Die Halbinsel Pilion gilt als eine der schönsten Landschaften des Mittelmeeres. Dieses landschaftliche Juwel liegt zwischen der Grossstadt Volos und dem ägäischen Meer.
Die «Schweiz Griechenlands» sei ein sorgsam kultiviertes Paradies, schreibt das Magazin Geo. Wandern in dichten Wäldern auf gepflasterten Handelswegen, Baden auch im Herbst und Übernachten in historischen Herrenhäusern – alles ist da für ruhige Ferien. Denn was hier fehlt, ist der Massentourismus.
Im Bergdorf Makrinitsa scheint die Zeit still zu stehen
Auf der Landkarte betrachtet, hat das Pilion die Form eines nach links ausgerichteten Stiefels mitten im Pagasitischen Golf. Die Halbinsel besteht aus einem Gebirgszug, der bis auf 1624 Meter ansteigt, und liegt nördlich der Insel Euböa zwischen Athen und Thessaloniki. Die Anreise erfordert Ausdauer und Planung. Das hilft mit, dass die Gegend sich eine Ursprünglichkeit bewahren konnte, die heute in Griechenland nicht mehr so oft zu finden ist.
Typische Taverne unter der Riesenplatane in Vitisa
Durch seine üppige Vegetation und sein mildes Klima ist das Pilion bei der griechischen Bevölkerung, aber auch bei vielen Ausländern, als Zweitwohnsitz beliebt. Es umfasst eine abwechslungsreiche Region von über 40 Bergdörfern und Küstenstädtchen, die zum Teil auf eine geschichtsträchtige Vergangenheit blicken. Die naturbelassene Landschaft mit dem traditionellen Wegnetz macht den Charme der Halbinsel aus. Ein klares Meer und feine Strände mit nur wenigen Badegästen ergänzen das Pilion-Mosaik.
Die Landschaft zeigt sich an vielen Stellen eher als ein grosser See mit Inseln und Buchten als ein weites Meer.
Der Westteil und der Süden der Pilion-Halbinsel fällt sachte zum Meer ab. Hier gibt es natürliche Häfen und besser ausgebaute Strassen. Die wichtigsten Ortschaften dieser grünen Landschaft sind von Nord nach Süd der Badeort Agria, das alte Fischerdorf Kala Nero, das hübsche Städtchen Milina sowie das ansehnliche Dorf Trikeri mit seinen weißen Herrenhäusern.
Herrenhäuser mit Schieferdächern – heute Ferienresidenzen und oft stilvolle Kleinhotels.
Der Ostteil des Pilion ist unwegsam und fällt steil ins offene ägäische Meer ab. Die wenigen Orte hier scheinen sich regelrecht an die Felsen zu krallen. Die wichtigsten Ortschaften hier sind Horefto mit seinem schönen Strand, das geschichtsträchtige Bergdorf Zagora mit den typischen Herrenhäusern, der Touristenmagnet Agios Ioannis mit dem berühmten Strand von Papa Nero und – in direkter Nachbarschaft – Damouchari, das winzige, aber weit verstreute Dorf mit dem einzigen natürlichen Hafen des Ost-Pilion sowie das vor über 500 Jahren in einem Kastanienwald gegründete Tsagarada.
Urtümliche Wälder im Osten
In den dichten Wäldern zu wandern ist eine wahre Lust. Die Laubwälder aus Platanen, Buchen, Eichen und je nach Meereshöhe Kastanien muten stellenweise wie ein Urwald an. Die Wälder sind fast unberührt, weil sie so unzugänglich sind. Am frühen Morgen belebt das Licht diese unendlichen Wälder. Durch den ständig wechselnden Lichteinfall im Spiel zwischen Schatten und Sonnenflecken erlebt man ein Figurentheater in herbstlichen Farben.
