«Haben Sie heute schon ein Glacé geschlemmt? Tun Sie sich heute etwas Gutes und teilen Sie Ihr Sommerglück,» schreibt mir ein gemeinnütziger Verein in seiner Bettelmail. Dabei hat er eins übersehen: Glacéwetter war es letzte Woche nicht, ist es nächste Woche nicht und wird es wohl in diesem Sommer 2024 bestenfalls an einzelnen unerträglich schwülheissen Tagen sein, bevor die nächste Kaltfront mit Sturm, Hagel und Starkregen wieder Rüfen und Überschwemmungen bringt.
Ich glaube nicht mehr daran, dass der tagelang klare und tiefblaue Himmel mit leichtem Sommerwind und nachmittags heiß brennender Sonne vor angenehmen Abenden zum lange draussen sitzen, wie ich ihn von früher erinnere, noch kommt.
Mit Überschwemmungen nach Starkregen ist neuerdings immer wieder zu rechnen. Foto: Philip Halling, wikicommons
Immerhin schreibe ich am sonnigsten Tag der Woche diesen Text für den zweitsonnigsten, allerdings laut Radiowetterbericht nicht mit wolkenlosem Himmel, sondern mit Quellwolken in den Bergen und Schleierwolken im Mittelland, in unserer Gegend bilden sich diese regelmässig recht hartnäckig den Flugstrassen entlang. Aber eben, wer hier den Sommer vermisst, sucht ihn anderswo. Im Gegenzug bekommen wir aus dem Süden häufiger als früher Saharastaub, der Himmel und Sonne hellbeige einfärbt.
Eigentlich wäre das Wetter gut, nur der Saharastaub verfinstert die Berglandschaft im Bündnerland. Foto: ec
Erinnern Sie sich noch an die herrlichen Sonnenuntergänge und Sternennächte während des Corona-Lockdown? Etwas wärmer, aber noch fast so schön wie vor einem halben Jahrhundert. Am heutigen Samstag mit dem Spiel Schweiz-England bei der Europameisterschaft ist jedoch bereits wieder mit Sturmböen und Regen zu rechnen, der Grund sei eine Kaltfront, prognostizieren die amtlichen Wetterexperten.
Seit Wochen – gefühlt seit Monaten – wechseln sich Zwischenhoch und Niederschläge. Wer die Wetterkarten lesen kann, sieht die sich immer wieder erneuernde gleiche Konstellation mit einem Hoch im Atlantik, welches einfach nie zu uns gelangt, weil der Einfluss von Tiefdruckzonen und Kaltfronten es immer wieder bremst. MeteoSchweiz sagt auch, dass seit November die Sonnenscheindauer überwiegend unterdurchschnittlich ist und es seit Mai auch vielerorts deutlich nasser ist, als im langjährigen Mittel.
Die neueste Wetterkarte. Quelle: MeteoSchweiz
Fachleute wissen, das Wetter mit den immer extremer werdenden Ereignissen hat mit der Klimaerwärmung zu tun. Und der Journalist Constantin Seibt hat unlängst im Onlinemagazin Republik verkündet, wir Menschen hätten den Point of no Return überschritten. Alle Anstrengungen, die Klimaerwärmung abzubremsen, seien obsolet, weil zu spät ergriffen.
Im Hitzesommer 2022 sind in der Schweiz 623 Menschen aufgrund heisser Tage und Tropennächte in Folge gestorben. Das waren 3,5 Prozent aller Todesfälle zwischen Juni und August. Zu diesem Schluss kommt eine in der Fachzeitschrift Environmental Research Letters veröffentlichte Studie unter Leitung der Universität Bern. Gemäss der Publikation gab es im Sommer 2022 drei Mal mehr Hitzetote als im Durchschnitt der Jahre 2009 bis 2017.
Vor allem Abends regnet es in diesen Wochen häufiger als auch schon, also muss der Regenschirm für den Ausgang immer mit. Foto: pixabay
Wenigstens gerät unsereiner in diesem Sommer vorerst nicht wegen einer Hitzeperiode mit Tropennächten in Lebensgefahr. Eher heisst es Beeilung mit dem Schreiben dieses Texts, so dass ich noch bei Sonnenschein zu meinem Glacé komme. Aber wer weiss, vielleicht stellt sich nach diesen wechselvollen Wetterwochen, die manchmal eher an Anfang November als an Anfang Juli erinnern, doch noch eine der andauernden sommerlichen Hochdrucklagen ein, die dann zu Hitzewellen führen.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz stuft diese Hitzewellen als eine der grössten Bedrohungen durch Naturgefahren für die Schweiz ein. Nicht nur hohe Temperaturen tagsüber belasten die Gesundheit, sondern auch erhöhte Temperaturen in der Nacht. Ohne ausreichend kühle Nächte kann sich der Körper kaum erholen und in der Folge auch die Hitzebelastung am Tag schlechter verkraften.
