Umwerfend vergnüglich: Der Theatermacher Herbert Fritsch zeigt als Gastspiel sein fulminantes Stück «der die mann» am Schauspielhaus Zürich.
Die Festspiele Zürich starteten am 3. Juni gemeinsam mit der grossen Picabia-Retrospektive im Kunsthaus und dauern bis zum 26. Juni. Schwerpunktthema ist in diesem Jahr die Dada-Bewegung, welche sich vor 100 Jahren von Zürich aus weltweit epidemisch verbreitete. In über 150 Veranstaltungen, Ausstellungen, Theater, Oper, Tanz, Konzerten, Gesprächen und vielem mehr, widerspiegeln sie nicht nur den Facettenreichtum der Dada-Bewegung, sondern auch die Vielfalt der Zürcher Kultur.
Verschlungene Wortschöpfungen
Im Schauspielhaus steht das dadaistische Wort als Performance im Mittelpunkt. Am ersten Festspiel-Wochenende gastierte die Volksbühne Berlin mit Herbert Fritschs «der die mann» auf der Pfauenbühne. Es ist ein rasantes, höchst unterhaltsames und gnadenlos witziges Schauspiel- und Theaterfest mit einer Unmenge an grandiosen Einfällen. Das Publikum am ersten Gastspielabend war begeistert über die fulminant inszenierten wortakrobatischen Kapriolen des österreichischen Schriftstellers und Dandys Konrad Bayer, der in den 1950er- und 1960er-Jahren mit der Sprache, deren Formen und Strukturen experimentierte. Er gehörte der Wiener Gruppe an, die mit dadaistischen Happenings für Skandale sorgte.
Furioser Auftritt. Die sieben Schauspieler in Gummiklamotten. (Foto: Schauspielhaus)
Bayers Texte schreien förmlich nach Performance. Herbert Fritsch setzt in «der die mann» eine Auswahl von Bayers verschlungenen Wortschöpfungen komisch, brillant in Szene. Gespielt wird auf einer Drehbühne mit rotem Treppenaufbau und riesigem gelbem, drehbarem Schalltrichter. Die sieben Schauspieler kommen in knallbunten Gummiklamotten und in Beatles-Banduniformen daher, posieren, singen und rezitieren auf und neben der Treppe die hinterfotzig-klugen Sprachkunstwerke Bayers mit akrobatischem Gliederverrenken und ausufernden Gesten. Mit dabei ist eine vierköpfige Musikergruppe, die Bayers Texte zum Klingen und die Körper der Schauspieler zum Beben bringen.
Slapstick vom Feinsten
In furiosem Tempo deklarieren die Schauspieler meist chorisch die scheinbar sinnentkleideten Texte, bebildern sie durch weit ausschweifende Gebärden, beobachten, missverstehen, kommentieren einander und erschrecken voreinander. Immer wieder tritt einer aus der Gruppe heraus, um an einem gelben, blauen oder roten Mikrofon seinen Beitrag zum Besten zu geben. Alle sind bemüht, sich gruppenkonform zu verhalten, und stolpern dabei von einer Ungeschicklichkeit in die andere. Grandios, wie sie auf der Treppe in schönster Eintracht Bayers Gedicht «a und o» in hohem Tempo und völlig fehlerfrei vortragen. Geboten wird Slapstick vom Feinsten, etwa wenn sie die Treppe von Goldkonfetti zu befreien versuchen oder bei einer «ein und ein und ein und»-Textschleife hängen bleiben, und zwar immer wieder und sehr gründlich.
Geboten wird ein wahrlich umwerfend vergnüglicher Abend. Zu bewundern sind die sieben Gummiteufel (Florian Anderer, Jan Bluthardt, Werner Eng, Annika Meier, Ruth Rosenfeld, Axel Wandtke und Hubert Wild), wie sie die komplexen, sinnfreien Wortzusammensetzungen akustisch, artistisch und irrwitzig schnell meistern. Das ist hohe Schauspielkunst.
Schmutzige Wahrheiten
Das Schauspielhaus wartet im Rahmen der Zürcher Festspiele noch mit einem zweiten Highlight auf. Am 17. und 18. Juni gastiert das Burgtheater Wien in der Schiffbau-Halle. Gespielt wird das Stück «Die Affäre Rue de Lourcine» von Eugène Labiche in der Inszenierung von Barbara Frey. Labiche zeigt in seinem Albtraumschwank von 1857 spielerisch die schmutzigen Wahrheiten, die sich hinter einer spiessbürgerlichen, sauberen Kulisse auftun können.
Mehr über die Zürcher Festspiele unter www.festspiele-zuerich.ch