also nicht angewendet.
Also eine ziemlich obskure Sache. Zumal im weiteren Verlauf des Romans dieser «Fall» einfach untergeht: keine grosse Suche, keine Befragungen, keine Anmerkungen. Isabel Flores, von ihrem einstigen Chef bei der Polizei in Palma, Tolo Cabot, wegen des Entführungsfalls zu Hilfe gerufen, hat auch gar keine Zeit, zu ermitteln oder die Mutter des Kindes zu befragen. Denn da geschieht ein Mord an einem alten Mann, in der Teufelshornbucht, die dem Krimi den Titel gab, legen dunkle Gestalten an und ein junges Paar findet in den Felsen Kisten voller Bibeln. Hohlen, allerdings, gefüllt mit Koks.
Lokalkolorit
Und dann ist da noch Pep, ihr junger Assistent und Isabels Frettchen, die zwar für die Story keine Rolle spielen, einfach etwas Lokalkolorit versprühen. Dann tauchen noch zwielichtige Kolumbier, noch mehr Drogen und irgendwelche Diamanten auf – nur richtig Spannung mag keine aufkommen. Zu viele Fäden werden da ineinandergeflochten oder auch nicht, zu viele unwichtige Details erwähnt.
Zum Schluss klärt sich alles auf – die Diamanten erhält ein kolumbianisches Kinderhilfswerk, der Mord am alten Bauer– nein das wird nicht verraten, ein bisschen Spannung darf schon sein –, die Drogensache weist nach Südamerika und der Kommissar hat gar keine Geliebte auf dem Festland, was Isabel erleichtert zur Kenntnis nimmt. Und die Entführung des kleinen Mädchens entpuppt sich als Familienangelegenheit. Wer das Buch als Strandlektüre mitgenommen hat, kann jetzt erleichtert aus dem Liegestuhl aufstehen und sich ein Eis holen.
Anna Nicholas: «Das Teufelshorn», erschienen im Diogenes Verlag 2025.