Kurz bevor sie am Horizont untergeht, zeigt sie sich in einem Föhnstreifen am Rand der Wolkendecke: die Sonne. Foto: ec
Also, falls der heisse Sommer trotz Missgeschick mit dem Sechseläuten-Böögg, trotz hundertjährigem Kalender und anderen Auguren doch noch kommt, hier ein paar Tipps, was Senioren wie unsereiner, ausser Vanilleeis essen, noch vorkehren können:
Hitzeschutz für Menschen ab 65
Wer hingegen an Isobaren, dem Regenradar oder dem aktuellen Wetter fürs Wochenende interessiert ist, findet alles Wünschenswerte bei MeteoSchweiz samt Prognosen, Warnungen und Bildern und Blogs.
Hier finden Sie die publizierten Beiträge zur Sommerserie Heiss:
Linus Baur: Nichts wird so heiss gelebt…
Bernadette Reichlin: Von der Stirne heiss...
Es mutet schon etwas eigenartig an, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz die Hitzewellen als eine der grössten Bedrohungen durch Naturgefahren für die Schweiz einstuft. Andererseits müssen die von Schweizer Bundesstellen und Gerichten abgewiesenen Seniorinnen mit ihrer Klimaklage bis an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gelangen, um gegen den unzulänglichen Schutz der Bevölkerung durch den Staat vor den Klima bedingten Folgen, ernst genommen zu werden. Es ist nachgewiesen, dass diese Hitzewellen besonders ältere und vulnerable Frauen mehr treffen als andere Bevölkerungsgruppen.
Statt endlich die dringend notwendigen Massnahmen zum Klimaschutz vorwärts zu treiben, lehnen rechtsorientierte Politiker in unserem Parlament, trotz Ratifizierung der Pariser Klimaziele und Mitgliedschaft in der UNO und im Europäischen Sicherheitsrat, das in ganz Europa gültige Rechtsurteil des EGHFM ab. Eine Schande für die Schweiz.
Der neue Vorsteher des UVEK Albert Rösti will mit seinem Machtnetz lieber die Autobahnen ausbauen und bei der Energiegewinnung propagiert er schwerpunktmässig neue teure Atomkraftwerke mit ungewisser Endlagerung des radioaktiven Atommülls, entgegen dem Volksentscheid, in Zukunft erneuerbare Technologien zur Energiegewinnung zu nutzen. Das ist Klimapolitik à la SVP.
Die Politik pumpt weiterhin Subventionen in das bestehende Landwirtschaftsmodel, wo immer noch für die Umwelt giftige Substanzen gegen Schädlinge verwendet werden, obwohl es längst Alternativen gibt. Das Geld wäre besser investiert in neue, dem Klima angepasste Anbaumethoden und in die Schulung der Bauern, die sich für eine Zukunft ohne schädliche Chemie in der Landwirtschaft einsetzen wollen.
Unsere Grossverteiler, die ihre Verantwortung gegenüber dem Klimaschutz und den politischen Gegebenheiten viel zu wenig wahrnehmen, bieten u.a. Kartoffeln aus Ägypten, Gemüse, Früchte und Salate aus Almeria/Südspanien an, obwohl diese Region unter grossem Wassermangel leidet und mit dem Anbau landwirtschaftlicher Erzeugnisse unter kilometerlangen Plastiktunneln, den Gemeinden das Trinkwasser abgraben. Viele dieser Bewässerungen sind illegal sowie auch die vielen billigen Arbeiter aus Afrika, die unter unmenschlichen Verhältnissen leben müssen um dieses System am Laufen zu halten.
Das Gros der Bevölkerung konsumiert weiterhin viel zu viel billiges Fleisch und kauft Massenwaren von China, eine politische Diktatur, die unsere Menschenrechte mit Füssen tritt. Diese Erzeugnisse werden oft im Kübel entsorgt oder verbrannt und landen in unseren Gewässern und als Restmüll letztlich in der Luft und in den Weltmeeren. Die Menschen reisen weiterhin mit Benziner und Flugzeugen in der Welt herum als gäbs kein Morgen.
Viele Medien sind täglich voll von Brutalität, Gewalt, Skandalen und Fakenews und fördern damit ein Klima der Unsicherheit und zunehmend Hass, statt diejenigen zu Wort kommen zu lassen, die Problemlösungen aufzeigen und Hoffnung verbreiten. Das Motto heisst bei vielen: Nach mir die Sintflut! Dass diese längst im anrollen ist, wollen die meisten nicht sehen, auch wenn die Auswirkungen des Klimawandels immer sicht- und spürbarer werden. Es stehen uns warme Winter, sehr heisse Sommer und nasse Frühlings- und Herbstzeiten bevor. Und laut Prognosen der Klimaforscher verschieben sich nicht nur die Jahreszeiten, es werden in Zukunft vermehrt heftige Stürme, gewaltige Wassermassen, Dürre und Wassermangel zu Herausforderungen werden.