Was eine Fata Morgana ist, hatte ich schon als Jugendliche gelernt, nicht durch eigene Anschauung, sondern durch einen Abenteuerroman.
Bücher über reale und erfundene Abenteuer las ich damals mit Vergnügen. Eines handelte von einer Karawane, die in früheren Zeiten durch die Wüste zog und von Räubern überfallen worden war. Nun irrten die Männer mit Kamelen und Lasten herum, hatten Hunger und vor allem Durst. Da vermeinten sie gegen Westen Wasser zu erkennen und sogar ein, zwei Palmen. Beim Näherkommen mussten sie feststellen: Es waren nur Luftspiegelungen. Eine Oase war weit und breit nicht auszumachen. – Wie die Geschichte weiterging, habe ich vergessen.
Die Fata Morgana existiert nicht nur in erfundenen Geschichten. Ich selbst konnte einmal in Südtunesien einen solchen seltsamen Effekt beobachten. Aber wir kamen im Jeep in einer kleinen Gruppe mit einem Führer, also bestand keinerlei Gefahr. Deshalb empfanden wir die Fata Morgana auch nicht als dramatisch, sondern eher als Anekdote mit Aha-Effekt. Vor kurzem hörte ich von einer ernstzunehmenden Frau, dass auch in Schweden in heissen Sommern manchmal eine Fata Morgana zu sehen ist.
Der See auf diesem Bild ist nicht echt. Es handelt sich um eine Fata Morgana. (Foto in Nevada aufgenommen, 4. April 2007, wikimedia.com)
Ein Schweizer Witzbold wollte mir einmal weismachen, Fata Morgana sei eine schweizerdeutsche Redewendung und würde «Faht am Morge-n-a» (hochdt.: «Fängt am Morgen an») bedeuten. Da erkannte ich, dass man bei entsprechender Hitze schon früh verwirrende Wahrnehmungen machen kann.
Physik oder Fantasie
Diese Luftspiegelungen entstehen nämlich bei grosser Hitze und trockener Luft, wenn die Luft stark flimmert. «Eine Fata Morgana,» lesen wir bei Wikipedia, «ist ein durch Ablenkung des Lichtes an unterschiedlich warmen Luftschichten auf einem physikalischen Prinzip basierender optischer Effekt.»
Wohlgemerkt: Die Fata Morgana ist ein physikalisches Phänomen und keine visuelle Wahrnehmungstäuschung oder optische Täuschung. Gaspard Monge, ein französischer Physiker, hatte 1798 in Niederägypten erstmals solche Luftspiegelungen naturwissenschaftlich untersucht.
Ein seit alters bekanntes Phänomen
Kommt der poetische Begriff ebenfalls aus dem Ägyptischen? Nein, Fata Morgana stammt aus dem Italienischen, wobei fata auf Deutsch Fee bedeutet. Morgana, ein griechischer Name, ist der Name dieser Fee, die in sagenhaften Urzeiten auf einer Insel bei Messina gewohnt haben soll. Tatsächlich gibt es wohl auch in der Strasse von Messina, also auf dem Meer, solche Luftspiegelungen.
Es ist nicht bekannt, ob sich die Fee heute noch dort aufhält oder angesichts der Pläne der italienischen Regierung, eine Brücke über die Strasse von Messina zu bauen, längst geflüchtet ist und die Gegend ohne Fee auskommen muss.
Ein physikalisch definiertes Phänomen ist die Fata Morgana also. Wie verhält es sich dann mit dem Sirenengesang, den einsame Wanderer in der Wüste zu hören glauben? Sind es die Sandkörner, die vom Wind zum Klingen gebracht werden? Ich meine mich zu erinnern, dass mir der «Sirenengesang», der von grossen Sanddünen ausgeht, einmal auf diese Weise erklärt worden war.
Landschaft in der Wüste Taklamakan bei Yarkand, Autonome Region Xinjiang, China. / wikimedia.org
Eine der faszinierendsten Wüsten ist die Taklamakan, ein Teil der Wüste Gobi, heute von China durch Strassen unter Kontrolle gebracht. In den Fokus der Aufmerksamkeit gelangte diese extreme Wüste durch Sven Hedin, einen durchaus umstrittenen schwedischen Forscher. Er durchquerte 1895 die Taklamakan, geriet dabei in Lebensgefahr und wurde berühmt, denn er fand in der Wüste eine versunkene Stadt mit Wandmalereien, die auf griechische, persische und indische Einflüsse schliessen liessen. Von anderen Abenteurern wurden in einer Oase zudem wertvolle Schriftstücke aus dem 5. Jahrhundert gefunden, deren buddhistischer Inhalt noch heute hoch geschätzt wird.
Optische oder akustische Täuschungen bzw. reine Sinnestäuschungen – die verlocken uns Menschen immer wieder. Letztlich ist es doch das Gehirn, das erkennt und benennt, was unsere Sinne wahrnehmen. Eine Wahrnehmung ohne «Registrierung» im Gehirn gibt es nicht. Schliesslich spielen auch unsere persönlichen Gefühle eine Rolle. Wer sich von Hirngespinsten leiten lässt, geht in die Irre, real oder im übertragenen Sinne. Ein unangenehmes Erwachen folgt allemal.
Behalten Sie einen kühlen Kopf!
Hier finden Sie die bisher publizierten Beiträge zur Sommerserie Heiss:
Linus Baur: Nichts wird so heiss gelebt…
Bernadette Reichlin: Von der Stirne heiss...
Eva Caflisch: Regensturm statt Sommerhitze
Josef Ritler: Heissi Marroni, ganz heiss