Schöne Ferien!

Wie Reisen verbindet und die Umwelt belastet, darüber diskutierte ich Ende Juni 2025 wieder einmal mit Hansruedi Müller, dem emeritierten Wirtschaftsprofessor der Universität Bern. Wie vor über vierzig Jahren. Er war damals Assistent des legendären Tourismusforschers Jost Krippendorf (1938-2003), der einen Bestseller über Die Ferienmenschen (1984) verfasste. Und ich leitete den Schweizerischen Arbeitskreis Tourismus und Entwicklung, den die Erklärung von Bern (heute Public Eye) 1977 gegründet hatte; zusammen mit der Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke sowie der Direktion für Entwicklungszusammenarbeit des Bundes. Wir fragten uns, ob der Tourismus wirklich der Völkerverständigung und Entwicklungshilfe diene.

Meine eigenen Studien ergaben schon Anfang der 80er Jahre einen ernüchternden Befund. Vor allem beim gängigen Ferntourismus in südliche Kontinente. Er erweitert wohl den Horizont von einigen Reisenden, verstärkt aber auch Vorurteile über «träge Einheimische». Und was empfinden unfreiwillig Bereiste, wenn sie bei Wasserknappheit sehen, wie sich ungebetene Gäste im umzäunten Swimmingpool tummeln?

Mich irritierten auch wirtschaftliche Diskrepanzen. Statt sprudelnde Devisen einzunehmen, subventionieren etliche Destinationen in Afrika, Asien und Lateinamerika die importlastige touristische Infrastruktur sowie aufwändige Zubringerdienste für Strassen, Verkehr und Energie. Und selbst positive Arbeitsplatzeffekte haben eine Kehrseite. Unzählige Jugendliche ziehen vom Land in die attraktiven Zentren, ohne eine Anstellung zu finden. Hinzu kommt die arg belastete Umwelt. Sie wird zwar eher mehr problematisiert als damals, aber weiterhin ignoriert.

Das Thema Nachhaltigkeit ist auf allen Ebenen angekommen», bilanziert Hansruedi Müller, der langjährige Direktor des Forschungsinstituts für Freizeit und Tourismus (FIF). Es gebe viele Agenden, Chartas und Zertifizierungen wie Swisstainable. Alle seien bemüht, nachhaltiger zu werden. «Insgesamt wurde der Tourismus dennoch nicht nachhaltiger, weil das Wachstum enorm ist, und zwar bezüglich der reisenden Bevölkerungskreise, der Häufigkeit und der Distanzen», so Müller.

Was können wir also tun, um die Umwelt zu entlasten? «Sinnvoll planen», führt Müller weiter aus. Er ist auch Co-Autor des Buchs Unterwegs, das im November 2025 den internationalen Travel Book Award erhält. Und «sinnvoll planen» bedeute eben «weniger weit reisen, Transport, Unterkunft sowie Aktivitäten verantwortungsvoll auswählen, länger an einem Ort verweilen, sich mit Land und Leuten befassen, offen und rücksichtsvoll sein». Im Sinne von «fair unterwegs» heisst das auch: «CO2-Ausstoss beachten, lokale Angebote nutzen und angemessen bezahlen». Wenig deute allerdings darauf hin, dass wir es mit dem Klimaschutz ernst genug meinten, weder beim Konsum, noch bei der Politik oder im Umgang mit fossilen Brennstoffen. «Wir sind nicht auf Kurs, weder national noch global, wohlwissend, dass der Absenkpfad immer anspruchsvoller wird», resümiert Müller. Und der Tourismus sei «stark mitschuldig».

Ja, der Flugverkehr verfehlt die Klimaziele bei weitem. Er hat sich seit 1990 verdreifacht. Gewiss hilft es, das Kerosin endlich zu besteuern, mehr Anteile aus erneuerbarer Energie beizumischen und die spärlichen Ersatzzahlungen (bei nur sieben Prozent der Reisen) zu erhöhen. Statt Emissionen ein wenig zu kompensieren, sind sie jedoch gesamthaft zu reduzieren. Und das fordert uns Reisende heraus. Gerade jetzt. Derzeit locken Angebote eine Woche für tausend Franken mit Vollpension.

Zum Beispiel nach Tunesien. Ein Katzensprung. Der Flug dauert von der Schweiz aus keine drei Stunden. Der CO2-Ausstoss betrage 709 kg pro Person und Strecke, die internationale Gästeschar 9,4 Millionen. Einst wollte das Land die Umweltabgaben erhöhen. Da drohten Veranstalter damit, die Destination zu wechseln. So unterlaufen sich Anbietende gegenseitig mit Tiefpreisen. Zu Lasten der Umwelt. Auf einen Flug zu verzichten, ist deshalb eine Alternative. Vor allem für jene, die schon viel gereist sind. Schöne Ferien.

Titelbild: Porträt Ueli Mäder © Foto Christian Jaeggi

Bücher (zum Teil nur noch antiquarisch erhältlich):
– Jost Krippendorf: Die Ferienmenschen. Orell Füssli, Zürich 1984. ISBN ‎3-28001-481-6
– Ueli Mäder: Fluchthelfer Tourismus. Wärme in der Ferne. Rotpunktverlag, Zürich 1982. ISBN 3-85869-019-8
– Martin Nydegger, Hansruedi Müller: Unterwegs. Begegnungen und Reflexionen zum Tourismus. Weber Verlag, Thun/Gwatt 2024. ISBN 978-3-03818-539-0

Seniorweb hat 2024 auf «Closeby, ein Wanderbuch für Vielflieger», hingewiesen. 

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