Wandern einem Bach entlang in der Nähe von Makrinitsa
Das Flüsschen führt auch im Herbst noch Wasser, man fühlt sich in ein Tessiner Bergtal versetzt. Viele der uralten Handelswege, die lange Zeit die einzige Verbindung dieser Gebirgssiedlungen waren, sind bis heute erhalten geblieben. Diese verschlungenen Pfade mit ihren Plattenwegen, Treppen und Bogenbrücken, wurden mittlerweile ordentlich restauriert. Mit zweisprachigen Wegweisern versehen ist das Pilion zu einem Traumziel für ausdauernde Wanderer geworden.
Ehemalige Handelswege sind heute zu einem Wandernetz verbunden.
Bevor auch den letzten Winkel des Pilion im Auto erreichbar wurde, waren die Dörfer durch dieses Netz gepflasterter Handelswege, Kalderimia genannt, miteinander verbunden. Die sorgfältig angelegten Pfade können bis zu tausend Jahre alt sein. Häufig passiert man Schluchten mit Gebirgsbächen und alten Steinbrücken.
Naturdusche: Die olympischen Götter haben als Schutz gegen die Hitze ihren Sommersitz gut gewählt.
Das Ökosystem des Pilion ist sehr artenreich, da es isoliert und die landwirtschaftliche Nutzung ab 700 Höhenmetern nicht mehr möglich ist. Man kann hier die natürliche Bewaldung des östlichen Mittelmeerraumes erleben. Hier war, nach dem Sänger Homer, die Heimat der Zentauren, Wesen halb Mensch und halb Pferd, die sich in der Heilkunde auskannten. An vielen Orten sprudeln Quellen, die in Brunnen gefasst und in Kanäle geleitet werden. Am Tag wandern und am Abend im Meer ein Bad nehmen, das lässt sich im Pilion ideal verbinden. Auf der Westseite findet man leicht den Weg zu einer der zahlreichen kleinen Buchten oder zu einem der vielen Sandstrände.
Kala Nero auf der Westseite des Pilion
Auf der Ostseite machen wir einen Halt in Agios Dimitrios. Weit unten liegt Agios Ioannis, wo wir die nächste Nacht verbringen werden. Eng die Strasse mit unendlichen Kurven. Endlich unten am Meer atmen wir auf.
Durch Agios Ioannis führt eine enge Strasse – wer keinen Parkplatz findet macht einen weiten Umweg.
Laut Navi liegt unser Hotel an der Hauptstrasse im schattigen Grün mächtiger Platanen. Wie sich herausstellt, sind wir in einer Einbahnstrasse zu weit gefahren. Zurück geht nicht und die Weiterfahrt führt wieder den Berg hinauf, hoch über dem Städtchen. Kaum Verkehr zum Glück und der nette Mann, der uns Auskunft gibt, winkt mit der Hand und lacht; rückwärtsfahren und Nerven sparen. Was mich deutlich mehr Nerven kostet, aber die grosse Umfahrung hätte mir auch keine Freude gemacht.
Damouchari ist eine hübsche Bucht. Sie entführt uns aber nicht ganz in die griechische Sommeridylle wie im Film «Mamma mia!» wo es nur Sonne, Licht und blaues Meer gibt.
Die grosse Attraktion in der Werbung sind die beiden Strände Papa Nero und vor allem Damouchari. Hier wurden – wie auch auf Skyros im Jahre 2008 Szenen des Filmmusicals Mama mia! gedreht. Für uns Besucher heisst das, nochmals über den Berg auf der bereits bekannten schmalen Strasse und noch abenteuerlicher wieder hinunter ans Meer. Zum Glück begegnen wir keinem Gegenverkehr. Damouchari hat einen kleinen Naturhafen. Einige Meter weiter befindet sich ein sehr schöner Badestrand mit Taverne und – wir erwarten schon gar nichts anderes – nur wenigen Badegästen.
Das Zentrum dieser Bergdörfer ist die Platia – ein mit Natursteinplatten gepflasterter Dorfplatz.
