Als Grosswildjäger in Afrika Elefanten zu schiessen, ist nicht mehr zeitgemäss. Reine Fotosafaris ohne körperliche Bewegung haben wenig Charme. Warum nicht eine Wandersafari mit stimmigen Übernachtungen in nachhaltigen Maasai-Lodges und -Zelten? Damit die Wertschöpfung im Land bleibt.
Mein Bubentraum geht auf das Jahr 1964 zurück. Im Kino «Scala» in Bümpliz sah ich den Film «Löwin Elsa». Er zeigte eindrücklich – ich erinnere mich noch heute dran – wie das Naturforscher-Ehepaar George und Joy Adamson ein Löwenbaby aufzog. «Ich möchte auch mal nach Afrika, um Tiere in der Wildnis zu sehen,» sagte ich mir als Achtjähriger.
«Der Grosswildjäger geht näher, bis zum Ufer des Teichs, wo der Elefant zu trinken beginnt. Der Schuss, auf den Vivienne gewartet hat, wirkt so gewaltsam wie eine Explosion. In kürzeren Abständen folgen weitere Schüsse, dann das Splittern und Krachen von Ästen…. «Er ist tot», sagt Brovie. Langsam treten sie näher. Brovie streicht mit der Hand über die Stosszähne. Vivienne berührt den Rüssel, von dem ein eigentümlicher Geruch ausgeht.» Im Roman «Die Tochter des Jägers» beschreibt Schriftsteller Lukas Hartmann, wie eine Grosswildjagd 1923, vor 100 Jahren, funktionierte (Seiten 186-187)*.
Anlässlich meiner Pensionierung nahm ich mir vor, meinen Bubentraum zu verwirklichen und nach Afrika zu reisen, nicht als Jäger oder gehetzter Tourist, sondern als Beobachter, Wanderer, Geniesser, der die Natur respektiert, die Wildtiere schont, der die Einheimischen wertschätzt und möglichst wenig Abfall hinterlässt. Die Wahl fiel auf eine Agentur, die «nachhaltiges Reisen in kleinen Gruppen» verspricht.
Lokaler Markt ohne Plastiksäcke.
In einer Edelweiss-Maschine (CO2-Kompensation geleistet) kommen wir abends am «Kilimanjaro Airport» in Arusha an. Am Einwanderungsdesk wartend, lesen wir, dass in Tansania die Einfuhr von Plastiksäcken seit 2019 verboten ist. Die tansanische Regierung unternimmt erhebliche Anstrengungen, um den für die Meere schädlichen Plastikmüll zu reduzieren und die Biodiversität zu schützen. Das macht Eindruck.
Eine hohe Priorität geniessen auch der Tier- und Landschaftsschutz: Vierzig Prozent der Staatsfläche (Land und Wasser) sind als Schutzgebiete ausgewiesen. Neben den 22 offiziellen Nationalparks besitzt Tansania zwölf Wildreservate und mehrere Dutzende weitere Schutzzonen. Im ältesten Nationalpark Serengeti, im Tarangire Nationalpark und im Ngorongoro-Krater wollen wir in den nächsten Tagen die Natur erleben.
Einfaches Nachtessen als Überraschung
Chauffeur Mohammed fährt uns nach der Ankunft in die Meru-View-Lodge, wo ein einfaches Abendessen bereitsteht. Die Lodge wird von einer sympathischen Grossfamilie betrieben. Auf den Tischen stehen vitaminreiche Produkte von lokalen Anbietern, hergestellt nach Rezepten der tansanischen Küche. Ein glaubwürdiges Beispiel für den nachhaltigen Einbezug der einheimischen Bevölkerung.
Erdhäuser mit Aussicht auf Steppe und Berge
Die nächste Lodge übertrifft meine Erwartungen gar noch. Die «Original Maasai Lodge», zwischen dem Mount Meru und dem Kilimanjaro gelegen, wurde von einer NGO geplant und gebaut. Beschäftigt werden überwiegend in der Umgebung lebende Maasais. «Africa Amini Life» stellt die soziale Mission an erste Stelle. Reisen soll so viele positive Wirkungen wie möglich erzielen. Im Rahmen dieser Mission leistet die NGO auch einen Beitrag an Gesundheitszentren und finanziert eine lokale Schule. Mit jeder Buchung spendet die NGO einen Betrag an diese Projekte.
Zweistündiger Spaziergang durch die Steppe
Ein Schamane nimmt uns mit auf eine Steppenwanderung. In gebrochenem Englisch erklärt er, welche Pflanzen giftig sind und welche als Heilmittel dienen. Sein geschärftes Auge erkennt Wildtiere, lange bevor wir sie mit unseren langen Objektiven geortet haben. Eine Zebra-Herde lässt sich durch uns nicht aus der Ruhe bringen. In der Ferne spielen junge Antilopen.
Speerwerfen vor der der Silouette des Kilimanjaros.
Am Abend vor dem Essen erhalten wir einen Einblick in die lokale Kultur. Junge Maasai-Männer üben sich im Speerwerfen. Die Indigenen jagen nicht, aber sie halten ausserhalb der Nationalparks Kühe und Rinder. Nach der höchst amüsanten Vorführung zeigen Männer und Frauen in ihren traditionellen Kostümen einen durch Gesang und Stampfen ergänzten Brauttanz, an dem wir zum Schluss ebenfalls teilnehmen dürfen. Herrlich schmeckt nach dieser Einlage das Abendessen.
