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Sommerpause für Johannes Brahms

Zu Brahms Zeiten, also in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, waren die Sommermonate für Musiker die Erholungszeit. Die Konzertsaison war vorüber, endlich war Sommer! Man ging zum Kuren oder Wandern an einen schönen Ort.

So hielt es auch Johannes Brahms, der vorzugsweise in Baden-Baden kurte, öfter aber auch in der Schweiz. Hier fand er die Ruhe, um komponieren zu können.

Ein Sommer in Rüschlikon

Die Entscheidung, den Sommer 1874 in Rüschlikon zu verbringen, traf er spontan. Nach Zürich war Brahms gereist, weil ihn Friedrich Hegar, Chefdirigent des Tonhalle-Orchesters und des Gemischten Chors Zürich, eingeladen hatte, sein 1872 komponiertes «Triumphlied» am Zürcher Musikfest zu dirigieren. Bei einer Schifffahrt, die Brahms kurz nach seiner Ankunft im Juni mit Hegar auf dem Zürichsee machte, sah er «auf einem Hügel über Rüschlikon ein einsames Haus liegen und rief: Dort oben möchte ich wohnen!»

«Dort oben möchte ich wohnen!» Das Haus oberhalb Rüschlikon. (Privataufnahme Fritz Widmann)

Friedrich Hegar liess sich das nicht zweimal sagen: «Wir stiegen aus und gingen zum Barbier, den er (Brahms) in solchen Fällen immer als die beste Orientierungsquelle betrachtete, und richtig, der wusste auch, dass dort zwei Zimmer zu vermieten waren,» so Hegar in seinen Erinnerungen. Damit war es besiegelt, Brahms hatte seine «Komponierhöhle» für den Sommer gefunden. «Jetzt wohne ich gar hübsch am See,» schrieb der Komponist von Rüschlikon einer Freundin, «und zwar habe ich genau in dem Haus die Fenster gekriegt, die ich vom Dampfschiff aus als die wünschenswertesten bezeichnete. Ich habe einiges Geschick und viel Glück mit Wohnungen…».

Frühmorgens ein Bad im See

Für Brahms war es wichtig, eine schöne Aussicht zu haben. Und da er die Angewohnheit hatte, beim Nachdenken herumzulaufen, mietete er sich ganze Wohnungen, um ungestört herumwandeln zu können. Eigens für ihn wurde auch ein Klavier angeschafft. Die Tochter des Hauses in Rüschlikon schreibt in ihren Erinnerungen: «Brahms war ein Frühaufsteher. Sehr oft begab er sich schon um 5 Uhr zum See hinunter, nahm sein Bad und bei der Rückkehr wünschte er in seinem Zimmer den Kaffee bereit zu finden. Nach dem Frühstück versenkte er sich in sein Studium; doch musste das Kaffeekrüglein bis zur Mittagsstunde neben ihm stehen. Er hatte auch die Gewohnheit, nur halb bekleidet zu arbeiten.»

Verbundenheit mit dem Thunersee 

In den Jahren 1886 bis 1888 verbrachte Johannes Brahms die Sommermonate jeweils in Thun, in der ersten Etage des Hauses von Kleinwarenhändler Spring. Das Gebiet kannte er von seiner Tour mit dem Vater 1868 ins Berner Oberland bestens, und die Nähe zu seinem Freund Josef Viktor Widmann, der beim Berner Bund als Redaktor arbeitete, beflügelten ihn ebenfalls. An seinen Biografen Max Kalbeck schrieb er: «Es ist ganz herrlich hier. Nur so nebenbei sage ich, dass es auch eine Menge Biergärten gibt.»

Johannes Brahms um 1879, porträtiert von Fritz Luckardt.

Die Thuner Sommer waren produktiv, hier entstanden unter anderem die Violinsonaten Nr. 2 und Nr. 3, das Doppelkonzert op. 102 und etliche Chorwerke. Daneben machte Brahms ausgedehnte Ausflüge, er hatte ein Saisonabonnement für das Dampfschiff und bestieg den Niesen in einer Monstertour.

Wandertour zum Oeschinensee

Freund Widmann schreibt in seinen «Erinnerungen an Johannes Brahms» über eine gemeinsame Wandertour von Kandersteg zum Oeschinensee: «Bergan zu gehen fiel ihm (Brahms) freilich bei seiner Neigung zur Korpulenz sehr schwer, und oft unterwegs klagte er sich des Unverstandes an, sich auf eine solche Unternehmung eingelassen zu haben. Ebenso war ihm der steile Weg nach Mürren recht sauer geworden. Umso lustiger ging es hinunter, gewöhnlich so schnell, dass kaum jemand Schritt zu halten vermochte.»

In Thun, im Berner Oberland, komponierte Brahms nicht nur, er unterahm auch längere Wanderungen. Im Bild der Niesen.

Es überrascht nicht, dass auch der Brahms- Biograf Max Kalbeck vom Berner Oberland begeistert war. Bei der Beschreibung des in Thun entstandenen «Doppelkonzerts» meinte er pathetisch: «Die Gipfel des Berner Oberlandes steigen vor unseren Augen empor, wenn wir an die Themen des a-moll-Doppelkonzertes für Violine und Violoncello denken. Ihre Schneehäupter glühen im Rosenlicht und spiegeln sich, verklärt von den Tonfluten wie im feuchten Glanz eines stillen Sees. Gewaltig erhebt sich das steil abstürzende Hauptthema des ersten Satzes…».


In der Reihe «Endlich Sommer» bereits erschienen:

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