In Tsakarada, der Stadt der alten Bäume, gibt es Baumriesen zu entdecken. Gesäumt von Häusern mit Schieferdächern und einigen kleinen Kirchen, wird der Dorfplatz von uralten Platanen und Kastanienbäumen beschattet. Auf dem Paraskevi-Platz im Zentrum steht eine Platane, die nach Angaben des Tavernenwirts tausend Jahre alt ist. Ihr Umfang betrage 14 Meter. Das Dorf mit Blick auf die Ägäis liegt auf etwa 450 Meter über dem Meer.
Am Abend auf der Platia. Blick durch eine Spalte im Stamm der alten Platane.
Weiter geht’s bis zum Ende der Halbinsel. Man fährt durch einsame Buchten und weite Wälder. Eine Ziegenherde unterbricht die Stille. Eine reizvolle Entdeckung ist der kleine Weiler Kottes. Zwei Tavernen, zwei Boote und fünf Katzen. Eine nette Wirtin, frischen Fisch und ausgezeichneten Landwein für uns – Fischhaut und -kopf für Katzen und Kater.
Kottes: eine Idylle am Ende der Welt
Bei der Vorbereitung der Reise lasen wir über Romina Sauter, einer jungen Schweizerin, die seit längerer Zeit in Argalasti lebt, einem Ort im Süden wenige Kilometer vom Meer entfernt. Sie macht zusammen mit ihrem griechischen Partner Niko Musik. Das Paar hat sich der Bouzouki verschrieben. Romina singt traditionelle griechische Lieder und Niko begleitet sie auf selbst gebauten Saiteninstrumenten. Leider sind wir einen Tag zu spät, um einen Abend mit ihnen zu erleben.
Wir treffen Romina zusammen mit ihrer Tochter im kleinen Hafen von Milina. Niko kehrt eben von einer Ausfahrt mit Feriengästen zurück, die einen Tag lang vor der Küste gefischt haben. Die Familie lebt von ganz unterschiedlichen Tätigkeiten. Romina ist Homeworkerin und arbeitet als Video-Editorin. Sie stellt Videoproduktionen her und bietet volle technische Unterstützung für Onlinekurse an. Neben einem grossen Kräuter- und Gemüsegarten betreut sie auch Haustiere während der Abwesenheit ihrer Besitzer. «Ja, die neue Wirtschaftskrise macht uns allen zu schaffen nach der langen Reihe von Krisen, antwortet sie auf unsere Nachfrage. Und der Strom sei doppelt so teuer geworden, erfahren wir im Gespräch.
Am frühen Morgen: Blick aus Makrinitsa auf Volos…
Hinter Volos, der Hafenstadt am Pagasitischen Golf, steigt das Pilion-Gebirge stetig von null bis 1200 Meter über Meereshöhe. Bis zur halben Höhe gibt es Bergdörfer mit einem ganz besonderen Reiz. Sie sind nahe an der Grossstadt, darum begehrt als Wohnlage. Zugleich ist der ganze Abhang ein Wandergebiet mit in einer intakten Natur.
…und nach Sonnenuntergang: dasselbe in anderem Licht.
Es ist unser letzter Abend in der Region. Wir nehmen Abschied von einer Ecke Griechenlands, die seit der Antike als Sommersitz der Götter galt. Dieser Mythos ist absolut glaubwürdig.
Bilder: Justin Koller
Titelbild: Zwischen Argolasti und Kottes liegt die Kleinst-Halbinsel Palio Trikeri
Pilion für Reiselustige:
Mietauto an den Flughäfen Athen oder Thessaloniki oder ab Athen mit dem Linienbus
Hier gibt es Reiseinformationen
Und hier Wandervorschläge
Romina Sauters Homepage
Teil eins der Miniserie: Skyros
Teil zwei der Miniserie: Skópelos und Skiathos