Schnaubender Löwe vor dem Zelt
Auch in der nächsten Unterkunft, im Embalakai Serengeti Camp, werden wir von Einheimischen begrüsst und betreut. Wieder sorgen Maasais für unsere persönliche Sicherheit und bringen uns bei Dunkelheit ins Zelt. Das macht Sinn, denn das Camp steht ohne Zaun mitten im Serengeti-Nationalpark. Nachts schleichen wilde Tiere, darunter ein Löwe, ums Zelt. Bei Tagesanbruch trottet ein Flusspferd auf dem Weg zum nahen Fluss an mir vorbei. Natur pur.
Julius erklärt den nachhaltigen Anbau von Kaffeebohnen.
Auf dem Shangri-LA Estate bei Karatu erhalten wir von Julius eine Einführung in den nachhaltigen Kaffeebohnen-Anbau. Die Plantage, die von der NGO «Rain Forest» zertifiziert wird, beschäftigt 200 Angestellte aus der näheren Umgebung. Sie arbeiten in der Eintopferei (Wässern), auf den Feldern (Buschpflege), in der Tröcknerei. Die Bourbon-Bohnen werden nach einer gründlichen Reinigung hier verpackt und nach Europa verschifft, wo sie geröstet und verkauft werden. Gegründet wurde die 600 Hektaren grosse Farm 1961 von einer deutschen Familie. Einer der Investoren wohnt in der Gegend und besucht die Plantage regelmässig.
Auf der Weiterfahrt legt Mohammed Wert darauf, dass wir eine bestimmte Souvenir-Manufaktur ausserhalb von Karatu besuchen. Das Atelier wird von der Grossfamilie Vincent betrieben. Ältere und jüngere Familienmitglieder sitzen hinter den Verkaufsständen in einem Unterstand und produzieren, schleifen, bemalen Holztiere: Elefanten, Giraffen, Nilpferde. Oder sie kreieren poppige Bilder, die an Stellwänden aufgehängt vor den Holzhütten auf Käuferinnen und Käufer warten.
Das Atelier mit Souvenirshop der Familie Vincent.
Ahmed, ein junger Mann, erklärt mir, dass es im Atelier keinen Zwischenhandel gebe. Alle Einkünfte kämen zu 100 Prozent seiner Familie zugut und würden gerecht aufgeteilt. Das Familienoberhaupt, das von seinem Büro aus die Arbeiten verwalte, verdiene gleichviel wie er. An den geschilderten Idealzuständen kommen dann aber Zweifel auf, als der Boss mit einer schwarzen Limousine wegfährt. Seine Beschäftigen benutzten für den Arbeitsweg afrikanischen Tuk-Tuks, Motorräder, oder sie kommen zu Fuss auf die Arbeit.
Umweltschutz: Luft nach oben
Trotz vieler guter Nachhaltigkeitsansätze hat Tansania noch Luft nach oben: In den Strassengräben liegen zahllose Petflaschen, einzelne Lodges im Kolonialstil (bsp. die Mountain Lodge in Karatu) sind für mein Verständnis zu luxuriös und erinnern mich mit ausgestopften Tierköpfen und Speeren an die unrühmlichen Zeiten der Grosswildjägerei.
Und der Individualverkehr scheint – vor allem nachts – keine Verkehrsregeln zu respektieren. Da wird trotz Gegenverkehr und schmalen Strassen gerast und überholt. Erstaunlich, dass es bei dieser Fahrweise nicht zu mehr schweren Unfällen kommt.
Insgesamt aber war die Erfüllung meines Bubentraums ein unvergessliches Erlebnis, das meine Hoffnungen auf eine nachhaltige Tourismusentwicklung in Tansania bestärkt hat.
Unsere Reisegruppe, zusammen mit den beiden Rangern, nach einer Steppenwanderung.
Checkliste: Worauf bei der Planung einer Safari geachtet werden sollte:
- Nur Anbieter mit nachhaltigkeitszertifizierten Lodges und Unterkünften wählen.
- Regionale Küche mit lokalen Anbietern und herkömmlichen Produkten bevorzugen.
- Parks und Schutzgebiete schonen.
- Auf Tiere Rücksicht nehmen.
- Lokale Kultur wertschätzen.
- Lebensqualität der heimischen Bevölkerung bewusst verbessern.
- Regionale Wirtschaft stärken.
- Indigene Völker und Stämme als Partner betrachten.
- Traditionen, Bräuche, Glauben und Rechte Einheimischer respektieren.
- Selbstverständlich: CO2-Kompensation der Flüge nach Afrika und zurück.
Literaturhinweis:
* Die Tochter des Jägers, Lukas Hartmann, Roman 2002, Nagel & Kimche (als Taschenbuch bei Fischer) ISBN 3-312-00292-3
Titelfoto: Tänzerinnen in ihren Kostümen vor der Original Maasai-Lodge.
Auf den Ausflügen und Wanderungen konnten wir zahllose wilde Tiere beobachten und bewundern. Die nachfolgende Fotogalerie erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Fotos stammen von PS / AE / AB (alle ZVG)